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Haiti braucht langfristige internationale Hilfe

Archivmeldung vom 22.01.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 22.01.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Vor einem provisorischen Alltag müssen Haitis Tote geborgen werden. Bild: www.jugendeinewelt.at
Vor einem provisorischen Alltag müssen Haitis Tote geborgen werden. Bild: www.jugendeinewelt.at

Die Erdbebenkatastrophe in Haiti, die den Karibikstaat in der Vorwoche komplett zerstörte und bis zu 200.000 Todesopfer hinterließ, könnte die Chance für einen zukünftigen Entwicklungsschub des Landes bedeuten. Das behauptet Jürgen Pohl, Geograph an der Universität Bonn.

"Die entscheidende Frage ist, ob die momentane internationale Nothilfe in eine langfristige Unterstützung zur Neugestaltung des Landes übergeführt werden kann", so der Experte für Wiederaufbau-Management nach schweren Erdbeben im pressetext-Interview.

Aufbau muss vier Phasen durchlaufen

Der Wiederaufbau nach Erdbeben laufe laut Pohl stets in vier Phasen ab. "Zuerst werden die Toten geborgen und die gröbsten Schäden beseitigt, dann wird ein provisorisches Leben eingerichtet. Die dritte Phase ist der Wiederaufbau zum vorherigen Zustand, zum Schluss kommt eine Verbesserung der Strukturen dran." Als Daumenregel gelte, dass jede Phase zehnmal länger dauert als die vorige, was einen Aufbau über Jahre erwarten ließe. "Obwohl das Beben schon zehn Tage zurückliegt, befinden wir uns noch immer in der ersten Phase, die sonst drei bis fünf Tage dauert. Das zeigt, wie schwierig die Bedingungen sind", so der Experte.

Die schlimmste Katastrophe bisher

So schwierig wie in Haiti seien die Bedingungen für Wiederaufbau noch nie zuvor gewesen. "Die Tsunami-Katastrophe 2004 hat zwar viele Länder gleichzeitig betroffen, dort jedoch jeweils nur schmale Küstenstreifen, während über die Struktur des Hinterlandes Hilfe organisiert werden konnte. In Haiti ist das komplette Land zerstört, die isolierte Lage zwingt, alles per Schiff oder Flugzeug zu transportieren und es gibt auch vor Ort kaum Organisationsstrukturen, auf die man zählen könnte", so der Bonner Geograph. Auch beim Beben in Pakistan 2005 sei die Handlungsfähigkeit der Bevölkerung größer gewesen.

Spenden dauern solange wie Medien berichten

Die derzeitige internationale Spendenbereitschaft sei vor allem die direkte Antwort auf die Eindrücklichkeit der Not. "Solange man noch Überlebende findet, deren Bilder um die Welt gehen, dauert dieser Spendenfluss noch an", schätzt Pohl. Die dadurch finanzierte Adhoc-Nothilfe durch humanitäre Organisationen sei wichtig, könne jedoch nicht die Aufbau- und Entwicklungsplanung des Landes leisten. "Es braucht weitere, langfristige Hilfen durch Staaten und andere Organisationen, um Infrastruktur wie etwa Straßen oder Schulen aufzubauen. Gibt es diese, so kann das Land, das schon vor dem Beben zu den ärmsten der Welt gehörte, davon profitieren."

Hilfe zur Selbsthilfe gefragt

Vergleichbar mit Somalia, könne man Haiti aufgrund des schweren historischen Erbes und des Fehlens staatlicher Strukturen beinahe als "failed state" bezeichnen. Das begünstige eher einen fremdgesteuerten Wiederaufbau durch Expertise durch die Staatengemeinschaft. "Das ist eine Gratwanderung, da die Gefahr besteht, dass Musterstädte über die Köpfe der Einwohner gebaut werden. Die Hilfen sollten Grundlage für dauerhafte Selbsthilfe sein", betont Pohl. Die wichtigste Ressource dafür seien die Bewohner Haitis selbst, die durch die Erfahrung von Unterstützung motiviert werden könnten, sich aktiv am Aufbau zu beteiligen. 

Quelle: pressetext.deutschland (Johannes Pernsteiner)

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