Die EU will draufsatteln – Droht ein Antidiskriminierungsgesetz XXL?
Archivmeldung vom 17.03.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittBehinderten- und Frauenverbände, Lesben und Schwule, die Gewerkschaften sowie das linke Spektrum der deutschen Politik (Die Linke, die Grünen und SPD) werden sich vor Freude die Hände reiben: Brüssel will das so genannte Allgemeine Gleichbehandlungsgesetzt (AGG) – auch unter dem Namen Antidiskriminierungsgesetz bekannt – deutlich verschärfen.
„Die Bundesregierung hat sich die EU-Ohrfeige für das Antidiskriminierungsgesetz mehr als verdient,“ jubilierte beispielsweise Barbara Höll, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion Die Linke, über die Kritik des zuständigen EU-Kommissars Vladimir Spidla. Für CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer ist der Tscheche hingegen ein regelungswütiger „Sozialist“, der in Brüssel „Büchsenspanner, Bauchredner und Schleppenträger“ um sich schart.
In einem Interview mit dem Magazin Focus verwahrte sich Spidla gegen jegliche Kritik: „Deutschland hat bei der Antidiskriminierungsrichtlinie zugestimmt. Berlin sollte sich jetzt also nicht beschweren.“ In seinem Brief vom 31. Januar 2008 hatte Spidla Mängel in der Umsetzung der EU-Richtlinie gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz moniert und Nachbesserungen vor allem für homosexuelle Staatsbedienstete gefordert.
Das schon in seiner bisherigen Form äußerst umstrittene Bundesgesetz will Benachteiligungen aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion, der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität und Orientierung verhindern. Spidla moniert zum Beispiel, dass einige EU-Vorgaben nur unzureichend umgesetzt worden seien. So hätten Schwule und Lesben, die im öffentlichen Dienst beschäftigt sind, bisher nach dem Tod ihres Partners keinen Anspruch auf Rentenbezüge.
Bayerns Europaminister Markus Söder kündigte unterdessen an, dass sich Bayern gegen weitere Verschärfungen der gesetzlichen Anforderungen zur Nichtdiskriminierung massiv zur Wehr setzen würde: „Schon der gegenwärtige gesetzliche Rahmen geht an die Grenze des politische Vertretbaren und praktisch Vernünftigen. Jetzt noch draufzusatteln und wie EU-Sozialkommissar Spidla eine rechtliche Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Familie zu fordern, ist ein völlig falsches Signal.“ Eine solche Gleichstellung sei mit Bayern nicht zu machen. Schon jetzt sei das AGG ein „Bürokratieungeheuer“, das die Chancen auf dem Arbeitsmarkt gerade für diejenigen reduziere, die das Gesetz zu schützen vorgebe. „Das Gegenteil wäre richtig: Das Gleichbehandlungsgesetz entschlacken und Bürokratie abbauen.“
Spidlas Schreiben könnte für weiteren Ärger in der Großen Koalition führen, denn der Union war es nach Aussage von Fraktionsvize Wolfgang Bosbach schon so schwer genug gefallen, dem Gesetz in seiner bisherigen Form zuzustimmen. „Gegen die massiven Bedenken der deutschen Wirtschaft hat die Union dann aber doch klein beigegeben. Ich bin gespannt, wie lange jetzt der Widerstand gegen die drohende EU-Überregulierung währen wird. Vielleicht endet die CDU auch wieder als zahmer Bettvorleger. Ein Antidiskriminierungsgesetz XXL können wir uns nicht leisten“, kommentiert der Düsseldorfer Wirtschaftsexperte Jörg Peisert.
Doch selbst im Bundesjustizministerium zeigte man sich irritiert. „Wir gehen davon aus, dass wir die Vorgaben aus Brüssel richtlinienkonform umgesetzt haben und werden das der EU-Kommission auch so mitteilen“, ließ eine Sprecherin des Zypries-Ministeriums verlauten. Der grüne Politiker Volker Beck zeigte sich hingegen entzückt über die tatkräftige Unterstützung aus Brüssel: „Die Gleichstellung der Lebenspartnerschaft mit der Ehe im Steuerrecht und bei der Beamtenversorgung ist überfällig.“
Dass gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet wurde und insgesamt 14 EU-Mitgliedsstaaten gerügt wurden, zeigt, wie kompliziert diese juristisch-bürokratische Konstruktion ist. Der Vorfall zeigt auch, wie wenig ernst es die EU mit dem Prinzip der Subsidiarität nimmt. Außerdem ist das Ganze ein erschreckendes Beispiel für die Unkenntnis der Brüsseler Bürokratiemaschinerie, die nicht erkennt, dass viele Punkte, die sie nun in Deutschland im AGG nicht umgesetzt sieht, längst im hiesigen Arbeitsrecht geregelt sind.
Quelle: medienbüro.sohn