Wie leichtfertig deutsche Medien CIA-Narrativ zu Ukraine übernehmen: Am Mittwoch beginnt der Krieg?
Archivmeldung vom 17.02.2022
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Freigeschaltet durch Anja SchmittDie russischen Truppen werden in dieser Woche die Ukraine überfallen, so die US-Geheimdienste. Mit dem Abzug von Teilen der russischen Truppen von der ukrainischen Grenze wird dieses Szenario nun noch unwahrscheinlicher. Aber wie glaubwürdig war es von Anfang an und warum fallen so viele Zeitungen so leicht auf die „Enthüllungen“ herein? Dies berichtet das russische online Magazin „SNA News“ .
Weiter ist auf deren deutschen Webseite dazu folgendes geschrieben: "„Am Mittwoch beginnt der Krieg“, heißt ein Artikel des Schriftstellers Ingo Schulze in der „Süddeutschen Zeitung“, am Dienstagmorgen ganz prominent auf der Webseite platziert. In Berlin würden die Krokusse blühen, philosophiert der Autor, diese Ruhe sei ihm aber unheimlich. Denn: Biden hat gesagt, dass am Mittwoch der Krieg beginne, und die deutschen Staatsbürger sollten die Ukraine verlassen, sagt Außenministerin Baerbock. Es folgte ein Abzug von Botschaftspersonal.
„In dieser Woche soll die russische Invasion in die Ukraine beginnen. Davon gehen die USA aus“, beginnt auch der Morgen-Newsletter des „Tagesspiegels“ am Montag. „Brisanter könnte die Lage für Olaf Scholz nicht sein.“ „Ukraine erwartet Angriff am Mittwoch“, schrieb auch die „Welt“ unter Berufung auf eine Videoansprache von Präsident Selenski. Was dabei von der „Welt“ übergangen wurde: Selenski hat in der Schalte lediglich die Informationen aus den USA erläutert und in dieser Hinsicht den 16. Februar zum „Tag der Nationalen Einheit“ erklärt, diese Informationen aber nicht als eigene Meinung wiedergegeben. Im Gegenteil: Er hat von der Nato „Beweise“ für die westlichen Behauptungen über eine geplante russische Invasion gefordert. Es gebe im Informationsraum „zu viele“ Informationen über den bevorstehenden Krieg, sagte er im ukrainischen Fernsehen am Wochenende.
Selbst der Präsident eines Landes, das sich von Russland bedroht fühlt, hat Zweifel an der US-Version. Warum übernehmen dann viele deutsche Zeitungen, die sich bei den angeblichen russischen Fehlinformationen ansonsten so wach geben, so leichtfertig die Informationen mit CIA-Stempel ohne ihre Glaubwürdigkeit kritisch zu hinterfragen?
Experten liefern Antworten
Der Außenwirtschaftsexperte und Senior Fellow am Welttrends Institut in Potsdam Dr. Siegfried Fischer sieht einen Grund dafür in der transatlantischen Domestizierung vieler Zeitungen, die „nicht sehen wollen, dass der Herrschafts- und Deutungsanspruch der USA nicht frei von Betrug und Aggressionen ist und sowohl dem Westen insgesamt als auch insbesondere Deutschland schadet.“ Nicht zuletzt gehöre dazu, so Fischer gegenüber SNA, auch der klassische Opportunismus, „gepaart mit Karrieregeilheit und Angst vor Ausgrenzung von den journalistischen Fleischtöpfen“.
Das mag auch daran liegen, dass nur die wenigsten deutschen Journalisten Russisch können, dafür aber täglich die „New York Times“ lesen und deren Inhalte oft bewusst oder unbewusst übernehmen würden, berichtet ein Journalist, der länger bei einem großen Nachrichtenmagazin gearbeitet hat, gegenüber SNA. Es war vor allem die „New York Times“, die zuerst berichtete, dass Russland Geheimdienstinformationen zufolge den kommenden Mittwoch als mögliches Angriffsdatum ins Auge fasse. Dafür gibt es bisher aber keine Anzeichen. Dagegen verkündete das russische Verteidigungsministerium am Dienstag, noch vor dem Treffen des russischen Präsidenten Wladimir Putin mit Bundeskanzler Olaf Scholz, dass Teile der Truppen der Wehrbezirke Süd und West nach den Militärübungen abgezogen werden. Dass will Außenministerin Annalena Baerbock nach eigenen Worten allerdings noch klären, begrüßt es aber schon jetzt als positives Zeichen.
Was wiederum dafür spricht, dass die Geheimdienstmeldungen aus den USA vielleicht doch nicht der Wirklichkeit entsprechen. Der „Deutschlandfunk“ hinterfragte die Berichte am Dienstag als eines der wenigen Medien in Deutschland mit Expertenmeinungen zum Thema, auch zu den Kosten eines Krieges für Russland. So äußerte etwa der Außenpolitik-Experte der Münchner Bundeswehr-Universität Prof. Dr. Carlo Masala, kein Geheimdienst könne so genau sagen, ob und wann ein Angriff erfolgen werde. Solche Informationen seien Teil „einer psychologischen Kriegsführung“, so der Experte. Andere Experten halten nur einen begrenzten militärischen Konflikt im Donbass für möglich.
„Die USA werden noch behaupten, Russland abgeschreckt zu haben“
Ähnlich wie Masala sieht das auch der ehemalige DDR-Agent und Publizist Reiner Rupp. „Von einem Krieg zwischen Russland und der Ukraine verspricht sich vor allem Washington eine neue Aufwertung der von Präsident Macron als hirntot bezeichneten Nato“, schreibt Rupp dazu gegenüber SNA. Eine erneute US-Garantie gegen die angeblichen Aggressionsgelüste der „bösen Russen“ würde aus seiner Sicht die Dominanz der Vereinigten Staaten über Nato-Europa für viele weitere Jahre sichern.
Der Russland-Experte und Buchautor Reinhard Lauterbach sieht es seinerseits jedoch positiv, dass die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland – so sein Eindruck – anders als die Zeitungen die jüngsten US-Meldungen darüber, dass Moskau angeblich Raketen und Artillerie in Angriffspositionen gebracht habe, aktuell nicht erwähnen, sondern an dieser Stelle mit Blick auf den Besuch von Scholz in Moskau eher „deeskalieren“ würden. Polnische Medien hätten dies dagegen unter Berufung auf CBS-News breit und ohne Distanz kolportiert, sagt Lauterbach gegenüber SNA. „Das Motiv scheint mir klar: Deutschland hat von einer Eskalation nichts zu gewinnen und einiges zu verlieren. Vom Erdgas bis zu politischem Standing, das es im Schlepptau der USA nie bekommen wird.“ Jetzt, führt der Experte weiter aus, würden die USA natürlich behaupten, ihre „Enthüllungen“ hätten Russland „abgeschreckt“."
Quelle: SNA News (Deutschland)