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EU-Kommissar Oettinger: Volksabstimmung in Griechenland bringt Euro in noch größere Gefahr

Archivmeldung vom 02.11.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 02.11.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Gerd Altmann / pixelio.de
Bild: Gerd Altmann / pixelio.de

EU-Energiekommissar Günther Oettinger hat vor gravierenden Auswirkungen der geplanten Volksabstimmung in Griechenland über das EU-Hilfspaket gewarnt. Der griechische Premierminister Giorgos Papandreou bringe mit seinem Vorhaben den Euro "in noch größere Gefahr", sagte Oettinger der "Welt". "Wenn die Griechen tatsächlich mit Nein stimmen, sind die Folgen unabsehbar."

Schwächere Mitglieder der Eurozone seien "in besonderer Weise auf Klarheit und Vertrauen angewiesen", fügte Oettinger hinzu. "Für alle Länder, die nicht die höchste Bonität haben, verschlechtert sich die Lage erheblich. Die Gefahr, weitere Rückschläge zu erleiden, steigt."

Oettinger empfahl Papandreou, "den weiteren Weg eng mit seinen europäischen Kollegen abzustimmen". Es dürfe keinen griechischen Alleingang geben. Papandreou sei der Vorwurf zu machen, die Frage der Umsetzung nicht schon auf dem Gipfel in Brüssel thematisiert zu haben.

EU-Abgeordneter Chatzimarkakis erwartet Zustimmung Griechenlands zum Rettungspaket

Nach Aussagen des deutsch-griechischen EU-Abgeordneten Jorgo Chatzimarkakis (FDP) werden die Griechen in der geplanten Volksabstimmung dem Rettungspaket von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) zustimmen. Chatzimarkakis sagte der Tageszeitung "Die Welt": "Ich bin überzeugt, dass die Mehrheit der Griechen für das Rettungspaket stimmen wird. Die überwiegende Mehrheit in Griechenland hat verstanden, dass die Europäer dem Land weit entgegen gekommen sind und die Maßnahmen der einzige Weg aus der Krise sind."

Laut Chatzimarkakis, der enge Kontakte zu griechischen Regierungspolitikern unterhält, wird das geplante Referendum im Januar 2012 stattfinden. "Je eher die Ausführungsbestimmungen der Rettungs-Beschlüsse von Brüssel vorliegen, desto früher wird das Referendum abgehalten. Ich gehe von Januar 2012 aus", sagte der liberale Politiker.

Zugleich forderte Chatzimarkakis die Politik bei öffentlichen Äußerungen über Griechenland zur Zurückhaltung auf: "Ich kann die deutschen Politiker nur davor warnen, Griechenland mit dem Staatsbankrott und anderen Horrorszenarien zu drohen. Wenn man dieses Gespenst beschreibt, dann kommt es auch. In diesem Fall könnte das griechische Pulverfass explodieren. Dies hätte verheerende Folgen für den Euro."

Unions-Fraktionsvize Meister sieht Europa für Griechen-Referendum gewappnet

Finanzpolitiker von CDU, SPD und Grünen haben mit Verständnis auf die überraschende Ankündigung einer Volksabstimmung in Griechenland reagiert. Unions-Fraktionsvize Michael Meister (CDU) zeigte sich im "Handelsblatt" zugleich gelassen über mögliche Konsequenzen für die Euro-Zone. "Es ist Sache der Griechen, darüber zu entscheiden, ob sie die in Aussicht gestellten Hilfen akzeptieren wollen oder nicht", sagte Meister der Onlineausgabe des Blattes. Es handele sich um eine demokratisch legitimierte Entscheidung. "Die Europäer haben sich mit dem Rettungsschirm vorbereitet."

