Bundesanwaltschaft übernimmt Ermittlungen nach "Tiergarten-Mord"
Archivmeldung vom 04.12.2019
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Freigeschaltet durch André OttNach dem mutmaßlichen Auftragsmord an einem russisch-georgischen Staatsangehörigen im Berliner Tiergarten hat die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommen. Es bestünden "zureichende tatsächliche Anhaltspunkte" dafür, dass die Tötung von Tornike K. entweder im Auftrag von staatlichen Stellen in Russland oder der autonomen Republik Tschetschenien erfolgt sei, teilte die Karlsruher Behörde am Mittwoch mit.
Im Hinblick auf diesen mutmaßlichen politischen Hintergrund der Tat sei die Schwelle zum Anfangsverdacht nunmehr überschritten worden, nachdem sich die neuesten Ermittlungsergebnisse mit den bislang vorliegenden Indizien zu einem Gesamtbild zusammengefügt hätten. Es handele sich um eine "staatsschutzspezifische Tat von besonderer Bedeutung".
Unterdessen teilte das Auswärtige Amt mit, dass zwei Mitarbeiter der Russischen Botschaft in Berlin mit sofortiger Wirkung zu personae non gratae erklärt worden seien. Hintergrund sei, dass die russischen Behörden "trotz wiederholter hochrangiger und nachdrücklicher Aufforderungen" nicht hinreichend bei der Aufklärung des Mordes an Tornike K. mitgewirkt hätten.
Gegen den russischen Staatsangehörigen Vadim K. alias Vadim S. besteht nach Angaben des Bundesanwaltschaft nach wie vor dringender Tatverdacht. Der Verdächtige war am 23. August 2019 kurze Zeit nach dem Attentat festgenommen worden. Kurz darauf war Haftbefehl gegen den Beschuldigten erlassen worden. Mit den weiteren polizeilichen Ermittlungen beauftragte die Bundesanwaltschaft das Bundeskriminalamt. Unterstützt werden soll es dabei durch das Landeskriminalamt Berlin.
Union: Hinweis auf neue Form völkerrechtswidrigen Verhaltens Russland muss an lückenloser Aufklärung des Tiergarten-Mords mitwirken
In Zusammenhang mit dem Auftragsmord im
Berliner Tiergarten im August hat Deutschland zwei russische Diplomaten
ausgewiesen.
Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Jürgen Hardt teilt dazu mit: "Mit den Aussagen des Generalbundesanwalts und der Ausweisung russischer Diplomaten verdichten sich die Hinweise, dass möglicherweise tatsächlich russische Regierungsstellen für den Auftragsmord im Tiergarten Verantwortung tragen. Sollte sich dieser Verdacht bestätigen, hätten wir es mit einer neuen Qualität völkerrechtswidriger russischer Handlungen auf europäischem Boden zu tun. Hierfür würde Präsident Putin die Verantwortung tragen. In keiner Weise können gezielte Tötungen auf deutschem Boden hingenommen werden. Sollte sich der Verdacht erhärten, müssen Gegenmaßnahmen über die bereits erfolgte Ausweisung hinaus getroffen werden."
Obmann und Berichterstatter Roderich Kiesewetter sagt: "Russland hat wiederholt die partnerschaftliche Bitte Deutschlands zur Aufklärung und Identifizierung des Täters abtropfen lassen. Die vorliegenden Hinweise deuten auf eine Beteiligung staatlicher russischer Stellen hin. Russland wäre gut beraten, einem weiteren Vertrauensverlust keinen Vorschub zu leisten. Es ist deshalb folgerichtig, die Verweigerung der Kooperation mit maßvollen diplomatischen Sanktionen zu beantworten und dadurch unserem Anspruch auf eine rasche Aufklärung Nachdruck zu verleihen."
Streit zwischen Moskau und Berlin: Was über getöteten Georgier bekannt ist
Wegen des Vorfalls mit dem Mord an einem Georgier in Berlin hat das Bundesaußenamt zwei Angestellte der russischen Botschaft zur „persona non grata“ erklärt. Sputnik hat zusammengefasst, was momentan über Khangoshvili, den getöteten tschetschenischen Terroristen mit der georgischen Staatsbürgerschaft, und seinen angeblichen Mörder bekannt ist.
Zelimkhan Khangoshvili:
- 40-jähriger ethnischer Tschetschene mit georgischer Staatsbürgerschaft;
- Kämpfte gegen Russland an der Seite der tschetschenischen Terroristen unter Führung der Islamisten Schamil Bassajew, Abu l-Walid und Aslan Maschadow;
- War Offizier in der georgischen Armee während ihrer Invasion in Südossetien 2008, wo er ebenfalls gegen Russland sowie gegen südossetische Freiwilligenverbände kämpfte;
- War Anhänger der islamistischen Terrororganisation „Kaukasus-Emirat“;
- Im Mai 2015 war auf ihn in der georgischen Hauptstadt Tiflis ein Mordanschlag verübt worden. Er wurde verletzt, überlebte jedoch;
- 2005 zog er aus Georgien über die Ukraine nach Deutschland um;
- In Deutschland lebte der Mann laut dem „Focus“ seit 2016, nachdem er hier einen Asylantrag gestellt hatte;
- 7Nach Angaben aus Sicherheitskreisen nutzte er zwei verschiedene Namen;
- Die Berliner Polizei soll ihn eine Zeit lang als „islamistischen Gefährder“ geführt haben;
- Er wurde am 23. August 2019 im Zentrum Berlins mit Schüssen in den Rücken und in den Kopf getötet;
- Die USA legen russischen Geheimdiensten den Mord zur Last;
- Deutsche Medien berichten ebenfalls über Russlands Verwicklung in den Mord;
- Kreml-Sprecher Dmitri Peskow bestreitet jegliche Verbindung Russlands mit dem Mord;
- Russlands Außenministerium kritisierte das politisierte Herangehen an das Verbrechen und versprach Gegenmaßnahmen.
Was über den mutmaßlichen Mörder bekannt ist
Deutschen Medien zufolge hat die deutsche Polizei den 54-jährigen Wadim Sokolow, dessen echter Name Wadim Krassikow lautet, wegen des Mordverdachts an Khangoshvili festgenommen. Nach Angaben der Polizei schweigt er zu allen Vorwürfen. Er stand auf der internationalen Fahndungsliste wegen des Mordes an einem Unternehmer in Moskau.
Später seien jedoch jegliche Angaben über ihn aus den Datenbanken des russischen Innenministeriums und der Interpol verschwunden, wie die russische Online-Zeitung „The Insider“, das Recherchenetzwerk Bellingcat und die Zeitschrift „Spiegel“ unter Berufung auf unbenannte Quellen berichten.
Nach den Angaben von Bellingcat ist der Verdächtige 54 Jahre alt, sein gefälschter Personalausweis auf den Namen Wadim Sokolow gibt dabei das Alter von 49 Jahren an.
Quelle: dts Nachrichtenagentur - CDU/CSU - Bundestagsfraktion (ots) - Sputnik (Deutschland)