Melnyk: "0,5 des BIPs für Verteidigung der Ukraine ausgeben"
Der frühere Botschafter der Ukraine in Deutschland, Andrij Melnyk, beklagt eine mangelnde Aufmerksamkeit für sein Land im laufenden Bundestagswahlkampf. "Dass das Thema Ukraine im hitzigen Alle-gegen-alle-Wahlkampf komplett verschwand, ist geradezu ein Geschenk an Putin, der sich die Hände reibt", sagte Melnyk den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Zugleich warb der Diplomat um neue Finanzierungszusagen der europäischen
Partner der Ukraine - in Höhe von 100 Milliarden Euro. Melnyk, der
derzeit Botschafter der Ukraine in Brasilien ist, aber demnächst als
Diplomat zu den Vereinten Nationen nach New York wechselt, ist besorgt
über die Zukunft seines Landes.
Die Ukraine, aber auch Europa und
Deutschland stünden an einem Scheideweg. "Angesichts dessen, was man
über den Atlantik beobachtet, sollten die EU und vor allem die
Bundesrepublik als ihr stärkster Mitgliedsstaat das Ruder herumreißen in
Sachen Ukraine-Hilfen", so Melnyk.
Er plädierte dafür, dass die
Mitgliedsländer der Europäischen Union für die Verteidigung der Ukraine
mit mindestens 0,5 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts zur Verfügung
stellen. Die Summe von 100 Milliarden Euro erscheine viel, würde aber
jeden EU-Bürger nur etwa 61 Cent pro Tag kosten und wäre "die beste
Investition in die eigene Sicherheit Europas".
Bedenke man, dass
die EU dadurch das Risiko eines russischen Angriffs auf sich selbst
drastisch reduziere, sei dass die Geldanlage wert, argumentiert Melnyk.
Außerdem wäre das ein "mächtiges Signal" an Putin, "der zu glauben
scheint, seine Mördertruppen seien nicht mehr aufzuhalten".
Nur
ein "mutiges, vorausschauendes Auftreten" der Europäer könne Putin
"regelrecht dazu zwingen", zu verhandeln, glaubt Melnyk. "Denn je mehr
man im Westen über den baldigen Frieden redet, desto unrealistischer ist
die Chance, dass Putin in echte Verhandlungen einsteigen würde."
Deutschland, so Melnyk, sollte in diesem "neuen europäischen Konzert die
erste Geige" spielen. Deshalb hält es Melnyk für wichtig, dass die
Ukraine im Bundestagswahlkampf nicht vergessen wird. "Bei aller
Wichtigkeit darf die andauernde Migrationsdebatte nicht darüber
hinwegtäuschen, dass das Kernthema Krieg und Frieden sowie Sicherheit in
Europa das A und O für die Menschen bleibt."
Angesichts des
prognostizierten Wahlausgangs appelliert er an den CDU-Kanzlerkandidaten
Friedrich Merz: Dieser solle sich jetzt ganz klar positionieren,
konkrete Zusagen für die Ukraine verkünden - und die SPD als möglichen
Koalitionspartner ins Boot holen.
Quelle: dts Nachrichtenagentur