Der SPD-Haushälter Carsten Schneider nannte es nachvollziehbar, dass Volk zu befragen, da Griechenland einen langen, beschwerlichen Weg zu bewältigen habe. "Ich bin optimistisch, dass sich die Menschen für Reformen und einen Neuanfang entscheiden", sagte Schneider "Handelsblatt"-Online. Eine Alternative ohne Anstrengungen Wachstum und solide Staatsfinanzen zu erreichen gebe es nicht. Schneider betonte allerdings auch: "Für Europa ist es jedoch wichtig, dass wir rasch eine Entscheidung haben und es danach dann auch Sicherheit für alle Beteiligten gibt."

Die Grünen machten Bundesregierung sowie die Troika aus Internationalem Währungsfonds (IWF), EU-Kommission und Europäischer Zentralbank (EZB) für die eingetretene Lage verantwortlich. "Letztlich rächt sich jetzt die soziale Schieflage der Troika-Programme und die Abwesenheit eines echten wirtschaftlichen Aufbauprogramms, das Basis für neue wirtschaftliche Dynamik legt und den Menschen neue Hoffnung und Perspektiven verschafft", sagte der finanzpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Gerhard Schick, "Handelsblatt"-Online. Deshalb hätten die Troika-Programme keinen Rückhalt in der griechischen Bevölkerung. "Damit zeigt sich einmal mehr, dass das Krisenmanagement der Bundesregierung gescheitert ist. Denn sie hat bisher noch auf jedem Gipfel versäumt, die soziale Schieflage der Troika-Programme zu korrigieren", sagte Schick.

Schick forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, beim G20-Gipfel in Cannes einen "überfälligen Kurswechsel" in der Griechenland-Politik herbeizuführen. Vielleicht könne es so gelingen, die Menschen in Griechenland davon zu überzeugen, Mitglied der Euro-Zone zu bleiben. Dessen ungeachtet werde man jetzt in eine "sehr riskante Phase der weiteren Zuspitzung der Euro-Krise eintreten", fügte Schick hinzu. Die Staats- und Regierungschefs seien nur wenige Tage nach dem groß gefeierten Gipfeltreffen erneut in einer Sackgasse. "Allein die EZB ist derzeit handlungsfähig, um weitere Ansteckungen und somit eine neuerliche Verschärfung der Krise abzuwenden."

Den Schritt des griechischen Premiers Giorgos Papandreous hält Schick für sehr riskant, zugleich aber für nachvollziehbar. Denn die Reformen und Herausforderungen, vor denen Griechenland steht, könnten nur zum Erfolg geführt werden, wenn sie von den Menschen vor Ort mitgetragen und unterstützt würden, betonte der Grünen-Politiker. Das sei bisher nicht im erforderlichen Ausmaß der Fall. Das Sanierungs-Programm von Mai 2010 habe Griechenland nicht voran gebracht, sagte Schick. "Hier liegt der wesentliche Grund dafür, dass die Ziele bisher immer verfehlt wurden und eine Verbesserung der Lage vor Ort nicht wirklich in Sicht ist." Selbst mit Schuldenschnitt werde die griechische Staatsschuld trotz aller radikalen Einschnitte nicht niedriger liegen als im Mai 2010.

Ökonomen warnen vor gravierenden Folgen eines Griechenland-Referendums für Finanzsystem

Führende Ökonomen in Deutschland fürchten bei einem Scheitern des geplanten Griechenland-Referendums über das nächste Rettungspaket verheerende Folgen für das Finanzsystem in der Euro-Zone. Das berichtet das "Handelsblatt". Zwar sei es "für sich genommen nicht falsch", wenn der griechische Premier Giorgos Papandreou versuche, für seine Politik zur Umsetzung der Gipfelbeschlüsse der Euro-Staaten aus der letzten Woche eine neue Legitimation zu bekommen. Doch bei einem Nein im Plebiszit drohe das "Schuldenevent", das mit den Beschlüssen vermieden werden sollte. "Die Kreditausfallversicherungen würden gezogen, die befürchteten Schockwellen durch das Finanzsystem wären wohl nicht zu vermeiden", sagte der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, der Zeitung. Papandreou habe so aus guter Absicht Europa bereits "großen Schaden" zugefügt, zumal auch nicht klar sei, worüber die Griechen eigentlich abstimmen sollen. "Den einseitigen, freiwilligen Schuldenerlass der Kreditbanken? Wohl kaum. Die Hilfen der Euro-Partner und des IWF? Da ist doch längst durch. Die notwendige Restrukturierung der Staatsfinanzen? Darüber wären dann aber Neuwahlen herbeizuführen, und man müsste nicht sogleich Europa so stark in Mitleidenschaft ziehen", erläuterte Hüther und fügte hinzu: "Alles in allem scheint es wie ein politischer Selbstmord aus Angst vor dem Tode. Da sollte man dann alleine machen."

