Österreichs Notenbank-Chef befeuert Debatte um EZB- Reform
Archivmeldung vom 07.11.2012
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtFinanzpolitiker von Union und FDP haben den Vorstoß des Chefs der Österreichischen Nationalbank, Ewald Nowotny, für eine Änderung des Abstimmungsmodus in der Europäischen Zentralbank (EZB) zugunsten der großen Mitgliedsländer begrüßt. Der Obmann der Unions-Fraktion im Bundestagsfinanzausschuss und Vorsitzende der CSU-Mittelstands-Union, Hans Michelbach, plädierte dafür, den Vorstoß Nowotnys für eine politische Initiative zur Änderung der Regularien zu nutzen.
"Das Stimmgewicht der einzelnen nationalen Notenbanken im EZB-Rat muss schleunigst dem jeweiligen nationalen Haftungsanteilen angepasst werden. Wir brauchen endlich einen direkten Zusammenhang zwischen Risikohaftung und Stimmgewichten", sagte Michelbach "Handelsblatt-Online". "Dies wäre auch ein Beitrag zu Absicherung des Auftrags der EZB". Deutschland solle bei einer Reform vor allem mit Euro-Ländern mit AAA-Ratings eng zusammenarbeiten. "Diese Staaten müssen wesentlich stärker als bisher einen Stabilitätsblock in der Euro-Zone bilden", sagte Michelbach. Sie hätten vielfach gleichgelagerte Interessen, wie etwa bei den Regeln für eine europäische Bankenaufsicht.
Auch der Finanzexperte der FDP-Bundestagsfraktion, Frank Schäffler, hält eine EZB-Reform für überfällig. "Es ist ein kardinaler Konstruktionsfehler des Euro, dass Malta und Zypern genauso im EZB-Rat vertreten sind wie Deutschland. Eine Stimmengewichtung nach dem Anteil an der EZB ist eine notwendige Bedingung", sagte Schäffler "Handelsblatt-Online". "Hinreichend wird sie aber erst dann, wenn grundlegende geldpolitische Beschlüsse nur mit einer qualifizierten Mehrheit möglich sind und Deutschland als größte Volkswirtschaft eine Sperrminorität erhält."
Eine solche Sperrminorität im EZB-Rat, "wie sie in jeder Kapitalgesellschaft üblich ist", fordert auch Michelbach. Die Änderung der Stimmgewichte müsse darüber hinaus für alle EZB-Gremien gelten, betonte der Sprecher CSU-Wirtschaftsflügels mit Blick auf die Ansiedlung der europäischen Bankenaufsicht in der EZB. Bevor diese und andere Voraussetzungen nicht geschaffen seien, sei die Arbeitsaufnahme der Bankenaufsicht nicht machbar.
Der finanzpolitische Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag, Klaus-Peter Flosbach, warnte hingegen vor den Nebenwirkungen einer EZB-Reform. Die Forderung, dass sich das Stimmgewicht der Notenbanken im EZB-Rat an der wirtschaftlichen Größe oder Risikohaftung eines Landes orientieren solle, sei zwar "verständlich und ökonomisch nachvollziehbar", sagte Flosbach "Handelsblatt-Online". Nur würden dadurch nicht alle Probleme gelöst. "In einem solchen Fall kämen Frankreich, Italien, Spanien und Portugal auf über 50 Prozent der Stimmrechte, während gleichzeitig stabilitätsorientierte Länder wie Finnland, Österreich und die Niederlande enorm an Einfluss verlören", gab der CDU-Politiker zu bedenken. "Zurzeit ist es auch schwer einzuschätzen, wie hoch der Preis für eine Stimmrechtsänderung wäre", so Flosbach.
Bisher hat jedes Land unabhängig von der Größe und der wirtschaftlichen Stärke eine Stimme im EZB-Rat. "Das war eine politische Entscheidung, die aus meiner Sicht als Ökonom nicht unangetastet bleiben muss", sagte Nowotny dazu dem "Handelsblatt" vom Dienstag. Nowotny sitzt auch im Rat der EZB und entscheidet mit über die Geldpolitik.
