Friedensforscher Ganser erklärt: So befeuerte der Westen den Ukraine-Krieg
Archivmeldung vom 22.10.2022
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićVon tosendem Applaus umrahmt war der spannende Vortrag, den Dr. Daniele Ganser am gestrigen Donnerstag und heutigen Freitag auf Einladung des Vereins „Bright Side“ vor je über 600 Gästen in Sipbachzell hielt. Dabei verwob er die Themenkomplexe „Selbstverantwortung und Achtsamkeit“ mit der Bedeutung, welche diese für das Verständnis geopolitischer Entwicklungen generell und des Ukrainekrieges im Besonderen besitzen. Dies berichtet das Magazin "Wochenblick.at".
Weiter berichtet das Magazin: "“Achtsam zu sein, bedeutet wach zu sein”, zitierte Ganser eingangs den Meditationsexperten Jon Kabat-Zinn, der den Leuten in diesem Zusammenhang empfahl, sich Gedanken wie einen Wasserfall vorzustellen, hinter dem man manchmal eine Höhle finden kann, um in sich zu kehren und die Dinge mit Distanz zu betrachten. Nur so wäre es möglich, verschiedene Stimmen einzubeziehen & auch im eigenen Denken zu wachsen, statt Dogmen zu verteidigen.
Verzerrte Bilder zum Ukrainekrieg
Was hat dies alles mit Geopolitik zu tun? Sehr viel, befindet Ganser: Denn unzählige Menschen übernehmen die Gedanken nur aus dem Fernseher, samt der Verkürzungen, Auslassungen & wechselnden Ängste. Das Resultat: Menschen würden ernsthaft glauben, in der Ukraine liefere man Waffen für “die Guten” – ohne zu wissen, dass der Konflikt nicht acht Monate, sondern acht Jahre und acht Monate alt ist.
Der Grund für die verzerrte Wahrnehmung sei, dass Medien erst seit acht Monaten darüber berichten. Dort würde Selenski als “gut” und Putin als “böse” dargestellt, wobei hinter Selenski die USA stünden und somit mit Joe Biden ein Politiker, der 2014 als Obamas Vize für den Sturz der damaligen Regiering in Kiew mitverantwortlich sei. Aber auch über die Vorfälle am Maidan spreche der Westen nicht.
Hier sei das Wasserfall-Prinzip sinnvoll: In einem Krieg wähnen sich beide Seiten im Recht & betreiben Propaganda, hinter die es zu blicken gilt. Das sei im Tauziehen um die Ukraine nicht anders, dafür müsse man sogar bis zum Mauerfall zurückblicken.
NATO-Osterweiterung als Zündschnur
Der Westen zeigt Putin die rote Karte, geht es nach Ganser verdienen diese aber jedenfalls sechs weitere Politiker. Die erste ginge an Bill Clinton, der die russische Schwäche unter Jelzin ausnützte, um entgegen renommierter Expertenwarnungen & entgegen früherer Zusagen die NATO zu erweitern: So kamen 1999 Polen, Ungarn und Tschechien als erste Ostblock-Staaten dazu.
Das nächste so zu ahndende Foul beging Nachfolger George Bush Jr., der das Baltikum, Rumänien, Bulgarien & die Slowakei dazu nahm. Beide zettelten in Serbien und im Irak völkerrechtswidrige Kriege an. Im Gefängnis säße nun nicht Bush als Kriegstreiber, sondern Julian Assange, der die dabei begangenen US-Kriegsverbrechen aufdeckte.
Noch auf seiner “Abschiedstour” 2008 setzte Bush zum endgültigen Affront an: Am NATO-Gipfel in Bukarest lud er die Ukraine und Georgien in die NATO ein, das scheiterte damals noch am Widerstand einiger europäischer Staaten. Aber die Lunte war gelegt und sie führte direkt in die Vorfälle des Winters 2013/14 am Maidan-Platz in Kiew. Die eigentlichen Drahtzieher – laut Ganser deutet die Spur nach Washington – würden aber im Westen nicht benannt.
Wochenblick ordnete die scheibchenweise NATO-Osterweiterung schon vor Kriegsausbruch ein: Russland, NATO und Ukraine: Nach dem kalten Krieg ist vor dem Krieg?
Putsch des Westens auf dem Maidan
Für Friedensforscher & Historiker Ganser ein Unding: “Wenn wir nicht in der Lage sind, über den Putsch 2014 zu sprechen, sind wir keine aufgeklärte Gesellschaft.” Er verwies auf die Schilderungen von Nikolai Asarow, seinerzeit Premier unter dem 2010 demokratisch gewählten Präsidenten Wiktor Janukowitsch. Er erzählte, dass die USA die Konfrontation ankurbelten und die Anführer der Maidanproteste in der US-Botschaft ein und aus gingen.
