Riexinger fordert EU-Sondergipfel zu britischem Spähprogramm
Archivmeldung vom 25.06.2013
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDer Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, hält es für notwendig, dass Großbritannien bei einem gesonderten EU-Gipfel Auskunft über sein Ausspähprogramm Tempora gibt. "Es sollte jetzt schnell einen EU-Sondergipfel geben. Die Briten müssen ihren Partnern erklären, auf welcher Grundlage sie Bürger der Europäischen Union ausspionieren", sagte Riexinger "Handelsblatt-Online". "Wir reden hier nicht zuletzt auch von potenzieller Wirtschaftsspionage unter Freunden."
Tempora stelle die Grundlagen der europäischen Zusammenarbeit in Frage, sagte Riexinger weiter. "Wenn ein Mitgliedsland eigenmächtig die Grundrechte aller Unions-Bürger aushebelt, dann kann man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen." Einen Grundrechterabatt werde es auch für die Briten nicht geben können. Die richtige Konsequenz aus dem Skandal wäre aus Riexingers Sicht eine europäische Internetcharta, die die Grundrechte der Unions-Bürger im Internet verbindlich festlege und alle Bürger und Unternehmen vor Spionage schütze.
Grüne fordern generelles Verbot der Internetüberwachung
Die Grünen haben angesichts der Affäre um das britische Spähprogramm Tempora ein generelles Verbot der Internetüberwachung gefordert. "Bürgerrechtsfeindlichkeit, wie die Vorratsdatenspeicherung oder die heimliche Online-Durchsuchung von Computern, haben im demokratischen Rechtsstaat keinen Platz", sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, "Handelsblatt-Online". "Wir fordern daher, die Ausweitung des Kommunikationsgeheimnisses aus Artikel 10 des Grundgesetzes auf die Internetkommunikation. Die vollständige Kommunikationsüberwachung muss geächtet werden."
Beck verlangte zudem von der Bundesregierung Aufklärung darüber, ob das britische Spähprogramm Tempora gegen EU-Recht verstoße und wie sie gegen die Überwachung ihrer Bürger vorgehen wolle. "Wegen Tempora muss ein EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Großbritannien geprüft werden", sagte der Grünen-Politiker. In diesem Zusammenhang warf Beck der Bundesregierung vor, sich für die Rechte der Bürger in Deutschland weder politisch noch rechtlich ausreichend einzusetzen. "Die Totalüberwachung aller Bundesbürger durch amerikanische und britische Geheimdienste ist ein Skandal von bisher unbekanntem Ausmaß", sagte er.
Es sei daher an der Zeit, eine Initiative für eine internationale Konvention für Mindeststandards im Datenschutz anzustoßen. Hier müsse die Bundesregierung aktiv werden. National könne man beim Datenschutz mehr machen. "Aber ohne internationale Vereinbarungen über Mindeststandards richtet man im digitalen Zeiten nur wenig aus", sagte Beck.
Die Bundesregierung müsse überdies erklären, wie sie künftig zur anlasslosen staatlichen Speicherung aller Kommunikationsdaten aller ihrer Bürger durch die Vorratsdatenspeicherung stehe. "Deshalb haben wir eine Aktuelle Stunde unter dem Titel "Tempora: Persönliche Daten im Prisma der Geheimdienste - Gegen die Totalüberwachung unserer Bürgerinnen und Bürger durch Geheimdienste" beantragt."
Spähprogramm: Hahn kritisiert Großbritannien scharf und fordert Konsequenzen
Mit scharfer Kritik und der Forderung nach Konsequenzen hat der hessische Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) auf Berichte reagiert, wonach das britische Überwachungsprogramm "Tempora" systematisch Internet- und Telefondaten aus Deutschland durchleuchtet haben soll. "Großbritannien spielt den Daten-Blutegel der Europäischen Union. Man kommt sich vor, wie in einem schlechten Bond-Film", sagte Hahn "Handelsblatt-Online". "Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, stellt Großbritannien die europäische Vertrauensfrage. Kann man der britischen Regierung etwa bei Handelsfragen noch trauen, dass sie nicht ihr Spionagenetzwerk zu Lasten der Partner einsetzt", fragte Hahn. Allein der Umstand, dass offenbar nicht einmal der deutsche Auslandsgeheimdienst BND Bescheid gewusst habe, zeige, dass sich die britischen Behörden der Unrechtmäßigkeit ihres Handelns bewusst gewesen seien.
"Ich erwarte Aufklärung durch unsere Partner auch dahingehend, ob der größte Internetknotenpunkt Europas in Frankfurt/Main betroffen ist." Für den Fall, dass Großbritannien nicht alle Fragen bis ins "kleinste Detail" beantworte, plädierte Hahn dafür, auch ein europäisches Vertragsverletzungsverfahren zu prüfen. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass solche Aktivitäten unter befreundeten EU-Mitgliedstaaten rechtmäßig sind", sagte das FDP-Präsidiumsmitglied.
Gleichwohl würdigte Hahn, dass Großbritannien und die USA besonders engagiert im Kampf gegen den Terror seien und deshalb auch stellvertretend für die Freiheitswerte Europas im Fokus terroristischer Aggressionen stünden. "Dies darf man bei aller Kritik nicht vergessen."
Wegen Abhörpraxis: JuLi-Chef Becker fordert Einbestellung des britischen Botschafters
Wegen der Abhörpraxis des britischen Geheimdienstes hat der Chef der Jungen Liberalen (JuLi), Lasse Becker, von Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) die Einbestellung des britischen Botschafters gefordert. "Jetzt muss ein klares Signal erfolgen", sagte der Vorsitzende der FDP-Nachwuchsorganisation der "Rheinischen Post". "Dass quasi alles, egal ob Telefon oder Internet, von Großbritannien mitgeschnitten wird, ist schlicht inakzeptabel", erklärte Becker. Bei anderen Nationen reagiere Deutschland bereits auf Drohungen mit der Einbestellung des Botschafters.
Oppermann für Volksabstimmung über Datenschutz im Internet
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD im Bundestag, Thomas Oppermann, hat sich dafür ausgesprochen, die Frage des Datenschutzes im Internet per Volksentscheid zu bestimmen. "Unser Konzept für direkte Demokratie sieht vor, dass auch über die Frage, wie umfänglich der Datenschutz im Internet sein soll, per Volksentscheid abgestimmt werden kann", sagte Oppermann der "Rheinischen Post". "Eine Bürgerbeteiligung bei diesem Thema kann ich mir gut vorstellen."
Oppermann, der im Kompetenzteam von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück für die Themen Innen- und Rechtspolitik zuständig ist, forderte zudem eine "europäische Cyber-Sicherheitsstrategie und eine Datenschutzrichtlinie", mit der die Daten der Bürger auch international besser geschützt werden könnten.
Quelle: dts Nachrichtenagentur