Zeitung: Euro-Bankenaufsicht soll von einer Frau geführt werden
Die geplante zentrale Aufsicht über die Banken der Euro-Länder soll eine Frau leiten. Wie laut der "Süddeutschen Zeitung" am Dienstag aus Verhandlungskreisen in Brüssel zu erfahren war, dringen vor allem Berlin und Paris darauf, den Chefposten weiblich zu besetzen. Da die Aufsicht bei der Europäischen Zentralbank (EZB) angesiedelt werden soll, rückte damit auch eine Frau in die Chefetage der Notenbank auf.
"Die Mitgliedsstaaten wissen, dass sie sich dem Druck, europäische Spitzenjobs an Frauen zu vergeben, nicht länger widersetzen können", sagte ein Unterhändler der "Süddeutschen Zeitung". Die Berufung einer Frau sei "ein Zeichen". Insbesondere das Europäische Parlament fordert vehement, dass Frauen in der EZB mit entscheiden sollen.
Die Abgeordneten kritisieren, dass die Notenbank, die in der Krise bereits mehrmals die Euro-Zone retten musste, in den entscheidenden Positionen ausschließlich männlich besetzt ist. Vor zwei Wochen votierte das Plenum deshalb parteiübergreifend gegen die Berufung des Luxemburger Zentralbankers Yves Mersch in das Direktorium der Bank. Mit seiner Ernennung wäre die männliche Dominanz bis 2018 zementiert, erklärten die Abgeordneten.
Mit der Berufung einer weiblichen Chef-Aufseherin könnten die Euro-Länder den seit Monaten schwelenden Streit elegant lösen: Es säße eine Frau in der Chefetage der EZB, zugleich könnte Mersch aufrücken, schließlich fiele das zentrale Argument gegen ihn weg - dass es keine Frau in der Chefetage der EZB gibt. Schon auf dem EU-Gipfel im Dezember, auf dem die europäischen Staats- und Regierungschefs die gesetzlichen Grundlagen der geplanten Bankenaufsicht beschließen wollen, soll über den Chefposten entschieden werden.
Damit überhaupt eine Frau berufen werden kann, haben die Unterhändler den ursprünglich vorgeschlagenen Gesetzestext für die Aufsicht geändert. Zunächst sollte der Chefaufseher aus der Chefetage der EZB gewählt werden - es wäre zwangsläufig wieder ein Mann geworden. Berlin und Paris setzten deshalb durch, dass der Chefaufseher aus einem Kontrollrat gewählt wird, dem neben EZB-Mitgliedern auch nationale Aufseher angehören. Dort gibt es starke weibliche Chefs.
Damit sei der Weg für eine Frau frei, sagte Binnenmarktkommissar Michel Barnier der "Süddeutschen Zeitung". Es sei "dem zukünftigen Kontrollrat vorbehalten, seinen Präsidenten zu ernennen". Er gehe davon aus, dass der Kontrollrat seine Entscheidung "so ausgewogen wie möglich" treffen werde. Unterhändlern zufolge wollen Berlin und Paris den Posten unter sich ausmachen.
In beiden Ländern leiten starke Frauen die nationalen Aufsichtsbehörden: Elke König führt die deutsche Bafin, Danièle Nouy steht der französischen Aufsicht als Generalsekretärin vor. EU-Diplomaten sehen die Französin in leichtem Vorteil. Was nicht an der fachlichen Kompetenz liegt, da sind beide unbestritten, sondern an typisch europäischen Rechenspielen. Wenn die neue Aufsicht in Frankfurt angesiedelt wird, sorge eine französische Chefin für das nötige "diplomatische Gleichgewicht", hieß es in Brüssel.
Quelle: dts Nachrichtenagentur