Vor der Abstimmung im EU-Parlament: Digitalpolitiker und Digitalwirtschaft fordern gemeinsam Leistungsschutzrecht und Uploadfilter abzulehnen
Archivmeldung vom 18.06.2018
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Verhandlungen über die EU-Urheberrechtsreform sind auf der Zielgeraden angekommen. Nachdem sich die EU-Staaten dafür ausgesprochen haben, muss nun am 20. Juni das Europäische Parlament abstimmen. Umstritten sind zwei Elemente der geplanten Reform: die Einführung von Uploadfiltern und die Neuregelung des Leistungsschutzrechts. Digitalpolitiker in Berlin und Straßburg sowie Vertreter der Digitalwirtschaft warnen eindringlich vor den möglichen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen der Pläne.
So kritisiert Jens Zimmermann, digitalpolitischer Sprecher der SPD im
Bundestag, das Leistungsschutzrecht scharf: "Das Leistungsschutzrecht
verfehlt seine Ziele auf ganzer Linie und verursacht erhebliche
Kollateralschäden. Statt für eine angemessene Vergütung der Kreativen
zu sorgen, stärkt es vor allem die Monopolanbieter. Zugleich stellt
es eine erhebliche Gefahr für die Informations- und Meinungsfreiheit
im Netz dar. Deswegen unterstütze ich das Bemühen des Europäischen
Parlamentes, den Plänen zielgenauere Instrumente zur Stärkung der
Rechtsposition der Verlage bei einer angemessenen Beteiligung von
Journalisten entgegen zu stellen."
Auch Jimmy Schulz, digitalpolitischer Sprecher der FDP im Bundestag
fordert ein klares Nein zu Uploadfiltern: "Die Verpflichtung der
Plattformbetreiber zum Vorabfiltern fördert eine Zensurinfrastruktur
und bedroht die Netzkultur, so wie wir sie heute kennen."
"Unverhältnismäßig und praktisch nicht umsetzbar"
Julia Reda, Abgeordnete der Piratenpartei im Europäischen Parlament,
beklagt die "eklatanten Mängel" der geplanten Reform: "Expertinnen
und Experten sind sich praktisch einig, dass der Urheberrechtsentwurf
in seiner aktuellen Form richtig schlecht ist." Trotz Überarbeitungen
sei er "immer noch weit davon entfernt, praktisch umsetzbar und
verhältnismäßig zu sein." Zudem stehe er im "fundamentalem
Widerspruch zum Ziel der Verordnung, das klipp und klar im Titel
steht: Einen einheitlichen digitalen Binnenmarkt mit gemeinsamen
Regeln zu schaffen", betont Reda.
Gefahr für Startups und den Investitionsstandort Europa
Negative Auswirkungen auf Startups und den europäischen
Investitionsstandort Europa befürchten Oliver Süme,
Vorstandsvorsitzender des eco - Verband der Internetwirtschaft e.V.
und Christian Miele, Principal beim Wagniskapitalfonds e.ventures:
"Ein europäisches Leistungsschutzrecht wird Innovation behindern, die
Digitalisierung der Verlags- und Nachrichten-Branche erschweren und
zum Wettbewerbsnachteil für den Investitionsstandort Europa werden",
erklärt Süme.
Uploadfilter stellten gerade für kleinere und mittlere Unternehmen,
insbesondere Startups, ein Risiko dar: "Ihnen fehlen die Ressourcen,
um die erforderliche Filter-Software zu entwickeln. Damit schwächt
die geplante Reform die Wettbewerbsposition dieser Firmen - und das
wirtschaftliche Wachstum in der EU."
Miele sieht gerade in der Rechtsunsicherheit eine Bedrohung für
Startups: "Bevor wir in eine unternehmerische Idee investieren,
erstellen wir eine Risikoanalyse, die auch den regulatorischen Rahmen
berücksichtigt. Rechtsunsicherheit kann zu jahrelangen
Rechtsstreitigkeiten führen und stellt somit ein hohes Risiko dar,
das die Finanzierungschancen eines Startups erheblich reduziert. Das
wäre ein echter Wettbewerbsnachteil für europäische Startups und
schlecht für den Innovationsstandort."
EU-Parlamentarier verlangen Streichung des Leistungsschutzrechts
Angesichts solcher Auswirkungen fordern Wirtschaftsvertreter und
Digitalpolitiker das EU-Parlament auf, mit ihrem Nein die geplanten
Neuregelungen zu stoppen. Eine ablehnende Haltung hatte ursprünglich
auch die Bundesregierung vertreten. In ihrem Koalitionsvertrag
bezeichnen Union und SPD Uploadfilter als "unverhältnismäßig". Der
CDU-Politiker Axel Voss jedoch ist als zuständiger Verhandlungsführer
des EU-Parlaments ein Unterstützer der EU-Urheberrechtsreform. In
einem offenen Brief an ihn zeigten sich zuletzt insgesamt 104
Abgeordnete aus sieben Fraktionen "extrem besorgt" und forderten, das
Leistungsschutzrecht aus der Urheberrechtsrichtlinie zu streichen.
Über das Leistungsschutzrecht
Artikel 11 der geplanten EU-Urheberrechtsrichtlinie sieht vor, dass
Internetplattformen, die kleine Ausschnitte journalistischer Inhalte
im Netz nutzen - wie soziale Medien (u.a. Facebook) oder auch
News-Aggregatoren (u.a. Google News) - dafür eine Lizenz der
Presseverleger benötigen. Für das Einblenden automatischer Previews,
wenn Nutzer einen Link teilen (meist bestehend aus der Überschrift,
einem kleinen Bild und einem kurzen Textausschnitt), wären
Internetplattformen künftig zahlungspflichtig.
Über Uploadfilter
Nach Artikel 13 des Richtlinienentwurfs sollen Internetplattformen
(wie etwa YouTube), auf denen Nutzer Inhalte wie Texte, Bilder und
Ausschnitte von Musikstücken oder Videos hochladen können, künftig
Uploadfilter installieren, die diese automatisch vor dem Hochladen
auf mögliche Urheberrechtsverletzungen überprüfen.
Quelle: fischerAppelt, relations GmbH