Wirtschaftsministerium zieht ernüchternde Bilanz der Wachstumshilfe für Griechenland
Archivmeldung vom 29.02.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas Bundeswirtschaftsministerium hat eine ernüchternde Bilanz der bisherigen Bemühungen um eine Wachstumsoffensive für Griechenland gezogen. "Eine vorläufige Bilanz des deutschen Unterstützungsangebots fällt ernüchternd aus", heißt es in einem Arbeitspapier, das der "Süddeutschen Zeitung" vorliegt. "Die Umsetzung auf griechischer Seite ist nach wie vor unzureichend."
Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) war im Oktober des vergangenen Jahres mit einer Delegation deutscher Unternehmer nach Athen gefahren und hatte dort mit der griechischen Regierung eine Zusammenarbeit bei der Wirtschaftsförderung vereinbart. Neben den Sparanstrengungen sollte in zahlreichen Punkten die Wettbewerbsfähigkeit des Landes gestärkt werden. Doch hat die Regierung in Athen nach Einschätzung des Wirtschaftsministeriums kein großes Interesse an einem solchen Ansatz: "Auf griechischer Seite genießt die Umsetzung offenbar keine Priorität. Das ist aus deutscher Sicht nicht akzeptabel."
Da in Griechenland faktisch eine Kreditklemme herrscht, hatte Rösler seinen Gesprächspartnern in Athen angeboten, beim Aufbau einer Förderbank für den Mittelstand zu helfen. Vorbild sollte die KfW-Bankengruppe sein. Laut Arbeitspapier des Wirtschaftsministerium gab es zuletzt im Dezember Gespräche. Doch die verlaufen schleppend, wie die KfW Röslers Beamten berichtete. Der ursprünglich zuständige Chefvolkswirt des griechischen Wirtschaftsministeriums wurde von dem Projekt abgezogen. "Verantwortlichkeiten und Zielvorstellungen der griechischen Seite sind unklar", heißt es in dem Arbeitspapier.
Auch die von der griechischen Seite zugesagte Lösung von Fällen, in denen der griechische Staat deutschen Unternehmen noch Geld schuldet, lässt zu wünschen übrig. "Die überwiegende Anzahl der wiederholt vorgetragenen Altfälle sind nach wie vor nicht gelöst", heißt es in dem Arbeitspapier. Dies hemme die Bereitschaft anderer deutscher Unternehmen, in Griechenland zu investieren.
Griechische Regierung lehnt deutsche Aufbau-Hilfe ab
Die griechische Regierung legt beim Aufbau neuer Verwaltungsstrukturen und bei der Verbesserung der Investitionsbedingungen für ausländische Unternehmer offenbar keinen Wert auf deutsche Hilfe. Das geht aus einem internen Arbeitspapier des Bundeswirtschaftsministeriums hervor, das der "Rheinischen Post" vorliegt. "Die vorläufige Bilanz des deutschen Unterstützungsangebots fällt ernüchternd aus", heißt es in dem Papier. Die Top-Beamten von Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) monieren, dass die Umsetzung wirtschaftsfördernder Maßnahmen auf griechischer Seite "nach wie vor unzureichend" sei. Dem Ministeriumsbericht zufolge liefen auch die Hilfsangebote anderer EU-Länder wie Frankreich, Schweden, Niederlande und Norwegen ins Leere. "Die Nachfrage Griechenlands nach konkreten Unterstützungsleistungen ist unverändert zurückhaltend." Die Berliner Beamten schlagen vor, das zweite Griechenland-Hilfspaket mit einer Verpflichtung der griechischen Regierung zu einer besseren Kooperation zu verknüpfen.
Deutschlands Top-Arbeitsvermittler Weise bietet Griechenland Hilfe an
Der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, hat Griechenland seine Hilfe angeboten. "Ich habe mich bereits mit dem Generaldirektor der griechischen Arbeitsbehörde getroffen", erklärte Weise im Interview mit "Spiegel Online". Außerdem plane er weitere Gespräche. Der Schwerpunkt des Austauschs liege derzeit bei der Analyse des Status quo und Überlegungen, wie man die kritische Lage verbessern könnte. "Allerdings brauchen wir noch das Mandat der griechischen Regierung, um weitergehend helfen zu können", erklärte der oberste Arbeitsvermittler Deutschlands.
Bei der Frage, ob das deutsche Modell auf Griechenland übertragbar wäre, zeigte Weise sich skeptisch. "Jedes Land sollte ein Modell finden, das zu der eigenen Kultur und Geschichte passt. Wenn sich aber eine Regierung für ein Modell von uns besonders interessiert, sind wir immer bereit, alles offenzulegen und zu unterstützen. Einige unserer Ansätze sind sicher auf andere Länder übertragbar", äußerte Weise. Die deutsche Arbeitsvermittlung gilt in Zeiten der Krise als Vorzeigemodell. Im Januar waren 3,1 Millionen Menschen in Deutschland arbeitslos gemeldet. Den Arbeitsmarkt schätzte Weise im Interview robust ein. "Es wird immer ein gewisses Maß an Arbeitslosigkeit geben, allein weil Arbeitslose und offene Stellen nicht immer zusammenpassen", so Weise.
Allerdings brauche der Deutsche sich in Zeiten der Wirtschaftskrise nicht unbedingt sorgen. "Die Gefahr, dass die Krise den deutschen Arbeitsmarkt erreicht, liegt gerade mal bei 20 Prozent", beruhigte er.
Quelle: dts Nachrichtenagentur