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Was man über die Verdächtigen im Fall Skripal wissen sollte

Archivmeldung vom 06.09.2018

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.09.2018 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Forensiker im Fall Sergei and Yulia Skripal bei der Arbeit.
Forensiker im Fall Sergei and Yulia Skripal bei der Arbeit.

By Peter Curbishley - This file has been extracted from another file: Forensic tent at The Maltings, Salisbury.jpg, CC BY 2.5, Link

Der skandalöse Fall Skripal ist praktisch aufgeklärt. Die britische Polizei und sogar die Premierministerin haben zwei Männer benannt, die den Doppelagenten und seine Tochter am 4. März in Salisbury vergiftet haben sollen. Nur fünf offene Fragen bleiben noch, berichtet das russische online Magazin "Sputnik".

Weiter ist auf deren deutschen Webseite im Beitrag von Wladimir Kornilow zu lesen: "Es gab schon viele Versionen des Tathergangs und der Ermittlungen, die die britischen Medien verbreitet haben: Das tödliche Nervengift sei von Drohnen zerstäubt worden, russische Auftragskiller seien zusammen mit Julia Skripal nach England eingeflogen und hätten Julias Gepäck mit Nowitschok bearbeitet, britische Piloten hätten auf Zypern den Bericht der Meuchelmörder abgefangen, der – aus welchen Gründen auch immer – von Syrien aus gesendet worden sei, und so weiter und so fort.

Nun haben die britischen Ermittler erklärt, der Anschlag sei von zwei russischen Bürgern verübt worden. Beide seien Agenten des russischen Militärgeheimdiensts GRU.

Wohlgemerkt: Der Bericht über die beiden Profikiller aus Russland wurde um 11 Uhr 15 veröffentlicht, just vor der traditionellen Fragerunde im britischen Parlament, als die Opposition sich darauf vorbereitete, die britische Premierministerin wegen des Brexits zu grillen. Aber das ist sicherlich nur ein Zufall, nichts weiter.

In ihrem Bericht nennt die Ermittlungsbehörde die Namen der angeblichen russischen Bürger: Alexander Petrow und Ruslan Baschirow. Höchstwahrscheinlich handele es sich um Decknamen, betont die Polizei mit dem Hinweis, die wahre Identität der Männer müsse noch festgestellt werden.

Doch nur eineinhalb Stunden nach der Veröffentlichung des Berichts erklärt Theresa May bei ihrem Auftritt im Parlament mit absoluter Gewissheit, bei den beiden Herren handele es sich um GRU-Agenten.

Lassen wir einmal außer Betracht, dass eine Einrichtung mit diesem Namen längst nicht mehr existiert. Was bleibt, ist die Frage, wie es den britischen Geheimdiensten gelungen ist, nur eineinhalb Stunden nach der Veröffentlichung des Polizeiberichts festzustellen, wo die genannten Männer beschäftigt sind, ohne dabei erfahren zu haben, wie sie wirklich heißen.

Und sollten die beiden „Russen“ der britischen Spionageabwehr seit langem bekannt sein: Warum wurden sie dann nicht überwacht? Laut dem Polizeibericht konnten die beiden „Agenten“ in aller Ruhe durch Europa reisen und mit ihren Pässen auch nach Großbritannien einfliegen.

Fotos sind der Öffentlichkeit präsentiert worden – Bilder von minderwertiger Qualität, die die beiden Verdächtigen vor irgendeinem dunkelgrauen Hintergrund zeigen. Das ruft die Frage auf, warum die Polizei bislang weder die Originalbilder noch die biometrischen Daten der beiden Herren beim britischen Außenministerium angefordert hat. Um ein britisches Einreisevisum zu erhalten, müssen russische Bürger auch diese Daten beim britischen Außenministerium einreichen. Zeit genug, um sie anzufordern, hatten die Ermittler allemal: Laut dem Polizeibericht werden Petrow und Baschirow seit dem 4. Mai dieses Jahres der Tat in Salisbury verdächtigt.

Noch mehr Fragen wirft allerdings die zeitliche Abfolge der Ortswechsel der „russischen Agenten“ innerhalb Großbritanniens auf. Erst recht, wenn man diese mit den Ortswechseln der Skripals abgleicht.

Also: Petrow und Baschirow fliegen am 2. März am Flughafen Gatwick ein – mit einem Direktflug aus Moskau, was wohl der Tarnung dienen soll. Einen Tag darauf kommt Julia Skripal in Heathrow an.

Innerhalb Englands bewegen sich die beiden Profikiller ausschließlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln fort. Das heißt, der russische Militärgeheimdienst hatte wohl nicht genug Geld, um seinen Agenten ein Auto zu mieten, damit sie flexibler agieren können und ihre Gesichter von den Überwachungskameras im öffentlichen Raum nicht erfasst werden.

