Bäumler kritisiert "lockeren" Umgang der Regierung mit Griechenland
Archivmeldung vom 05.01.2015
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtÜberlegungen innerhalb der Bundesregierung hinsichtlich eines möglichen Ausscheidens Griechenlands aus der Euro-Zone sorgen für Unmut in der CDU: Der Bundesvize der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler, kritisierte den aus seiner Sicht "lockeren" Umgang mit dem Euro-Austritt. "Wer den Austritt Griechenlands für verkraftbar hält, sollte offenlegen, welche Kosten verkraftet werden müssen und die erforderlichen Haushaltsmittel bereitstellen", sagte Bäumler dem "Handelsblatt" (Onlineausgabe).
Die öffentlichen Schulden der griechischen Partner betrügen weit mehr als 200 Milliarden Euro. "Bei einem Euro-Austritt könnten diese Schulden nicht beglichen werden", warnte der CDU-Politiker und fügte hinzu: "Einen beträchtlichen Anteil dieser Ausfälle müsste Deutschland tragen."
Bäumler reagierte damit auf einen Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel", nach dem Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) ein Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone inzwischen für verkraftbar halten.
In Griechenland finden am 25. Januar vorgezogene Parlamentswahlen statt. Die linke Partei Syriza könnte als stärkste Kraft aus der Abstimmung hervorgehen. Sie möchte den strikten Sparkurs des hochverschuldeten Landes beenden.
Griechischer Ex-Premier Papandreou stellt Programm neuer Partei vor
Der ehemalige griechische Premierminister Giorgos Papandreou hat in Athen seine neue linksgerichteten Partei vorgestellt. Die Partei trage den Namen "Bewegung der Demokraten (und) Sozialisten". "Wir werden Geschichte schreiben", sagte Papandreou und will mit seiner Partei bereits an den kommenden vorgezogenen Neuwahlen am 25. Januar teilnehmen. Er wolle weitere Reformen des Landes, um Griechenland aus der Krise zu führen. Dazu wolle er mit allen Kräften, außer der ultra-rechten "Goldenen Morgenröte", kooperieren. Die neue Partei ist von Umfragen bislang nicht erfasst. Pasok-Chef Venizelos bezeichnete die Abspaltung als "trauriges Ereignis", wolle sich davon aber nicht irritieren lassen.
Experte: Syriza-Partei sollte keinen Schuldenschnitt anstreben
Der Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, hält es für wirtschaftlich und politisch falsch, wenn die radikallinke griechische Syriza-Partei von Alexis Tsipras im Fall eine Siegs bei der Parlamentswahl Ende Januar einen Schuldenschnitt anstreben sollte. "Wirtschaftlich würde es sowohl für Griechenland als auch für die übrigen Krisenländer sofort zu erhöhten Risikoprämien kommen, was deren Erholung weiter erschweren würde", sagte Horn dem "Handelsblatt" (Onlineausgabe).
Hauptgeschädigter eines Schuldenschnitts wäre nach Horns Überzeugung die Gemeinschaft der Mitgliedsstaaten der Euro-Länder. "Sie aber haben Griechenland nicht aus spekulativen Gründen Geld geliehen, sondern um zu helfen", sagte er. "Wenn sie dafür mit einem Schuldenschnitt bestraft werden, dürfte dies die politische Bereitschaft, Krisenländer auch künftig zu unterstützen, massiv erschweren." Es liege daher weder im Interesse Griechenlands noch der übrigen Mitgliedstaaten einen Schuldenschnitt anzustreben. "Das sollte Syriza bedenken."
Dessen ungeachtet wäre eine neue Regierung unter der Führung der Syriza-Partei aus Sicht Horns auch eine neue Chance. "Es ist doch offenkundig, dass die bisherige politische und wirtschaftliche Elite in Griechenland versagt hat", sagte der Ökonom. "Deren Abwahl wäre somit ein Akt demokratischer Katharsis." Das wirtschaftspolitische Programm von Syriza bedürfe aber noch einer gründlichen Fokussierung. Richtig sei beispielsweise, den harten Austeritätskurs zu verlassen und damit die Binnennachfrage zu entlasten.