Auch der Konjunkturchef des Münchner Ifo-Instituts, Kai Carstensen, warnte bei "Handelsblatt"-Online, verliere Papandreou das Referendum, dann scheitere auch die europäische Rettungspolitik der Billionen-Euro-Pakete. Griechenland wäre dann "über Nacht pleite und speziell die deutsche Regierung müsste ihren Wählern die dann eintretenden Milliardenverluste aus Garantieversprechen erklären". Daher werde die europäische Politik zittern. "Aber vielleicht wird sie aus der Not eine Tugend machen und ernsthaft über andere Krisenmechanismen nachdenken: über eine Insolvenzordnung für Euro-Staaten etwa oder über Verfahren zum freiwilligen oder zwangsweisen Austritt aus der Währungsunion", sagte der Ifo-Experte. Hoffentlich mache sich dann die Erkenntnis breit, dass es sich bei der Währungsunion nicht um eine Schicksalsgemeinschaft handele: "Griechenland gäbe es auch ohne den Euro", sagte Carstensen. "Und Europa scheitert nicht, wenn der Euro in Griechenland scheitert."

Gleichwohl gestand Carstensen Griechenland das Recht zu, sich mittels einer Volksabstimmung zu vergewissern, ob die eingeschlagene politische Richtung von der Mehrheit der Bürger mitgetragen werde. Ein Referendum könne die Legitimation der massiven Reformpolitik stärken und zwänge die Opposition, Farbe zu bekennen. "Vielleicht könnte es sogar der Beginn einer "Regierung der nationalen Einheit" sein", sagte der Ifo-Experte.

Der Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, ist sogar überzeugt, dass Papandreou angesichts der harten Einschnitte die Legitimation des gesamten griechischen Volks braucht. "Es gibt somit die Chance, dass als Folge der nunmehr beginnenden Debatte eine Mehrheit der griechischen Regierung die notwendige Legitimation verleiht und damit zeigt, dass die harten Demonstrationen nicht dem Willen der Mehrheit der Bevölkerung entsprechen", sagte Horn der Zeitung. Der IMK-Chef fügte aber hinzu: "Kommt diese Mehrheit allerdings nicht zustande, gehen sowohl in Griechenland als auch im Euro-Raum die Lichter aus."

Der Chefvolkswirt der Dekabank, Ulrich Kater, äußerte die Hoffnung, dass die Griechen bei einem Referendum ihre Regierung und damit die Gipfelbeschlüsse mehrheitlich unterstützen. "Denn es würde zumindest indirekt eine Abstimmung über die Mitgliedschaft in den europäischen Institutionen sein", sagte Kater "Handelsblatt"-Online. "Das, was die Parteien anscheinend nicht hinbekommen, nämlich eine nationale politische Allianz, wird durch ein Referendum geklärt werden." Kater geht davon aus, dass in diesem Zusammenhang auch in Griechenland diskutiert werde, dass ein Scheitern des Referendums die Möglichkeit eines klassischen Defaults bedeute und damit noch schmerzvoller ausfalle. "Aus Kapitalmarktsicht ist die hiermit verbundene Unsicherheit und der abermalige Vertrauensverlust bei der Problemlösung wiederum ein Zeichen dafür, dass die Funktionsmechanismen des Euro dringend überarbeitet werden müssen", sagte Kater.

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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