Jedenfalls ziehen die beiden „Russen“ in ein Drei-Sterne-Hotel, wo sie ohne weitere Schutzmaßnahmen das tödliche Nervengift auf kleinere Fläschchen verteilen, wodurch sie selbst wundersamerweise keinerlei Schäden erleiden – auch die Zimmermädchen des Hotels und die Besucher nicht, die das Zimmer nach den angeblichen Agenten nutzten.

Die Polizei versichert, das Hotelzimmer insgeheim inspiziert zu haben, erklärt aber nicht, wie eine komplizierte Analyse zum Aufspüren der Giftsubstanz ohne komplexe Gerätschaften, Fachleute in Schutzanzügen und ohne die Aufmerksamkeit des Hotelpersonals zu erregen vorgenommen werden konnte.

Am Tag des Anschlags, dem 4. März, kommen die Profikiller laut dem Polizeibericht um 11.48 Uhr mit einem Zug aus London in Salisbury an. In der Tat halten die Überwachungskameras fest, dass die beiden Männer sich circa zehn Minuten nach der Ankunft in Richtung des Hauses von Skripal begeben, der rund 25 Gehminuten entfernt nordwestlich vom Bahnhof wohnte.

Dabei ist anzumerken, dass die Skripals zu diesem Zeitpunkt bereits hätten zuhause sein können, nachdem sie am frühen Morgen eine heimliche Fahrt mit dem Auto (bei abgeschaltetem GPS-Empfänger) in unbekannte Richtung unternommen hatten.

Wohin sie gefahren waren – womöglich in den Norden, nach Porton Down oder Amesbury, wo vier Monate später Dawn Sturgess und Charlie Rawley eine Vergiftung erleiden werden – und vor allem warum so heimlich, haben die britischen Ermittler bislang nicht erklärt.

Was Petrow und Baschirow zwischen 11.58 Uhr und 13.05 Uhr taten, wissen wir aus dem Polizeibericht nicht. In diesem Zeitraum müssen sie wohl die Eingangstür von Skripals Haus mit dem Gift bearbeitet haben, mutmaßt die Polizei. Theresa May hat sogar erklärt, der russische Geheimdienst habe seine Mitarbeiter seit den 2000er Jahren darin ausgebildet, Nervengifte auf Türgriffe aufzutragen – solange im Voraus sei der Salisbury-Anschlag vorbereitet worden.

Die nächste Aufnahme zeigt, wie die beiden Killer lächelnd in Richtung des Bahnhofs von Salisbury schlendern. Was die Polizei der Öffentlichkeit vorenthält, ist jedoch die Information, ob die beiden Männer aus südlicher Richtung, das heißt vom Stadtzentrum her, wo die Skripals in einer halben Stunde ankommen werden, auf den Bahnhof zugehen.

Was auf den Aufnahmen deutlich zu sehen ist, sind zwei lächelnde Männer, die die Brücke über den Avon River entlanggehen. Buchstäblich hinter ihnen befindet sich die Pizzeria „Zizzi“, wo bald schon die angeblich bereits vergifteten Skripals eintreffen werden.

Wie die Mörder in das Stadtzentrum gelangt sind, nachdem sie den Giftstoff auf Skripals Haustür aufgetragen haben sollen, teilt die Polizei nicht mit, obwohl es naheliegend wäre, dies anhand der Aufnahmen der Überwachungskameras nachzuverfolgen.

Und es ist auch nicht zu erwarten, dass diese offenen Fragen und Unstimmigkeiten von den britischen Ermittlern je aufgeklärt werden. Womit wir stattdessen ganz sicher rechnen können, sind Forderungen nach neuen Sanktionen und Strafmaßnahmen gegen Russland.

Das Ganze könnte man inzwischen einfach nur müde belächeln, wenn britische Abgeordnete nicht bereits über einen Krieg gegen Russland schwadronieren würden. So hat der Parlamentarier John Woodcock bereits die Möglichkeit der Anwendung des Nato-Bündnisfalls im Zusammenhang mit dem Fall Skripal ins Spiel gebracht.

Einer konkreten Antwort darauf wich Premierministerin May aus. Doch allein die Tatsache, dass dieser Gedanke auf dem weiteren Höhepunkt der antirussischen Hysterie in London aufkommt, ist ein besorgniserregendes Symptom einer fortschreitenden Krankheit.

Die Sprecherin des russischen Außenministeriums Maria Sacharowa erklärte indes, Großbritannien weigere sich, irgendwelche Informationen über Petrow und Baschirow bereitzustellen. Nicht mal Fingerabdrücke seien verfügbar.

Weder Vermutungen noch Vorwürfe zulässig: Kreml zu Causa Skripal

Moskau hält die Vorwürfe der britischen Regierung für die Vergiftung der Skripals für inakzeptabel, ist dennoch zur Zusammenarbeit bei den Ermittlungen bereit. Dies gab der Pressesprecher des russischen Präsidenten, Dmitri Peskow, am Donnerstag gegenüber Reportern bekannt.

