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Verbände rebellieren gegen Lockerung der Griechenland-Auflagen

Archivmeldung vom 19.06.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 19.06.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Gerd Altmann/shapes:Fr�d�ric Moser / Anonymous / pixelio.de
Bild: Gerd Altmann/shapes:Fr�d�ric Moser / Anonymous / pixelio.de

Mit deutlichen Worten haben sich der Verband der Familienunternehmer und der Bund der Steuerzahler gegen Überlegungen der schwarz-gelben Koalition gewandt, Griechenland mehr Zeit für die Umsetzung seiner Reformauflagen einzuräumen. Es sei "absolut richtig, dass die Vorgaben an Griechenland in keiner Weise verändert werden dürfen. Dazu zählt auch der Zeitplan für die Umsetzung wichtiger Strukturreformen in Griechenland", sagte der Vizepräsident des Steuerzahlerbundes, Reiner Holznagel, "Handelsblatt-Online".

"Ich kann die Politiker nicht verstehen, die mehr Investitionen in die griechische Wirtschaft fordern und gleichzeitig ein Lockerung der Auflagen beziehungsweise der Zeitvorgaben in Erwägung ziehen." Gerade weil die Wirtschaft in Griechenland schnell wieder auf die Beine kommen müsse, müsse die neue Regierung in Athen so schnell wie möglich handeln. "Es gilt Bürokratie abzubauen, den Staatssektor drastisch zu verschlanken und die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu stärken", sagte Holznagel. Natürlich müsse Griechenland auch sparen. "Hier einen Aufschub zu gewähren macht keinen Sinn, denn damit potenzieren sich die griechischen Probleme und die Haftungsrisiken gerade für die deutschen Steuerzahler. Wenn nicht jetzt, wann dann sollen die Griechen sparen", fragte er.

Der Präsident des Familienunternehmer-Verbands, Lutz Goebel, kritisierte die verschiedenen Signale der Berliner Koalition an Griechenland. "Von Deutschlands Regierung dürfen keine widersprüchlichen Signale ausgehen, die den Reformwillen der Hauptschuldnerländer senken", sagte Goebel "Handelsblatt-Online". "Wer gegenüber Griechenland nachgiebig wird, muss als nächstes Lissabon, Madrid, Rom oder auch Paris Zugeständnisse zu Lasten der deutschen Steuerzahler machen." Die griechischen Parteien hätten es selbst in der Hand, ob sie unterstützt durch die solideren Länder Reformen akzeptierten oder nicht. "Europa und die Troika dürfen keiner griechischen Regierung – egal welcher Zusammensetzung – weitere Zugeständnisse machen", warnte Goebel. "Wenn Europa hier seine letzte Glaubwürdigkeit verliert, gibt es keine Rettung mehr für den Euro."

Union uneins über Lockerung der Griechenland-Auflagen

In der Union bahnt sich ein Streit darüber an, ob Griechenland mehr Zeit für die Umsetzung seiner Reformauflagen bekommen soll. Unions-Fraktionsvize Michael Meister (CDU) warnte im Gespräch mit "Handelsblatt-Online" vor einem Alleingang Deutschlands. Es gebe "klare Regeln", die die Troika aus EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) vorgegeben habe und die vereinbart worden seien. Da habe auch der IWF seine Erfahrungen eingebracht. "Wir werden weiterhin auch den IWF und sein Einverständnis benötigen, wenn Hilfen für Griechenland zur Auszahlung kommen oder wenn es zu Änderungen kommen sollte", sagte Meister. Letztlich sei die Troika für eine "einvernehmliche Einschätzung" gefordert.

Überdies müsse sich in Griechenland erst einmal eine Regierung bilden, sagte Meister weiter. Dass dies nicht einfach ist, habe der letzte Versuch gezeigt. "Diese neue Regierung - unabhängig wie genau sie aussehen wird - muss sich zu den Vereinbarungen bekennen. Und zwar im Grunde nach zu den mit der Troika vereinbarten Strukturreformen", betonte der CDU-Politiker. "Denn ohne solche Strukturreformen wird es in Griechenland kein stabiles und nachhaltiges Wachstum geben, das dringend benötigt wird."

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Karl-Georg Wellmann zeigte sich dagegen offen dafür, den Reformdruck auf Griechenland zu lockern. "Lediglich eine moderate Fristverlängerung für die Erfüllung der Sparauflagen ist für die Union vorstellbar", sagte er "Handelsblatt-Online". Er wies allerdings zugleich darauf hin, dass Griechenlands Problem nicht die Schulden, sondern die fehlende Wettbewerbsfähigkeit sei. Eine Aufweichung der Sparauflagen würde daher "das Elend der griechischen Strukturdefizite nur verlängern", so Wellmann. "Innenpolitisch würde die Illusion genährt, es sei doch nicht so schlimm und man käme bei geschickter Verhandlungsführung um schmerzhafte Reformen herum. Nach außen wäre das ein Signal in Richtung anderer Sorgenländer, es den Griechen gleich zu tun."

Wellmanns Parteifreund Frank Steffel mahnte dagegen zur Zurückhaltung in der Griechenland-Frage. "Es sollte weniger geredet werden. Das macht die Märkte genau so nervös wie neue Schulden", sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete "Handelsblatt-Online". Griechenland müsse vielmehr so schnell wie möglich seine Wettbewerbsfähigkeit deutlich verbessern. Jede Verzögerung sei schlecht für Griechenland und schlecht für Europa. "Parallel sollten wir über Investitionen in Griechenland sprechen", schlug Steffel vor. "Das hilft Griechenland mehr als neue Debatten und Verzögerungen der notwendigen Reformen."

