Schäuble für mehr Engagement Europas im Nahen und Mittleren Osten
Archivmeldung vom 25.01.2016
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtEuropa muss nach Worten von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble einen größeren Beitrag zur Stabilisierung des Nahen und Mittleren Ostens leisten als bislang: "Wir sind stärker als andere Kontinente von dem betroffen, was sich in dieser Region abspielt. Und wir werden vermutlich auch nicht umhinkommen, uns in einem Gutteil Afrikas stärker zu engagieren", schreibt der CDU-Politiker in einem Beitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung".
Eine Schlüsselposition bei Lösung des Syrien-Konflikts und damit auch des Flüchtlingsproblems hat Russland inne, so Schäuble. Eine europäische Strategie im Nahen und Mittleren Osten sowie in Afrika können es nicht ohne die USA geben, aber auch nicht ohne Putin.
"Wenn ich die Sicherheitsinteressen Russlands im Blick auf islamistischen Terror richtig verstehe, hat es eher Probleme mit sunnitisch gegründeten Bestrebungen. Warum also sollten wir nicht mit Russland zusammen eine gemeinsame Strategie entwickeln können, um Gegensätze zwischen einer saudisch geführten sunnitischen Koalition und einer iranisch geführten schiitischen Koalition abzubauen?" gibt Schäuble zu bedenken.
An die Staaten Europas richtet der Finanzminister in diesem Zusammenhang die Aufforderung, viel mehr zu, um effiziente Verteidigungskapazitäten aufzubauen. Über die Massenmigration nach Europa heißt es in dem Beitrag, die Genfer Konvention, wonach schutzbedürftige Flüchtlinge Anspruch auf Zuflucht haben, binde alle zivilisierten Staaten. Aber die Konvention sei "keine Grundlage für weltweite Migrationsfreiheit". Nach Schäubles Worten müssen die Vereinten Nationen "sehr viel effizienter unterstützt werden", damit die Wanderungsströme bewältigt werden können.
Europa und damit auch auf Deutschland stehen vor der Aufgabe, sich gedanklich losgelöst von den Migrationsströmen über eine Einwanderungspolitik zu verständigen. Der Verzicht auf Kontrollen an den europäischen Binnengrenzen setzt, so Schäuble, ein gemeinsames und effizientes Regime der Kontrolle der Außengrenze voraus. Insoweit sei das Dublin-System im Prinzip nicht bestritten - auch nicht dahingehend, dass jeder Mitgliedstaat bei der Kontrolle von Außengrenzen Verantwortung für alle in Europa trägt. Deshalb habe er gegebenenfalls auch Anspruch auf solidarische Unterstützung.
Hinsichtlich des unterschiedlichen Umgangs mit Einwanderern und Flüchtlingen in Europa rät Schäuble dazu, auf unterschiedliche nationale Erfahrungen Rücksicht zu nehmen. Nicht alle Gesellschaften konnten in gleicher Entwicklung die Vorzüge von Offenheit gegenüber Abschottung kennenlernen, so Schäuble. "Neue Lösungen" seien nötig, um unterschiedliche Lebens- und Sozialstandards beziehungsweise wirtschaftliche Leistungsfähigkeit mit den Grundfreiheiten des gemeinsamen Marktes vereinbar zu machen.
"Wenn das Kindergeld in Deutschland höher ist als der Durchschnittslohn in Rumänien, dann muss das zu Verwerfungen führen", schreibt Schäuble. Ähnlich verhalte es sich mit der Forderung nach einheitlichen Sozialleistungen für Flüchtlinge in allen EU-Mitgliedstaaten: "Weil Sozialleistungen und Existenzminimum nicht losgelöst von regionalen Lebensstandards definiert werden können, wird Europa hier neue Lösungen suchen müssen, solange das Wohlstandsniveau noch zu unterschiedlich ist."
Innenministerium: Keine Ausweitung des Bundespolizeieinsatzes auf Balkanroute
Eine Ausweitung des Einsatzes der Bundespolizei bei Grenzkontrollen auf der Balkanroute ist derzeit nicht geplant. Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums erklärte der "Welt", dass derzeit 74 deutsche Beamte in Griechenland, Mazedonien, Kroatien, Serbien und Slowenien im Einsatz seien. Dabei handele es sich um Bundespolizisten, Beamte der Polizeien der Länder sowie Personal der Bundeszollverwaltung.
Förmliche Ersuchen um Unterstützung der Bundespolizei bei Grenzkontrollen darüber hinaus lägen nicht vor, erklärte die Sprecherin. Bereits der Einsatz an der Grenze zu Österreich bedeutet für die Bundespolizei eine große Belastung.
Nach Angaben des Innenministeriums sind wechselnd rund 1.500 bis 2.000 zusätzliche Beamte vor Ort. An der deutsch-österreichischen Grenze hat die Bundespolizei im Januar bislang rund 2.400 Personen zurückgewiesen, wie das Innenministerium weiter erklärte. In Sicherheitskreisen hieß es der Zeitung zufolge, dass die Zahl der täglichen Zurückweisungen zwischen zwei- und dreistelligen Größenordnungen schwanke.
Die Polizisten verweigern jenen Flüchtlingen die Einreise, die nicht explizit um Schutz in der Bundesrepublik bitten. Grundlage dafür ist der Schengener Grenzkodex.
Die Zahl der Zurückweisungen ist zuletzt deutlich gestiegen. Nach Angaben des Innenministeriums wurden im gesamten Dezember lediglich rund 2.200 Personen an der Einreise gehindert. Die Zunahme hat damit zu tun, dass in Skandinavien mittlerweile jeder ohne Pass zurückgewiesen wird. Wer angibt, er wolle weiter nach Dänemark oder Schweden fahren, darf mittlerweile nicht mehr in die Bundesrepublik einreisen.
Quelle: dts Nachrichtenagentur