Dazu käme das Treffen der offiziellen USA mit dem später eingesetzten Premier Arsenij Jazenjuk und dem späteren Präsidenten Petro Poroschenko auf der “Sicherheitskonferenz” in München nur gut zwei Wochen vor der Eskalation auf dem Maidan. Ebenfalls dabei: Der Kiewer Bürgermeister Witali Klitschko, der lange als Kandidat für einen hohen Regierungsposten galt.
Bis zum geleakten Telefonat, in dem Ex-US-Außenstaatssekretärin Victoria Nuland gegenüber US-Botschafter Geoffrey Pyatt angab, dass dies nicht ratsam sei. Berüchtigt wurden auch die Worte “Fuck the EU”, mit denen sie zu Protokoll gab, dass ihr die Belange und die Sicherheit der Europäer egal waren. Interessant seien auch, so Ganser, die Treffen von US-Senator John McCain mit dem nationalistischen Politiker Oleg Tjagnibok, über den 2014 noch die ARD urteilte, dass “unter den Rebellen nicht nur Gute” seien. Heute würden jene, die auf dieselben Sachen hinweisen, als “Putinversteher” diffamiert.
Menschen mit falschen Gedanken aufgehetzt
Ab dem 18. Februar 2014 wurde die Achtsamkeit der Menschen überlistet, ihre falschen Gedanken führten in die Eskalation. Denn als Scharfschützen aus dem Hotel “Ukraina” und aus dem Musik-Konservatorium auf Polizisten und Demonstranten schossen, hielten beide Seiten die jeweils andere Gruppe für die Urheber des Feuers, was mittlerweile unabhängig widerlegt wurde.
Weil es so einfach sei, die Gefühle der Menschen zu verwirren, die in der Hitze des Gefechts eben nicht im sprichwörtlichen “Wasserfall” verschwinden, seien auch False-Flag-Attacken möglich. Mittlerweile sei es im westlichen Mainstream aber sogar verpönt, die Rolle der USA zu thematisieren. Als seltenes Gegenbeispiel nannte er einen Artikel des US-Politologen John Mearsheimer, der noch im März im “Economist”, die NATO-Osterweiterung als Auslöser der Ukrainekrise identifizierte. Für die Nummer gebühre Biden & Obama auch eine “rote Karte”.
Wochenblick berichtete bereits schwerpunktmäßig über den Maidan-Putsch – teilweise auch auf Basis von Gansers mutigen Recherchen: Massaker am Maidan: Putsch des Westens?
Neutralität zwischen Schweiz und Ukraine
Ähnlich der Ex-Schauspieler Selenski, der nach der Machtübernahme den Bürgerkrieg im Donbass weiterführte – im Westen nie Thema, weil man die Menschen mit der Corona-Angst beschäftigte, ehe das Virus mit dem Kriegsbeginn auf einmal ungefährlich war. Der ungeimpfte Ganser, der eher Vorträge abhielt als sich zu fügen oder gar ein 2G-Regime einzuführen, erinnert sich nur zu gut an die enormen Zwänge im Winter.
Für viele sei interessanterweise Druck abgefallen, weil die Öffentlichkeit & jene, die ihren Narrativen unreflektiert glauben, auf einmal die Russen als neues Feindbild erkoren. Für Ganser ist das ganz der falsche Weg: Er ist gegen jede Spaltung entlang von Menschengruppen.
Für gefährlich hielt er auch, dass seine eigene Schweizer Heimat nur vier Tage brauchte, um von ihrer streng neutralen Position abzurücken & ihre Gegnerschaft zu Putin mit dessen Angriff begründete. Was Ganser wundert: Denn bei den NATO-Angriffen am Balkan und im Nahen & Mittleren Osten sei das nicht geschehen.
Dass Europa als Importeur einen Wirtschaftskrieg per Sanktionen anzettelt, hält er für unsinnig, die wahrscheinlich mit westlicher Hilfe angezettelte “Nord Stream”-Sprengung für eine Kriegserweiterung in Form eines Kriegsaktes auf die kritische Infrastruktur außerhalb des Kriegsgebiets. Die letzte rote Karte kriege SPD-Kanzler Scholz für Waffenlieferungen gegen das Land, das die Wiedervereinigung erst ermöglichte.
Großen Schaden richte jedenfalls der “Gut gegen Böse”-Infokrieg an, man müsse ganz genau schauen, welche Infos auf Augen & Ohren kommen & das manipulative Spiel mit Bildern & Worten durchschauen. Für die Ukraine sieht er langfristig einen neutralen Status als Weg zum Frieden.
Seit Jahren beschoss die ukrainische Armee die russischsprachige Mehrheit im Donbass – Selenski machte einfach damit weiter: Erschütternde Schicksale: So brutal beschoss Ukraine die Menschen im Donbass! "
Quelle: Wochenblick