Willy Wimmer: Die Wahlentscheidung in den USA bewahrt uns vor einem großen Krieg
Archivmeldung vom 09.11.2016
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittViele europäische Politiker und Medien sind über den Wahlsieg Donald Trumps schockiert. Willy Wimmer, ehemaliger Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium und Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der OSZE, ist hingegen erleichtert. Mit Clinton als Präsidentin hätte er einen Dritten Weltkrieg für möglich gehalten, sagt Willy Wimmer, im Interview mit der deutschen Ausgabe des russischen online Magazins "Sputnik".
Darin heißt es weiter: "Herr Wimmer, was haben Sie gedacht, als Sie heute die News aus den USA gehört haben?
Ich war so erleichtert, wie lange nicht in meinem Leben, denn ich hatte heute Morgen das Gefühl, diese Wahlentscheidung bewahrt uns vor dem großen Krieg. Ich gehe davon aus, dass der neue amerikanische Präsident, anders als seine Gegenkandidatin, für eine vernünftige, praktikable, vertrauensvolle Zusammenarbeit mit anderen Staaten auf dieser Welt bereit ist — und das gibt Hoffnung.
Viele von unseren Politikern dürften jetzt erstmal den Kopf einziehen, nachdem sie sich weit aus dem Fenster gelehnt haben mit fast schon Beleidigungen in Richtung Trump. Jetzt müssen sie mit ihm zusammenarbeiten.
Ich finde, der Herr Bundespräsident, die Frau Bundeskanzlerin und vor allen Dingen auch der Herr Außenminister haben die nationalen Interessen des deutschen Volkes im Zusammenhang mit diesem Wahlkampf nicht berücksichtigt. Sie haben dem deutschen Volk dadurch geschadet, dass sie sich einseitig und zum Teil beleidigend geäußert und auf die Seite einer Kandidatin geschlagen haben. Das ist eine nicht hinzunehmende Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Landes und wenn dann die Wahl so ausgeht, wie sie ausgegangen ist, schadet man dem eigenen Volk.
Vor allem sich was der Bundespräsident in seiner jüngsten Äußerung im Zusammenhang mit dem amerikanischen Wahlkampf und der Kandidatin Clinton und dem Kandidaten Trump geleistet hat, das geht, wie man so schön sagt, auf keine Kuhhaut. Es reiht sich ein in die unerträglichen Reden dieses Bundespräsidenten und ich finde es gut, wenn er bald sein Amt niederlegt.
Es ist auch verblüffend, wie betroffen jetzt die deutschen Mainstream-Medien reagieren. Das erinnert an den Umgang mit der AfD. Leben die Journalisten in einer Parallelwelt?
Aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges kennen wir ja den verhängnisvollen Begriff der sogenannten Quislinge – solche, die einem Führer immer hinterher rennen, auch wenn sie diesem Land nicht angehören. Offensichtlich ist die Spezies der Quislinge auf allen Sektoren – im politischen Bereich, in den Medien oder sonst wo – in Deutschland weit verbreitet. Das ist schlichtweg unerträglich! Es sieht ja so aus, als hätten wir eine fremde Herrschaft über unser eigenes Volk. Die sind alle auf dem falschen Fuß erwischt worden und müssen jetzt eigentlich in sich gehen und sich fragen: Was trägt dazu bei, meine Reputation als politisch Verantwortlicher oder als Journalist wieder herzustellen? Ohne Pluralismus und ohne Respekt vor den Menschen, die ja der Souverän sind, geht es nicht. Wir leben in einer Situation, wo sich einige offensichtlich dazu aufgeschwungen haben, die Herrschaft über den Rest des Volkes auszuführen und wir haben heute gesehen, dass das in die Irre führt. Das hat bei Quisling, diesem Norweger, auch nicht geholfen.
In den USA hat das Volk gesprochen. Inwieweit ist dieses Wahlergebnis auch eine Absage an die Demokratie in der Form, wie wir sie jetzt haben, oder zumindest an das Establishment?
