Für Geldschöpfung soll öffentliche Institution stehen
Archivmeldung vom 15.05.2017
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas herrschende Geldsystem verschleiert die realen Machtverhältnisse, betont der Ökonom Bernd Senf. Er fordert, dass die Zentralbank öffentlich, aber regierungsunabhängig sein soll. Dieses Konzept nennt er „Monetative“ – als vierte Säule neben Exekutive, Legislative und Judikative im Sinne der Gewaltenteilung.
"Ich bin der Begriffsschöpfer dieses Namens: ‚Monetative‘“, erklärte der Berliner Ökonom Bernd Senf im Sputnik-Gespräch. Die Idee zu einem grundlegend anderen Geldsystem sei aus der Einsicht und der Erkenntnis erwachsen, dass das herrschende System in seiner Struktur und Dynamik „höchst problematisch“ sei.
„Langfristig treibt es Krisen hervor, die letztendlich auch die Stabilität einer Gesellschaft immer mehr erschüttern können. ‚Monetative‘ klingt ja ähnlich wie Legislative, Exekutive und Judikative – und diese Ähnlichkeit habe ich ganz bewusst gewählt. Der Vorschlag ist, die Kompetenz der Geldschöpfung und der Geldmengensteuerung ausschließlich einer öffentlichen Institution zu übertragen.“
Als er vor Jahren das erste Mal diesen Vorschlag gemacht habe, habe es sofort heftigen Gegenwind gegeben. Der Idee sei meist mit der Argumentation widersprochen worden: „Wenn der Staat die Geldschöpfung in die Hand bekommt, dann kann das nur übel ausgehen. Das führt zur Inflation und so weiter. Die Zentralbank müsse unabhängig bleiben.“ Für Senf ist die Frage „Unabhängig von wem?“ Mit Blick auf Politik und Regierung habe er „diesen Bezug zu den genannten drei Säulen unseres Staatsgebildes gewählt“. Der Begriff „Monetative“ solle zeigen, „dass die Geldschöpfung und die Geldmengensteuerung in öffentliche Hand gehören, aber nicht in die Hand der Regierung, weil sie da wirklich auch missbraucht werden kann.“
Vernebeltes Geldsystem – Geldschöpfung nicht funktionsgerecht
Sie sollten ebenso nicht vom privaten Bankensystem abhängig sein. Der Ökonom machte im Gespräch mit Sputnik-Korrespondent Bolle Selke darauf aufmerksam, dass viele meinen, Zentralbanken seien staatlich oder öffentlich. Doch:
„Schon das ist ja nicht durchgängig der Fall. Die US-amerikanische Notenbank zum Beispiel ist von Anbeginn, also von 1913 an, in den Händen von privaten Großbanken – und das ist nur vielen überhaupt nicht bewusst. Dass überhaupt die Geschäftsbanken in der Lage sind, zusätzlich zum Zentralbankgeld sogenanntes Giralgeld zu schaffen, das ist den wenigsten bewusst. Die meisten gehen davon aus, dass alleine die Zentralbank dazu in der Lage sei. Diese Sichtweise gilt es erst einmal zu hinterfragen und aufzuzeigen, dass ein erheblicher Teil dessen, womit Sozialprodukt und auch Finanzprodukt gekauft und nachgefragt werden können, in Form von Giralgeld geschieht – also von bargeldlosen Zahlungen.“
Die seien aber nicht nur durch entsprechende Bareinzahlungen auf Konten von Bankkunden entstanden, sondern indem die Geschäftsbanken ein Vielfaches dessen, was sie an Zentralbankgeld bekommen, an Krediten ausleihen würden. Diese Kredite würden dann als sogenannte Sichtguthaben auf Girokonten verbucht.
Diese Sichtguthaben würden nicht in voller Höhe in bar abgehoben, sondern nur zu einem Bruchteil. So könne auf einem Sockel von Zentralbankgeld ein Vielfaches an Giralgeld aufgebaut werden, erklärte Senf.„Das ist eine Art Kreditschöpfung aus dem Nichts.“ Er kritisierte, dass diese Prozesse durch die Begriffsbildung in den Wirtschaftswissenschaften „auf ganz merkwürdige Art vernebelt“ würden. Darauf habe er in seinem Buch „Der Nebel um das Geld“ hingewiesen. Das Geldsystem müsse „entschleiert“ werden, was bedeute, es aufzudecken. Dann zeige sich, „dass die bestehende Art der Geldschöpfung, großenteils in Händen privater Geschäftsbanken, in keiner Weise funktionsgerecht ist“. Dass trage die Gefahr in sich, dass sich die Gelschöpfung verselbstständige – „salopp ausgedrückt, dass die Banken auf Teufel komm raus Kredite aus dem Nichts schöpfen und damit eine Überflutung des Wirtschaftskreislaufes mit aus dem Nichts geschöpften Geld entstehen kann.“
Die Deutsche Bundesbank habe sich bereits dieses Themas angenommen, berichtete der Ökonom. Sie würde „sich immer mehr der Sichtweise der ‚Monetative‘“ annähern. „Sie ist noch nicht ganz da gelandet, sondern zunächst einmal bei einem Vorschlag von Irving Fisher, einem weltberühmten Theoretiker aus den 30er Jahren. Der hatte damals ein Hundertprozent-Geld vorgeschlagen. Gemeint war, dass die Sichtguthaben in den Geschäftsbanken zu hundert Prozent durch Zentralbankgeld unterlegt und damit abgesichert sein sollten.“
Quelle: Sputnik (Deutschland)