Was Cherson retten könnte: Langstreckenbomber und Flächenbombardements – Russische Militärexperten
Archivmeldung vom 16.09.2022
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.09.2022 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Sanjo BabićDie ukrainischen Truppen konzentrieren weiterhin Kräfte und Ausrüstung in den Regionen Cherson und Saporoschje. Was hat Kiew an der Südfront vor, und was können die russischen Streitkräfte dem entgegensetzen? Drei Militärexperten geben Rat. Dies berichtet das Magazin "RT DE".
Weiter berichtet RT DE: "Die ukrainischen Streitkräfte ziehen ihre Kräfte in der Umgebung des Dorfes Kisseljowka zusammen, das an der Straße zwischen Cherson und Nikolajew liegt, um das Gebietszentrum Cherson anzugreifen. Dies hat Kirill Stremoussow, der stellvertretende Leiter der Regionalverwaltung von Cherson, am Donnerstag erklärt. Er fügte hinzu, dass die ukrainische Armee ihre Kräfte an der Kontaktlinie verstärkt, aber noch nicht in das Territorium des Gebiets Cherson vorgedrungen ist.
"Sie verstärken ständig ihre Einheiten, aber ich sage es noch einmal: Ich fahre jedes Mal nach Kisseljowka, wenn (die Ukraine) wieder einmal online dessen Eroberung gemeldet hat. (...) Die Grenzen des Gebiets sind nach wie vor unangetastet. Niemand ist in das Gebiet eingedrungen, sei es, wie sie schreiben, bei der Siedlung Suchoj Stawok, bei Dawydow Brod oder eben bei Kisseljowka. (Was da gemeldet wird,) entspricht einfach nicht der Realität", sagte Stremoussow.
Als Antwort (auf die ukrainische Truppenansammlung – d. Red.) haben die russischen Streitkräfte die ukrainischen Stellungen in der Nähe der Siedlungen Krasnoje Snamja und Nowogrigorowka im Gebiet Nikolajew sowie in der Nähe von Suchoj Stawok und Belogorka im Gebiet Cherson angegriffen. Die feindlichen Verluste dadurch werden auf 500 Mann und 40 Fahrzeuge geschätzt. Dort wurden auch Kommandoposten der ukrainischen Armee getroffen und mehrere ukrainische Drohnen abgeschossen.
Ein Rückblick: Die russischen Streitkräfte hatten im Rahmen der militärischen Sonderoperation die Region Cherson und den Asowschen Teil der Region Saporoschje im Süden der Ukraine schon Anfang März unter ihre Kontrolle gebracht. Der Rubel wurde in diesen Gebieten in Umlauf gebraccht, die Griwna wurde aus dem Verkehr gezogen, und russische Fernseh- und Radiosender gingen auf Sendung. Beide Regionen haben angekündigt, Teil Russlands werden zu wollen.
Derzeit beschießen die ukrainischen Streitkräfte regelmäßig die Antonow-Brücke in Cherson, den Kachowka-Staudamm und andere wichtige Infrastruktureinrichtungen. Nun beschwerten sich die ukrainischen Behörden über einen Raketeneinschlag in der Nähe von Kriwoi Rog. Vermutlich hatte ein Raketenschlag die Stauvorrichtungen am Fluss Ingulez getroffen, dessen südlicher Teil von den ukrainischen Streitkräften aktuell im Rahmen der Truppenverlegungen in Richtung Cherson via Pontonbrücken überquert wird. Das kommentiert der Politologe Iwan Lisan so:
"Der Angriff auf den Karatschunow-Staudamm erfolgte streng nach militärischer Logik – der Feind rückt vor, und wir verändern das Terrain (um ihm das Vorrücken zu erschweren – d. Red.). Aus dem Stausee ist Wasser in den Fluss Ingulez geströmt, auf dem die ukrainischen Streitkräfte Pontonübergänge gebaut haben, um ihre Truppen aus der Region Nikolajew in den von uns kontrollierten Teil der Region Cherson zu verlegen."
Video: Steigendes Wasser im Fluss Ingulez nach dem Beschuss des Staudamms
Durch die Zerstörung des Damms ist das Wasser im Ingulez gestiegen und hat mehrere Übergänge weggespült, ergänzt Lisan. Das gebe der russischen Armee die Gelegenheit, "den Feind aus dem Brückenkopf zu vertreiben, den er zuvor besetzt hatte" und wohin er nun keine Verstärkung verlegen kann.
