Ramelow: Flüchtlingskatastrophe ist "Schande für Europa"
Archivmeldung vom 20.04.2015
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtThüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linkspartei) hat sich entsetzt über den neuerlichen Tod zahlreicher Flüchtlinge nach dem Kentern eines Bootes im Mittelmeer geäußert. "Diese Katastrophe ist eine Schande für Europa", sagte der Linkspolitiker gegenüber der Zeitung "Neues Deutschland" (Online-Ausgabe). Ramelow forderte "sichere Fluchtkorridore".
Die Wege, die Menschen auf der Flucht nutzen, müssten "abgesichert werden", um Flüchtlinge "vor dem Morden und Berauben zu schützen". Der Ministerpräsident wandte sich auch gegen Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal der Flüchtlinge. "Schweigen und den Menschen beim Ertrinken zuschauen ist zynisch. Die Menschen werden sich weiter jeden Monat zu Tausenden auf den Weg machen, und Europa macht sich am Sterben mitschuldig."
Europa und seine atlantischen Verbündeten müssten "endlich intensiver und konkreter die Fluchtursachen bekämpfen", verlangte er zudem. "Ackerland in Afrika muss wieder den Bauernfamilien zur Ernährung dienen, statt Industrienationen mit Monokulturen zu versorgen. Die Fischer müssen vor Ihren Küsten ihren eigenen Fisch fangen können, ohne von internationalen Trawlerflotten um die Existenz gebracht zu werden", so Ramelow.
Steinmeier: Bilder von Flüchtlingsdrama im Mittelmeer "unerträglich"
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat bestürzt auf das neuerliche Flüchtlingsunglück im Mittelmeer reagiert: "Was wir heute erneut im Mittelmeer beobachtet haben, das ist eine weitere Tragödie. Die Bilder sind unerträglich", sagte Steinmeier im "Bericht aus Berlin" (ARD).
Dennoch sehe er es nicht als hilfreich an, "neu über Frontex" zu diskutieren "oder über mehr polizeiliche Präsenz im Mittelmeer. Das mag alles notwendig sein. Aber ich glaube, es sind zwei Dinge, die wir tun müssen. Das Erste: Wir müssen versuchen, mehr Stabilität nach Libyen zu bringen. Das heißt, zu versuchen, doch noch eine Regierung der nationalen Einheit zustande zu kriegen in Libyen", so Steinmeier.
Nur stabile Verhältnisse in dem Land verhinderten, dass Libyen "weiterhin von den Schleppern und Schlepperorganisationen benutzt wird", sagte der Außenminister. "Und wir müssen den Schlepperorganisationen das Handwerk legen. Das wird nur gehen in internationaler Kooperation." In der Nacht auf Sonntag war ein Schiff im Mittelmeer gekentert. Es wird befürchtet, dass die rund 700 Flüchtlinge an Bord des Schiffs das Unglück nicht überlebt haben.
De Maizière nach neuerlichem Flüchtlingsdrama im Mittelmeer entsetzt
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat erschüttert auf das neuerliche Flüchtlingsdrama im Mittelmeer reagiert: "Mit Entsetzen habe ich gehört, dass erneut viele Menschen im Mittelmeer vermisst werden und möglicherweise Hunderte ertrunken sind. Vor dieser andauernden Tragödie dürfen wir in Deutschland und in der EU unsere Augen nicht verschließen", sagte der Innenminister am Sonntag.
Der Migrationsdruck sei unverändert hoch, so de Maizière. "Menschen fliehen vor Verfolgung oder Armut in ihren Ländern. In Libyen gibt es kaum noch staatliche Strukturen, das nutzen Schlepper aus. Verbrecherische Schlepperbanden verdienen viel Geld mit der Reise bis und über das Mittelmeer."
Organisierte Banden überfüllten untüchtige Boote und überließen die Menschen ihrem Schicksal. "Die Bekämpfung der Schlepperbanden ist deshalb ein zentraler Punkt. Wir müssen die Zusammenarbeit intensivieren. Bei Europol haben wir eine eigene Ermittlungsgruppe eingerichtet, wo wir erste Erfolge sehen. Wir dürfen und werden es nicht dulden, dass diese Verbrecher aus bloßer Profitgier massenhaft Menschenleben opfern", betonte der CDU-Politiker.
Es sei klar, dass kein Land die Flüchtlingsproblematik alleine lösen könne. "Wir brauchen nicht nur eine gemeinsame europäische Strategie, sondern auch eine bessere Verzahnung der Außen-, Innen und Entwicklungspolitik in und zwischen den Mitgliedsstaaten ebenso wie mit den Herkunfts- und Transitstaaten."
Flüchtlingskosten: Bouffier will mehr Geld vom Bund
Vor dem Hintergrund des anhaltenden Flüchtlingsstroms nach Deutschland hat Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU), der derzeitige Präsident des Bundesrats, ultimativ mehr Geld vom Bund für die Länder gefordert. "Menschlichkeit darf am Geld nicht scheitern", sagte Bouffier "Bild".
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wisse, dass die Länder das Problem nicht alleine lösen könnten. "Die Aufnahme von Flüchtlingen ist eine nationale Aufgabe. Hier muss der Bund dauerhaft und deutlich mehr Geld zur Verfügung stellen. Wenn wir die Bereitschaft der Menschen in Deutschland zur Aufnahme Verfolgter nicht aufs Spiel setzen wollen, muss der Bund mehr tun. Sehr viel mehr", betonte der CDU-Politiker. "Es wäre fair, wenn die Bundesregierung die Hälfte der anfallenden Kosten übernimmt."
Das Problem müsse "in den nächsten zwei Monaten geklärt werden", erklärte der stellvertretende CDU-Vorsitzende. Die Frage der Kosten für die Aufnahme von Flüchtlingen ist auch ein Thema beim bevorstehenden Koalitionsausschuss der Großen Koalition. SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte unlängst die volle Kostenübernahme durch den Bund ins Spiel gebracht.
Opposition fordert nach Flüchtlingskatastrophe bessere Seenotrettung
Nach der neuerlichen Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer haben Spitzenpolitiker von Grünen und Linkspartei die schnelle Rückkehr zu früheren Rettungsprogrammen für Schiffsbrüchige gefordert. Deutschland müsse sich "für eine Neuauflage des Seenotrettungsprogramms Mare Nostrum einsetzen", sagte die Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, dem "Tagesspiegel". "Wir haben eine humanitäre Verpflichtung zu helfen."
Die Europäische Union müsse sichere Wege für die Flüchtlinge schaffen und könne diese nicht weiterhin wie bisher "zynisch ihrem Schicksal" überlassen. Die EU müsse "die Seenotrettungsoperation unverzüglich und in größerem Umfang als früher wieder aufnehmen", verlangte auch der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Gregor Gysi.
Dass man dieses Programm eingestellt habe, sei "katastrophal und absolut inhuman", sagte er der Zeitung. Die Politik müsse "endlich lernen, nicht Flüchtlinge, sondern Fluchtursachen zu bekämpfen".
Quelle: dts Nachrichtenagentur