Ukraine kurz vorm Kriegszustand – Lage im Donbass kehrt zu Stand 2014 zurück
Archivmeldung vom 21.07.2016
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer ukrainische Sicherheits- und Verteidigungsrat unter Führung des Präsidenten Petro Poroschenko könnte die Verhängung eines Kriegszustands im Lande erörtern, schreibt die „Nesawissimaja Gaseta“ am Donnerstag.
Die deutsche Ausgabe des russischen online Magazins "Sputnik" berichtet weiter: "Laut dem Sekretär des Sicherheits- und Verteidigungsrats, Alexander Turtschinow, berichtete Kiew den westlichen Partnern über diesen möglichen Beschluss, der nötig werden könnte, falls sich die Situation im Donezbecken weiter zuspitzt.
Sowohl die ukrainische Seite als auch die Volksrepubliken werfen sich seit einem Monat gegenseitig die Intensivierung des Beschusses vor. Während im Frühjahr in der Ukraine rund einmal pro Woche von einem bzw. zwei getöteten Soldaten berichtet wurde, stiegen seit Juni die Verluste. In den letzten Wochen wird fast jeden Tag von gefallenen Soldaten berichtet.
Am 18. Juli verlor die Ukraine neun Soldaten, weitere zwölf sollen schwer verletzt worden sein. In den Medien wird die Situation mit 2014 verglichen, als alle den Beginn eines großangelegten Kriegs befürchteten.
Turtschinow zufolge beschießen die Volksrepubliken die ukrainischen Stellungen verstärkt aus Hochpräzisionswaffen, die laut dem Minsker Abkommen verboten sind.
„Falls sich diese gefährlichen Trends fortsetzen, wird die Ukraine alle notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Integrität des Landes und der Sicherheit der Staatsbürger treffen, bis zur Erörterung der Einführung des Kriegszustands“, warnte er.
Wie aus den Volksrepubliken verlautet, häuft sich der Beschuss seitens der ukrainischen Streitkräfte . Als Antwort auf die Worte Turtschinows auf eine mögliche Einführung des Kriegszustands erschien auf der Webseite der Volksrepublik Donezk eine Erklärung: „Wir wenden uns erneut an internationale Vermittler, Menschenrechtsorganisationen, die Weltgemeinschaft und die OSZE-Sonderbeobachtungsmission mit dem Aufruf, die militärpolitische Führung der Ukraine zu beeinflussen und das friedliche Leben im Donezbecken wiederherzustellen, den Genozid und die blutigen Verbrechen zu stoppen. Wir bleiben den friedlichen Wegen der Konfliktregelung treu, doch die Verbrecher in Kiew, die unbestraft bleiben, provozieren uns immer wieder zu einer harten Antwort.“
Experten in Kiew zufolge hätte der Kriegszustand bereits 2014 eingeführt werden müssen. Jetzt könnten damit Probleme entstehen. Laut dem Abgeordneten Dmitri Tymtschuk sollte man bei der Einführung des Kriegszustands konkretisieren, wer der Gegner ist. Falls man sage, dass man mit Russland im Kriegszustand sei, könnte Russland verkünden, dass es die Ukraine sei, die den Krieg erklärte.
Die Ukraine befürchte außerdem außenpolitische und wirtschaftliche Risiken. Diese Maßnahme würde der Bevölkerung nicht gefallen, denn es würde eine starke Einschränkung der Bürgerrechte und Freiheiten bedeuten. Tymtschuk schloss nicht aus, dass der Kriegszustand bei Bedarf nur im Bereich der Kampfhandlungen verhängt werden könnte.
Was die ukrainische Gesellschaft will, zeigen die Ergebnisse einer Studie des Rasumkow-Zentrums und der Stiftung „Demokratische Initiativen“. Laut Umfrageergebnissen vom Mai sind 70 Prozent der Ukrainer für eine Kompromisslösung für den Konflikt . Dabei hoben 47 Prozent von ihnen hervor, dass die Ukraine nicht einem Frieden um jeden Preis zustimmen sollte. Als Wege zur friedlichen Konfliktlösung nannten 41 Prozent der Ukrainer die Aufrechterhaltung der Sanktionen gegen Russland, 28 Prozent den erfolgreichen Wiederaufbau des Teils des Donezbeckens, der unter der Kontrolle der Ukraine steht.
Was die politische Zukunft des Donezbeckens betrifft, sind 25 Prozent der Ukrainer für die Bereitstellung von erweiterten Vollmachten an diese Gebiete innerhalb der Ukraine. Sieben Prozent der Ukrainer sprachen sich für die Unabhängigkeit der Volksrepubliken und drei Prozent für die Übergabe der Gebiete unter die Kontrolle Russlands aus."
Quelle: Sputnik (Deutschland)