Medien: Partnerin von Pariser Geiselnehmer offenbar in Syrien
Archivmeldung vom 10.01.2015
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie von den französischen Behörden gesuchte Partnerin des Geiselnehmers von Paris befindet sich offenbar in Syrien. Die 26-Jährige sei bereits am 2. Januar von Madrid nach Istanbul gereist, berichtet die französische Zeitung "Le Monde" auf ihrer Internetseite. Am 8. Januar soll sie dann die türkisch-syrische Grenze überquert haben. Ein für den 9. Januar gebuchtes Rückflugticket habe sie nicht genutzt. Eine offizielle Bestätigung gab es zunächst nicht.
Der Ehemann der 26-Jährigen hatte am Freitag in einem jüdischen Lebensmittelgeschäft in Paris mehrere Geiseln genommen. Vier Geiseln und der Geiselnehmer kamen ums Leben. Unterdessen bleibt für den Großraum Paris die höchste Terror-Warnstufe in Kraft.
In zahlreichen Städten in Frankreich gingen Hunderttausende Menschen auf die Straße, um den Opfern der Geiselnahme und des Anschlags auf das Satiremagazin "Charlie Hebdo" zu gedenken. Die größte Solidaritätskundgebung soll am Sonntag in Paris stattfinden.
Jüdischer Weltkongress: Frankreich muss sich dem Islamismus entgegenstellen
Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald S. Lauder, hat Frankreich dazu aufgerufen, sich dem Islamismus entgegenzustellen. Nach den Anschlägen auf die Redaktion der Satire-Zeitschrift "Charlie Hebdo" und einen koscheren Supermarkt müssten "alle Demokraten diesen Angriff auf die Grundwerte der Republik klar und eindeutig zurückweisen", sagte Lauder dem "Tagesspiegel am Sonntag". "Freiheitsrechte, für die auch Frankreichs Juden über die Jahrhunderte hinweg gekämpft haben, dürfen nicht zur Disposition gestellt werden, um eine kleine Minderheit von Islamisten zu besänftigen." Für Juden in Frankreich seien derzeit fanatisierte, radikale Muslime die größte Bedrohung, so Lauder.
Pariser Terroristen waren deutschen Behörden bekannt
Die beiden "Charlie Hebdo"-Attentäter waren den deutschen Sicherheitsbehörden offenbar als gewaltbereite Islamisten bekannt. Nach Informationen der "Welt am Sonntag" hatten sie die Namen der Männer in den Computern gespeichert. US-Geheimdienste unterrichteten laut des Berichts die Partner in Europa und auch die Deutschen darüber, dass einer der beiden Terroristen im Jahr 2011 im Jemen in einem Terrorcamp von Al-Qaida ausgebildet wurde. Er soll sich demnach auch im Sultanat Oman aufgehalten haben, wo die Gesetze der Scharia gelten. Die Mörder von Paris hatten allerdings keine Kontakte in die deutsche Dschihadisten-Szene. Das berichtet die "Welt am Sonntag" unter Berufung auf Sicherheitskreise in Berlin.
"Unsere französischen Kollegen teilten uns mit, dass die erfasste Kommunikation keine deutsche Kennung hat. Es wurden auch keine Telefonate mit der deutschen Vorwahl 0049 registriert", sagte ein einflussreicher Beamter gegenüber der Zeitung. Die Anschlagsgefahr ist nach Angaben aus Berliner Sicherheitskreisen in Deutschland gestiegen, da man nun Nachahmer fürchten müsse. Die Polizei und die Geheimdienste hätten zu wenig Personal, um alle als besonders gefährlich eingestuften Dschihadisten lückenlos zu überwachen. Etwa 550 von ihnen sind in jüngster Zeit nach Syrien oder dem Irak ausgereist. Rund 180 davon sollen zurückgekehrt sein. Eine lückenlose Überwachung würde Tausende zusätzliche Sicherheitskräfte erfordern.
An diesem Sonntag wird Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) von seinem französischen Amtskollegen Bernard Cazeneuve in Paris empfangen. Gemeinsam mit den EU-Amtskollegen will er eine Erklärung zu dem Terroranschlag abgeben. Zudem soll über erste Konsequenzen und Maßnahmen beraten werden.
Im Gespräch ist nach Informationen der "Welt am Sonntag", dass die EU-Staaten das bislang nicht umgesetzte Abkommen über den Austausch von Fluggastdaten rasch auf den Weg bringen. Das Thema soll beim nächsten regulären Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs am 12. Februar in Brüssel eine Rolle spielen. Fluggesellschaften speichern sogenannte PNR-Daten (Passenger Name Record). Dazu gehören sämtliche Buchungs- und Flugdaten mit bis zu 60 Einzelangaben wie beispielsweise Anschriften, Email-Adressen und Kreditkartennummern der Fluggäste. Europäische Sicherheitsbehörden wollen so künftig Profile über Reisen anlegen. Sie hoffen, dadurch vor allem verdächtige Bewegungen von Kämpfern aus dem Irak und Syrien, die nach Europa zurückkehren wollen, frühzeitig auszumachen.
American Jewish Committee warnt vor Stigmatisierung friedlicher Muslime
Das American Jewish Committee (AJC) hat davor gewarnt, die Terrorakte in Frankreich für eine weitere Ausgrenzung von Muslimen zu instrumentalisieren: "Wir müssen einer weiteren Stigmatisierung der friedlichen Muslime stärker entgegenwirken. Die Stigmatisierung der Muslime führt zu weiterem Vertrauensverlust in Staat und Gesellschaft. Damit treiben wir mehr friedliche Muslime in die Arme der radikalen Islamisten", sagte der Direktor des AJC-Europabüros in Brüssel, Stephan Kramer, dem "Handelsblatt" (Online-Ausgabe). Außerdem werde die Zusammenarbeit der friedlichen Muslime mit Polizei und Sicherheitsbehörden noch schwieriger. "Damit berauben wir uns wichtiger Informationsquellen für Präventionsarbeit und Terrorbekämpfung und spalten die Gesellschaft, was eines der Ziele des Terrors ist", warnte Kramer. Kritisch sieht der AJC-Direktor, dass der Schutz jüdischer Einrichtungen in einigen EU-Staaten trotz einer erhöhten Bedrohungslage erhebliche Defizite aufweise. Absolute Sicherheit gebe es zwar nicht. "In Europa gibt es aber auch eine Reihe von Ländern, die noch teilweise erheblichen Nachholbedarf haben." In Deutschland seien dagegen die Schutzmaßnahmen auch für jüdische Einrichtungen "hoch und professionell". Aus Kramers Sicht hat der Anschlag in Paris noch einmal deutlich gemacht, "dass es kein klassisches Bedrohungsszenario gibt, sondern wir uns auf Weiterentwicklungen und Veränderungen in der Terrorszene einstellen müssen". In Paris habe es sich nicht um den klassischen Selbstmordanschlag gehandelt. "Das ist eine neue Qualität und zeigt eine neue Strategie." Die Brutalität, Kaltblütigkeit und Professionalität, mit der die Täter in Frankreich vorgegangen seien, zeige zudem, dass die Terrorgefahr "extrem hoch" sei. Das gelte besonders für jüdische Einrichtungen und Personen. "Europa ist keine Insel der Glückseeligen, der islamistische Terror ist längst bei uns angekommen", sagte Kramer. "Das haben bisher nicht alle realisiert oder realisieren wollen, auch bei den politisch Verantwortlichen."
Quelle: dts Nachrichtenagentur