Er merkte an, dass Russland erst dann Maßnahmen in Bezug auf die Verdächtigen im Fall Skripal treffen könnte, wenn die britische Seite einen entsprechenden Antrag einreiche.

„Gestern sprach Frau (Theresa – Anm. d. Red.) May über die mögliche Verwicklung der obersten russischen Führung. Wir wiederholen, dass weder die oberste Führung Russlands noch Leiter unteren Ranges oder offizielle Vertreter mit den Ereignissen in Salisbury etwas zu tun hatten und haben. Davon kann überhaupt keine Rede sein; irgendwelche Vermutungen oder Vorwürfe zu diesem Fall sind unzulässig“, so Peskow.

Der Pressesprecher erinnerte daran, dass Russland seit Beginn der Affäre Zusammenarbeit bei den Ermittlungen vorgeschlagen hatte, welche die britische Seite verweigerte.

„Um die Identität (der Verdächtigen – Anm. d. Red.) überprüfen zu können, brauchen wir einen Antrag seitens Großbritanniens, damit wir rechtliche Gründe für die Identitätsprüfung haben (…). Es gibt eine übliche internationale Praxis. Tatsache ist, dass Publikationen in den Medien sowie Erklärungen im Parlament kein Antrag sind und keiner sein können“, verlautbarte Peskow.

Ihm zufolge bedauere der Kreml, dass London eine Zusammenarbeit mit Russland für sinnlos halte. „Wenn sie keinen Sinn darin sehen, können wir es nur bedauern“, erörterte er.

„Beweisloser Lügen-Cocktail“

Der russische UN-Botschafter Wassili Nebensja hat die Anschuldigungen, die bei einer der Causa Skripal gewidmeten Sitzung des US-Sicherheitsrates gegen Russland erhobenen wurden, scharf kritisiert.

„Wir haben so gehofft, dass wir heute etwas Überzeugendes hören würden, was Licht auf diesen verworrenen Vorfall wirft. Leider sind unsere Erwartungen enttäuscht worden“, so der Diplomat.

Demzufolge handelte es sich in den heutigen Reden um „die gleiche Ansammlung von Lügen“: von Russlands Sicherheitsdiensten angeblich bedrohte Doppelagenten, „Übungen“ russischer Sicherheitsdienste im C-Waffen-Einsatz, „Entwicklung von Giftkampfstoffen“ in Russland, Cyberattacken, versuchter „Staatsumsturz“ in Mazedonien und vieles andere mehr.

„Ich werde diesen ganzen beweislosen Lügen-Cocktail nicht aufzählen“, sagte Nebensja.

In einer am Donnerstag veröffentlichten gemeinsamen Erklärung unterstützen die Staats- und Regierungschefs Frankreichs, Deutschlands, der USA und Kanadas die neuen Anschuldigungen gegen Russland im Skripal-Fall, die zuvor von London veröffentlicht wurden. Laut der Erklärung sollen die beiden tatverdächtigen Russen Mitarbeiter des russischen Militärgeheimdienstes GRU sein oder gewesen sein. Ebenfalls glauben die Regierungen, „dass diese Operation mit allergrößter Wahrscheinlichkeit auf hoher Regierungsebene gebilligt wurde“.

Konkrete Beweise für die Behauptungen in der gemeinsamen Stellungnahme wurden jedoch nicht genannt. Dennoch betrachtet London laut der britischen UN-Vertreterin Karen Pierce die Möglichkeit, die Sanktionen gegen Russland erneut auszuweiten.

Moskau hält die Vorwürfe der britischen Regierung der Vergiftung der Skripals für inakzeptabel, ist dennoch zur Zusammenarbeit bei den Ermittlungen bereit, gab der Pressesprecher des russischen Präsidenten, Dmitri Peskow, bekannt.

Zuvor hatte London Fotos von zwei vermutlichen Verdächtigen in der Causa Skripal veröffentlicht. Dabei soll es sich angeblich um die russischen Geheimdienstler Alexander Petrow und Ruslan Boschirow handeln, hieß es. Das russische Außenministerium sagte, die angegebenen Namen würden Moskau „nichts sagen“, und rief die britische Seite dazu auf, von Anschuldigungen und informationellen Manipulationen zu einer praktischen Zusammenarbeit überzugehen.

Sergej Skripal und seine Tochter Julia, die am 4. März unweit des geheimen Militärlabors Porton Down bewusstlos aufgefunden wurden, waren nach Darstellung der britischen Regierung mit dem tödlichen Giftstoff A234, im Westen unter dem russischen Namen Nowitschok bekannt, vergiftet worden. Ihre schnelle Genesung halten Experten jedoch für überraschend."

Quelle: Sputnik (Deutschland)

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