Der Politologe bewertet den Beschuss kritischer Infrastruktur als "normale Taktik der Kriegsführung". Russland führt seine Militäroperation in der Ukraine durch, ohne Kriegsrecht im Inland und ohne Mobilisierung, während es sich für die Volksrepubliken Lugansk und Donezk um einen Krieg handelt, betont Lisan. Die Ukraine wiederum betrachte den Krieg als einen "totalen Krieg ohne Regeln", sie selbst habe Staudämme am Irpen und in anderen Regionen beschossen, erinnert der Politikwissenschaftler und fügt hinzu:
"Außerdem habe ich den Eindruck, dass wir endlich die moralische Zurückhaltung, solche Schläge auszuführen, abgelegt haben. Der Schaden, der dem ukrainischen Energiesystem kürzlich zugefügt wurde, hatte therapeutische Wirkung. Das Gleiche gilt für den aktuellen Beschuss. (...) Heute steht das gesamte Energiesystem des Landes am Rande der Abschaltung, und jeden Moment kann es zu einem Blackout kommen, aus dem die Ukraine nicht mehr aus eigener Kraft herauskommt. Auch ohne die Hilfe der russischen Streitkräfte könnten die kalte Witterung und der erhöhte Energieverbrauch dem Energiesektor des Landes den Todesstoß versetzen. Nun das zusätzliche Problem für die ukrainischen Behörden – die überschwemmten Gebiete bei Kriwoi Rog, aber bis jetzt haben sie diese Aufgabe einigermaßen bewältigt, die Arbeiten sind im Gange."
Auch die politischen Folgen solcher Treffer seien wichtig, sagt Lisan: Hätten sich die ukrainischen Behörden früher erlaubt, die Infrastruktur des Donbass oder der Städte Berdjansk, Melitopol und Cherson lahmzulegen, weil sie dachten, sie kämen mit allem (ohne Konsequenzen) durch, so könnte dies nun der Vergangenheit angehören.
Der Militärexperte Boris Roschin kommentiert die Situation um Cherson gegenüber der Zeitung Wsgljad so:
"In der Region Cherson versucht die ukrainische Armee weiterhin, in der Nähe von Possad-Pokrowski in Richtung Kisseljowka vorzustoßen. Im Moment bleiben diese Versuche erfolglos, aber die Umgruppierung der (ukrainischen) Truppen zur Durchführung von Offensivaktionen ist noch nicht abgeschlossen. Auch gibt der Feind die Hoffnung nicht auf, den Brückenkopf am Fluss Ingulez bei Andrejewka zu nutzen. Trotz der schweren Verluste der ukrainischen Streitkräfte in diesem Gebiet werden hier weiterhin zusätzliche Kräfte zur Rotation von Verbänden eingesetzt. Es ist durchaus möglich, dass von diesem Brückenkopf aus versucht wird, einen Angriff zu starten."
Diesen Rat gibt der Experte:
"Die russischen Streitkräfte sollten als Reaktion darauf feindliche Stellungen unter Beschuss nehmen, die Frontlinie verstärken und die Fähigkeit der ukrainischen Armee im Blick behalten, offensive Aktionen durchzuführen, auch in der Region Saporoschje. Es ist nicht auszuschließen, dass die Aktivitäten in der Region Cherson ein Ablenkungsmanöver sind, um einen Teil unserer Kräfte zu binden und so den Weg für einen Angriff in der Region Saporoschje bei Wasiljewka freizumachen."
Die ukrainische Armee versucht mit aller Macht, zum Dnjepr durchzubrechen, das Ufer bei Berislaw zu erreichen und einen Teil des russischen Brückenkopfes am rechten Flussufer abzuschneiden, erläutert Roschin die Taktik des ukrainischen Generalstabs.
Konstantin Siwkow, promovierter Militärwissenschaftler, hält eine erfolgreiche ukrainische Offensive bei Cherson für möglich:
"Die ukrainische Armee hat sehr große Kräfte, bis zu 60.000 Militärangehörige, auf dem Frontabschnitt von Cherson konzentriert. Wenn sie nicht durch präventive Flächenbombardements aus schweren Bombern vernichtet werden, kann die Offensive erfolgreich sein. Und dann werden sie bis zur Krim vorrücken."
Der Experte warnt:
"Jetzt sondiert die AFU (die ukrainische Armee; d. Red.) unser Verteidigungssystem. Dies zeigt sich am Beispiel von Kisseljowka und der Kinburn-Nehrung. Aus militärischer Sicht ist der Algorithmus der Maßnahmen offensichtlich. Ein Verzicht auf die Luftangriffe von unserer Seite könnte zu einer ähnlichen Situation führen wie nach den Istanbuler Gesprächen im März, als wir riesige Gebiete verlassen haben."
Um die AFU-Gruppierung zu zerstören, müssen sowohl strategische Langstreckenflugzeuge, d. h. Bomber, die jeweils 24 Tonnen Bomben tragen können, als auch taktische Bomber eingesetzt werden. Es sei notwendig, nicht mit Präzisionswaffen, sondern großflächig zuzuschlagen, weil die ukrainische Armee steht. Siwkow:
"Wir müssen auch die großen Eisenbahnknotenpunkte in diesen Gebieten treffen. Dank der offenen Landschaft sind wir in einer viel besseren Position als die ukrainische Armee."
Quelle: RT DE