Doppelter Mindestlohn als Wahlgeschenk: Wettbewerbsfähigkeit in Gefahr? Parlamentswahlen in Polen
Archivmeldung vom 10.10.2019
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Freigeschaltet durch André OttIn Polen wird am Sonntag den 13. Oktober 2019 ein neues Parlament gewählt. Die aktuellen Prognosen lassen einen Wahlsieg der derzeit regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) erwarten und somit auch eine Fortführung der gegenwärtigen Wirtschaftspolitik. Bei den Wählern konnte die PiS vor allem mit umfangreichen Sozialprogrammen punkten.
Im Wahlkampf hat die Partei unter anderem eine deutliche Erhöhung des Mindestlohns angekündigt. Bis Ende 2023 soll dieser auf umgerechnet 940 Euro angehoben werden. Aktuell liegt dieser bei ungefähr 490 Euro. 2018 haben rund 40 Prozent der Arbeitnehmer weniger als 940 verdient. Das durchschnittliche Bruttomonatsgehalt lag im ersten Halbjahr 2019 bei 1.140 Euro. "Die Erhöhung würde einem Anstieg von mehr als 90 Prozent entsprechen. Vor allem für die kleinen Unternehmen in Polen wäre das eine große Herausforderung. Hinzu kommt, dass sich ein so deutlicher Anstieg in diesem kurzen Zeitraum sicherlich auch auf die Attraktivität als Investitionsstandort auswirken wird - und zwar im negativen Sinne", sagt Niklas Becker, Polen-Experte bei Germany Trade & Invest (GTAI) in Warschau.
Der private Konsum gilt seit Jahren als feste Stütze des polnischen Wirtschaftswachstums. Allein 2018 stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Vergleich zum Vorjahr um 5,1 Prozent. Für die kommenden Jahre ist allerdings mit einem niedrigeren Anstieg zu rechnen. So prognostiziert die Europäische Kommission für 2019 ein Wachstum von 4,2 Prozent und für 2020 von 3,6 Prozent.
"Das sind grundsätzlich gute Nachrichten. Doch eine Herausforderung bleibt bestehen: Für Unternehmen in Polen ist die mangelnde Vorhersehbarkeit der Wirtschaftspolitik eine der größten Herausforderungen. Seit dem Regierungswechsel 2015 hat die Anzahl von Gesetzesänderungen, und die Geschwindigkeit mit der sie eingeführt wurden, deutlich zugenommen", so Niklas Becker weiter.
Unabhängig des Wahlausgangs erwartet Becker eine Intensivierung der deutsch-polnischen Wirtschaftsbeziehungen. "Die letzten vier Jahre haben gezeigt, dass die Volkswirtschaften der beiden Länder sich trotz Meinungsverschiedenheiten auf politischer Ebene noch enger verzahnt haben", berichtet der Polen-Experte. Deutschland ist der mit Abstand wichtigste Handelspartner für Polen. Rund ein Viertel des polnischen Außenhandels findet mit dem Partner westlich der Oder statt. Umgedreht baut Polen seine Bedeutung als polnischer Handelspartner immer weiter aus. Im Jahr 2018 erreichte der Warenaustausch zwischen den beiden Ländern ein Volumen von 119 Milliarden Euro.
Im Zeitraum Januar bis Juli 2019 stieg der Handel zwischen den beiden Ländern um 4,5 Prozent an. Polen überholte in diesem Zeitraum Großbritannien und belegte im Ranking der wichtigsten Handelspartner den 6. Platz. Zusätzlich wurde der Abstand zu Platz 5 Italien im Vergleich zum Vorjahreszeitraum halbiert.
"Das anhaltend große Interesse deutscher Unternehmen am Investitions- und Absatzmarkt Polen wird den Handel auch in den kommenden Jahren weiter antreiben. Das stetig wachsende Engagement polnischer Unternehmen in Deutschland wird ebenso dazu beitragen", prognostiziert Becker. Immer mehr Firmen aus Polen erkunden den deutschen Markt nicht nur als Export- und Absatz- sondern auch als Investitionsstandort.
Germany Trade & Invest (GTAI) ist die Wirtschaftsförderungsgesellschaft der Bundesrepublik Deutschland. Die Gesellschaft informiert deutsche Unternehmen über Auslandsmärkte, wirbt für den Wirtschafts- und Technologiestandort Deutschland und begleitet ausländische Unternehmen bei der Ansiedlung in Deutschland.
Quelle: Germany Trade & Invest (ots)