Brüderle: Zeitvorgaben für griechische Reformen können gelockert werden

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle hat Bereitschaft signalisiert, den Reformdruck auf Griechenland zu lockern. "An den Auflagen und den Reformzielen, die mit den Hilfsmaßnahmen verbunden sind, sollten wir nichts ändern", sagte er der Tageszeitung "Die Welt" (Dienstag). Allerdings könne es bei den Zeitvorgaben für die Umsetzung einzelner Reformen "noch sinnvolle Änderungen geben".

Brüderle erinnerte die griechische Politik daran, dass sich bei den Parlamentswahlen die klare Mehrheit für Europa und für Reformen ausgesprochen habe. "Die Verantwortlichen müssen diese Chance jetzt auch nutzen und ihr Land weiter auf klarem Reformkurs halten", sagte er. "Eine weitere Chance wird es kaum geben - nicht von den eigenen Wählern und auch nicht von der europäischen Solidargemeinschaft." Brüderle bekräftigte seinen Widerstand gegen Euro-Bonds und eine Bankenunion. "Dann hätten wir Zins- und Schuldensozialismus", warnte er. "Es kann nicht sein, dass der Hamburger Hafenarbeiter mit seinen Steuern die Schuldenpolitik in anderen Ländern begleicht oder die Oma mit ihren Sparkasseneinlagen Banken in anderen Ländern rettet", sagte er. "Wir wollen durch den Fiskalpakt und seine Schuldenbremse zukünftige Krisen vermeiden."

Deutschland beteilige sich nach Kräften an den europäischen Stabilisierungsmaßnahmen und leiste den größten finanziellen Beitrag. "Aber wir sind nicht der Zahlmeister Europas, der immer wieder die Rechnung begleicht."

FDP-Politiker Fricke warnt vor Debatte über drittes Griechen-Paket

Nach der Parlamentswahl in Griechenland warnt die FDP vor einer verfrühten Debatte über weitere Hilfen für das überschuldete Land. In der "Bild-Zeitung" mahnte der haushaltspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Otto Fricke: "Ich sehe gegenwärtig keine Notwendigkeit, die Sanierungsauflagen für Griechenland inhaltlich zu verändern. Jegliche Diskussionen über ein drittes Hilfspaket schwächen die Verhandlungsposition Europas unnötig."

Fricke nahm damit Bezug auf neue Spekulationen, wonach ein Entgegenkommen Europas bei den beschlossenen Sparmaßnahmen auch zusätzliche Hilfen für Griechenland erforderlich machen könnten. Der FDP-Politiker schloss zugleich Modifikationen an dem vereinbarten Konsolidierungsprogramm für Griechenland nicht aus. "Sollten doch Veränderungen etwa auf der Zeitachse notwendig werden, müssten diese mit Gegenleistungen verbunden sein", sagte er der Zeitung.

Zeitung: Euro-Rettungsschirm könnte erneut ausgeweitet werden

Die EU will der befürchteten Unsicherheit in der Euro-Zone nach der Wahl in Griechenland nach Informationen der Tageszeitung "Die Welt" (18. Juni) der mit neuem Geld begegnen. Der Euro-Rettungsschirm könnte im Zuge der Hilfsaktion für Spanien erneut aufgestockt werden. Entsprechende Überlegungen werden in EU-Hauptstädten und europäischen Institutionen angestellt, wie EU-Diplomaten mehrerer Länder der "Welt" bestätigten. Demnach sollen die bis zu 100 Milliarden Euro für die spanischen Banken aus dem provisorischen Rettungsfonds EFSF gezahlt werden. Das Nachfolgeinstrument, der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM), der ab 1. Juli bereitstehen soll, bliebe so unangetastet. Das wäre die zweite Erhöhung binnen kurzer Zeit. Ursprünglich war vorgesehen, dass alle EFSF-Hilfen auf den ESM angerechnet werden. Bisher hat die EFSF rund 200 Milliarden Euro für Griechenland, Irland und Portugal verplant. Im März vereinbarten die EU-Finanzminister, dass diese EFSF-Hilfen nicht vom ESM abgezogen werden, sondern dazugerechnet. Der Beschluss sieht also eine kombinierte Gesamtkapazität von 700 Milliarden Euro vor. Nun wird über eine weitere Aufstockung diskutiert. Spanien soll bis zu 100 Milliarden Euro für die Rekapitalisierung seiner maroden Banken bekommen. Die Idee in Brüssel: Dieses Geld kommt aus der EFSF und wird ebenfalls nicht auf den ESM angerechnet. Somit würde sich die Gesamtkapazität beider Instrumente auf bis 800 Milliarden Euro erhöhen. Für Deutschland könnte das eine zusätzlich Haftung von bis zu 27 Milliarden Euro bedeuten. Die Bundesregierung lehnt das Ansinnen deshalb ab. Im Bundesfinanzminanzministerium verweist man auf Anfrage der "Welt" auf die geltende Beschlusslage. Danach sollen nur die bisher schon verabschiedeten Programme für Griechenland, Irland und Portugal zusätzlich zum ESM gezahlt werden. Das Geld für Spanien müsste auf den ESM angerechnet werden. Damit hätte er dann möglicherweise nur 400 Milliarden Euro zur Verfügung.

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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