Kurz wegen Kritik an Identitären gehetzt
Archivmeldung vom 02.04.2019
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 02.04.2019 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittÖsterreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz bezieht eine Position gegenüber den Identitären - und erntet damit einen massiven Shitstorm. Nachdem bekannt wurde, dass der Attentäter von Christchurch an die Identitären in Österreich gespendet hat, steht die von Extremismus-Experten als rechtsextrem eingestufte Gruppierung erneut im Rampenlicht. Dies berichtet das russische online Magazin "Sputnik".
Weiter heißt es hierzu auf der deutschen Webseite: "Es brauche eine klare Abgrenzung aller politisch Verantwortlichen von extremen und radikalen Gruppierungen wie den Identitären, sagte Kurz (ÖVP) am Montag im OÖN-TV. „Rechtsradikale sind um nichts besser als islamistische Extremisten. Beide radikalen Ideologien stellen für unser Land eine Gefahr dar und haben in unserer freien und liberalen Gesellschaft keinen Platz“.
Hiermit reagierte Kurz auf die Berichte rund um die Villa Hagen und die dort eingemieteten Identitären. Wie OÖN-TV ebenso berichtet hat, soll das Haus einem Verein gehören, dessen Mitglieder teilweise FPÖ-Funktionäre sein sollen. Außerdem soll dort auch die Burschenschaft Arminia Czernowitz eingemietet sein, der einige namhafte FPÖ-Mitglieder angehören.
Enttäuscht und verdrossen reagierten darauf seine übrigens entzückten Anhänger auf Facebook. Viele davon stärkten der Identitären Bewegung (IB), von Extremismusforschern vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) als rechtsextrem eingestuft, den Rücken.
„Bis dato wurden die IB und Martin Sellner (deren Leiter — Anm. d. Red.) noch nicht rechtskräftig verurteilt, ja es wurde noch nicht einmal etwas bewiesen bzw. ein gerichtliches Verfahren eingeleitet. Sollte daher nicht die Unschuldsvermutung gelten?“, kommentierte eine gewisse Barbara Scharf.
Übrigens: Ein „Soros-Abkömmling“, „nicht Matteo Salvini für Österreich, sondern ein Macron“, „die Maske ist gefallen“ — dies alles sollte der junge Kanzler über sich in den Kommentaren erfahren. Eine gewisse Anita Baierl fragte: „Ob es so gewollt war, um die FPÖ in ein schlechtes Licht zu rücken?“ Elisabeth Gutjahr meinte, wenn die Kurz-ÖVP sich „dem linken internationalen Druck beuge und gegen die FPÖ und Kickl zu Felde ziehe, werden viele Wähler zur FPÖ wechseln“. Vizekanzler Heinz Christian Strache (FPÖ) hatte vergangene Woche bekräftigt, dass die FPÖ nichts mit der Identitären Bewegung zu tun habe und Identitäre keine Funktionen in der FPÖ ausüben dürften.
Nur wenige unterstützten Kurz, wegen der Nicht-Stellungnahme bei unangenehmen Themen auch als Schweigekanzler benannt. „Seit langem kann ich Ihre Worte zum ersten Mal wieder unterschreiben“, kommentierte eine gewisse Susanne Rie. „Möglicherweise stehen Sie, Herr Bundeskanzler, an einem entscheidenden Punkt, an einer Weggabelung: bedienen Sie weiter die Ideologie der FPÖ oder besinnen Sie sich darauf, dass Sie andere Werte vertreten wollten, dass Sie eigentlich eine christlich-soziale Partei übernommen haben“.
Die Empörtesten wollten wissen, warum eigentlich die Identitären radikal oder extremistisch seien, wenn sie nur einen „gewaltfreien legitimen Protest“ demonstrieren würden. Tatsächlich sind Mitglieder als Folge von Aktionen schon verurteilt worden. So stürmte 2016 eine Gruppe von Identitären eine Vorlesung an der Universität Klagenfurt und rief fremden- und islamfeindliche Parolen. Ein Identitärer hatte dem Rektor in den Bauch geschlagen, was ihm laut Urteil des Grazer Straflandesgerichts eine Strafe von 720 Euro einbrachte. Für Sellner gilt seit 2017 ein Waffenverbot, nachdem er in einer Wiener U-Bahn-Station eine Pfefferspraypistole abgefeuert hatte. Auf Anordnung der Grazer Staatsanwaltschaft laufen mittlerweile Terrorermittlungen.
Der Experte des DÖW Bernhard Weidinger machte kürzlich in einem Gutachten deutlich, dass der Attentäter in Neuseeland der „ Identitären Bewegung (IB) “ nahe stehe. „In mehreren der im Manifest verwendeten Slogans klingt identitäre Rhetorik wieder: ‚Europe for Europeans‘ (Europa für die Europäer), ‚Retake Europe‘ (Europa zurückerobern), ‚Europa rises‘ (Europa wach auf) u. a.“, schreibt Dr. Weidinger. Der identitäre Slogan „You only die once“(„Du stirbst nur einmal“), der die aus dem historischen Faschismus bekannte Todessehnsucht bzw. —faszination wiedergebe, kehre in dem Manifest in der Aufforderung „embrace death“ („Umarme den Tod“) wieder.
„Die Menschen nehmen es in Kauf, eine rechtsextreme Partei zu wählen”
Ein weiterer DÖW-Forscher, Dr. Andreas Peham, kommentierte kürzlich gegenüber Sputnik, Kurz habe sich für die Koalition mit der FPÖ bewusst entschieden, weil er seine Agenda mit dieser Regierung habe umzusetzen wissen. Obwohl laut den Meinungsforschungszentren ca. 40 Prozent seiner Wähler sich keine Koalition mit der FPÖ wünschen würden, sei gerade die ÖVP-FPÖ-Regierung die beliebteste, die es in der zweiten Republik jemals gegeben habe. Das soll davon zeugen, dass gerade die österreichische Gesellschaft nach rechts gerückt sei, so der Experte. Dabei auch: „Nicht jeder, der die FPÖ wählt, ist Rechtsextremist. Aber die Menschen nehmen es in Kauf, eine rechtsextreme Partei zu wählen”.
Quelle: Sputnik (Deutschland)