SPD: Merkel sollte Debatte um Griechenlands Euro-Austritt beenden
Die SPD fordert von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die Debatte um einen möglichen Austritt Griechenlands aus der Eurozone zu beenden. "Ein Austritt der Griechen wäre abenteuerlich", sagte der SPD-Finanzpolitiker und stellvertretende Fraktionschef Carsten Schneider dem "Tagesspiegel" (Montagsausgabe). Durch einen solchen Schritt wäre allein der Bundeshaushalt mit Kreditzahlungen von 80 Milliarden Euro belastet, so Schneider. Für die Stabilität in anderen Euro-Ländern und für den Euro sei ein möglicher Euro-Austritt der Griechen "sehr gefährlich".
Riexinger wirft Bundesregierung Destabilisierung Griechenlands vor
Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, hat mit scharfer Kritik auf Gedankenspiele innerhalb der Bundesregierung über ein mögliches Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone reagiert und der Bundesregierung vorgeworfen, das Land mit "öffentlicher Erpressung" vor den Wahlen gezielt zu destabilisieren. "Die Bundesregierung lanciert mit dieser gezielten Indiskretion eine Bombe, die in Griechenland die Krise eskaliert", sagte Riexinger dem "Handelsblatt" (Onlineausgabe).
Hintergrund ist ein Bericht des "Spiegel", wonach die Bundesregierung bereit sein soll, Griechenland notfalls aus der Euro-Zone ausscheiden zu lassen. Ein Austritt des hoch verschuldeten Staates sei aus Sicht von Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) mittlerweile verkraftbar, schreibt das Magazin und beruft sich auf Regierungskreise.
Ausschlaggebend seien die Fortschritte in der Eurozone seit dem Höhepunkt der Schuldenkrise 2012. So sei die Ansteckungsgefahr für andere Länder inzwischen begrenzt. Zudem stehe ein schlagkräftiger Rettungsmechanismus zur Verfügung. Riexinger sagte dazu: "Solche Meldungen aus dem Herzen der Bundesregierung können in Athen einen Bankrun provozieren. Das ist organisierte Verantwortungslosigkeit."
Die Kanzlerin sei jetzt in der Pflicht, "unverzüglich und unmissverständlich" ihre Haltung zur Integrität der Eurozone klar zu stellen. "Wir erwarten, dass die Schuldigen an dieser Indiskretion gesucht und zur Verantwortung gezogen werden", betonte der Linkenchef. Verkraftbar sei ein "Grexit" (Euro-Austritt Griechenlands) heute "nur für das Spekulationskartell an den Finanzmärkten, weil inzwischen die ganze Rechnung bei den europäischen Steuerzahlern landen würde".
Rehn: Griechische Schuldenlast muss reduziert werden
Der ehemalige EU-Währungskommissar Olli Rehn hält einen Schuldenschnitt in Griechenland - wie von Alexis Tsipras, dem Vorsitzenden der radikallinken Syriza-Partei, gefordert - für vermeidbar: "Dass wir die griechische Schuldenlast reduzieren müssen", glaubt der Ex-Kommissar jedoch ebenfalls. "Das können wir aber auch durch eine Verlängerung der Laufzeiten der Kredite erreichen", sagte Rehn dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".
Einem möglichen Wahlsieg der Syriza-Partei sieht er gelassen entgegen. "Es erscheint mir übertrieben, dass einige den Teufel an die Wand malen", sagte Rehn. "Jede mögliche Turbulenz, die Griechenland verursachen mag, könnte die Eurozone nicht so erschüttern wie 2010 oder 2012." Syriza sei eine Kirche mit vielen Strömungen, "es wird schwierig sein, diese Allianz zusammenzuhalten", so der Finne, der jetzt Abgeordneter im Europaparlament ist. Auch deshalb werde es Zugeständnissen aus Brüssel bedürfen.
Quelle: dts Nachrichtenagentur