Ich glaube, dass man die Frage anders formulieren muss. Wie ist eigentlich in den zurückliegenden Jahrzehnten die Fehlentwicklung im demokratischen System diesseits und jenseits des Atlantiks gelaufen, um einen solchen Wahlkrieg hervorrufen zu können? Denn wir wissen noch gar nicht, was jetzt in den Vereinigten Staaten noch folgt. Mir ist es lieber, sie tragen die Auseinandersetzungen auf dem eigenen Territorium aus, als immer wieder die ganze Welt mit Kriegen zu überziehen. Das wird möglicherweise in den Vereinigten Staaten passieren. Bei dieser Wahlauseinandersetzung haben denen eigentlich nur noch Panzer gefehlt, um aufeinander zu schießen – schlimmer kann es gar nicht sein. Damit wird ein ganzes politisches System ad absurdum geführt. Das ist schlichtweg eine Katastrophe für den Rest der Welt! Damit werden demokratische Staaten, die sich so etwas nicht leisten, auch in Misskredit gebracht. Vor diesem Hintergrund kann man nur hoffen, dass vor uns eine Zeit der Katharsis liegt, wo man sich wieder Gedanken darüber machen kann, dass man einen Staat auch ordentlich führen kann. Das ist die große Herausforderung, die mit diesem Wahlkrieg in den Vereinigten Staaten verbunden ist. Wir müssen jetzt eigentlich ein Signal über den Atlantik schicken: No more German kids for US wars! Das muss der neue amerikanische Präsident wissen, denn das ist das Denken unseres Volkes.
Trump gilt nicht unbedingt als Experte in Sachen Außenpolitik. Erwarten Sie hier Veränderungen, zum Beispiel im Verhältnis zu Europa?
In seinen außenpolitischen Erklärungen hat Trump ja ausgeführt, dass es ihm mehr um die klassischen Beziehungen zwischen Staaten geht als seinen imperialistischen Vorgängern. Das stimmt vor allem für das Verhältnis zur Russischen Föderation. Vor einem Jahr war ich auf einer Veranstaltung in Moskau und nach mir hat ein wesentlicher außenpolitischer Berater des jetzigen Präsidenten Trump, der Generalleutnant Flynn gesprochen. Das war für mich das erste Signal, dass es in den Vereinigten Staaten offensichtlich nicht nur Kriegstreiber gibt. Man wird sich nun hoffentlich bemühen, zu diesem großen Land vernünftige Beziehungen zu unterhalten.
Clinton hatte ja erklärt, sie würde die Politik ihres Mannes gegenüber Europa fortführen. Ich erinnere in dem Zusammenhang daran, dass Bill Clinton den Krieg nach Europa zurückgebracht hat. Er hat die Charta von Paris mit dem Jugoslawienkrieg zerstört und was dann zwischen Afghanistan und Mali folgte, war auch das Werk von Demokraten. Da habe ich bei einem republikanischen Präsidenten inzwischen mehr Hoffnung für den Weltfrieden.
Weil Sie Russland erwähnen, schon beim Brexit wurde ja massiv mit Russophobie gearbeitet. Bei der US-Wahl noch mehr. Warum hat dieser Trumpf nicht gestochen? Finanzexperte Ernst Wolff zu Trumps Sieg: Die Wall Street diktiert die Politik
Weil das inzwischen bei den Leuten hier rein und da raus geht. Die Leute in den USA sehen doch, dass sie von einem Krieg in den anderen getrieben werden.
Meinen Sie, die Ukraine spielt jetzt noch eine Rolle für die USA?
In den USA läuft das ja ganz anders als in Europa. In den USA weiß man nie genau, wie die einzelnen Ministerien, Agencies und was es da alles gibt, amerikanische Politik sehen. Die kämpfen ja um ihre Budgets. Darum ist amerikanische Politik immer weniger verlässlich, als in Europa. Man muss bei den Vereinigten Staaten höllisch aufpassen, dass man nicht über den Tisch gezogen und nicht in Kriege einbezogen wird.
Wird sich unter Trump etwas bei der Nato verändern? Der Krieg gewinnt die US-Wahlen - Rette sich wer kann! Raus aus der NATO!
Die Nato ist eine Gefahr für den internationalen Frieden seit sie ihren Charakter vom Verteidigungsbündnis zur Angriffsmaschine geändert hat. Wenn der neue amerikanische Präsident das einsehen würde, wäre mir wohler, als mir heute beim Gedanken an die Nato ist."
Quelle: Sputnik (Deutschland)