Bericht: Pläne zur Stabilisierung Griechenlands drohen zu scheitern
Archivmeldung vom 27.01.2015
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Pläne der Euro-Staaten für die weitere wirtschaftliche Stabilisierung Griechenlands drohen nach dem Wahlsieg des Linksbündnisses Syriza zu scheitern. Der bisher vorgesehene Stufenplan für einen Ausstieg des Landes aus der Abhängigkeit von seinen Nachbarn sei kaum noch realistisch, hieß es der "Süddeutschen Zeitung" zufolge aus Kreisen der EU-Mitgliedsländer.
Wenn die Griechen auch unter dem neuen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras Mitglied der Eurozone bleiben wollten, bleibe ihnen vielmehr kaum eine andere Wahl, als ein weiteres volles Hilfsprogramm zu beantragen. Es wäre nach den beiden bisherigen Paketen im Gesamtumfang von 240 Milliarden Euro bereits das dritte. Eine solche Entscheidung hätte nicht nur für Tsipras unangenehme Folgen, sondern auch für seine künftigen Amtskollegen, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Der neue Athener Regierungschef hatte im Wahlkampf versprochen, die Reformauflagen von EU und Internationalem Währungsfonds zu beseitigen. Benötigte er nun zusätzliche Kredite, kämen stattdessen wohl sogar neue Auflagen hinzu. Merkel und einige weitere Regierungschefs müssten ein drittes Programm ihrerseits ihren nationalen Parlamenten zur Abstimmung vorlegen. Nach Tsipras Wahlsieg ist die Bereitschaft, weiteren Darlehen zuzustimmen, jedoch insbesondere in Merkels Unionsfraktion gering. Nach den bisherigen Plänen der Euro-Staaten sollte die griechische Regierung ihren Kapitalbedarf von diesem Jahr an wieder über die privaten Finanzmärkte decken.
Um den Übergang abzufedern, hatten sich die Partnerländern bereit erklärt, zusätzlich ein sogenannte vorbeugende Kreditlinie, also eine Art Dispo-Kredit, zur Verfügung zu stellen. Dieses Konzept wird aber kaum aufgehen, weil die Zinsen, die Griechenland privaten Geldgebern zahlen müsste, bereits vor Tsipras Wahlsieg wieder massiv in die Höhe geschossen waren, schreibt die SZ.
Bosbach schließt neue Zugeständnisse an Griechenland aus
CDU-Politiker Wolfgang Bosbach hat nach der Wahl in Griechenland ausgeschlossen, dass Europa Athen bei neuen Verhandlungen Zugeständnisse machen könnte. "Änderungen bei den jetzigen Konditionen kann ich mir nicht vorstellen", erklärte der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestags im Interview mit dem Sender "Phoenix". "Es geht nicht, dass die neue griechische Regierung sagt: Eure Milliardenhilfen nehmen wir gerne, aber eure Bedingungen akzeptieren wir nicht."
Der CDU-Politiker befürchtet, dass Griechenland aufgrund der jüngsten Entwicklung nicht finanziell gesunden könne. Dies zeigten etwa die von Athen in Aussicht gestellten Privatisierungserlöse, die "meilenweit von der Realität entfernt" seien. Man sei von Wachstumserwartungen ausgegangen, die sich nicht erfüllt hätten. "Meine Befürchtung ist, dass es Griechenland unter den Bedingungen des Euro gar nicht schaffen kann, weil es an Wettbewerbsfähigkeit fehlt. Ich glaube aus objektiven Gründen nicht, dass es ohne einen Schuldenschnitt gehen wird - dann aber kann Griechenland nicht in der Eurozone bleiben", meinte Bosbach. Man dürfe jetzt nicht dahin kommen, aus politischen Gründen eine Lex-Griechenland ins Auge zu fassen, weil dies dann zu einem Fass ohne Boden für Europa werden könnte. "Was man Griechenland zugesteht, wird man anderen Ländern nicht verweigern können", so der CDU-Politiker. Athen seien in den vergangenen Jahren Schulden von 105 Milliarden Euro erlassen worden und das Land habe Finanzhilfen von 240 Milliarden Euro erhalten oder in Aussicht gestellt bekommen. Grundsätzlich gelte: "Wenn Länder über ihre Verhältnisse leben, kann es nicht so sein, dass dies auf Kosten der Steuerzahler in anderen Staaten geschieht."
Bosbach sieht es als großen Fehler an, Griechenland überhaupt in die Eurozone aufgenommen zu haben. "Das war eine Entscheidung aus politischen Gründen und der Versuch, gegen die Mathematik Politik zu machen."
Schäfer-Gümbel erklärt Sparkurs in Europa für gescheitert
Der stellvertretende SPD-Parteivorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel hat nach den Wahlen in Griechenland den Sparkurs in Europa für gescheitert erklärt. "Die reine Austeritätspolitik ist am Ende", sagte Schäfer-Gümbel in einem Interview der "Welt". Insbesondere in Griechenland brauche man sich nicht darüber zu wundern. "Der radikale Sparkurs ging auf die Knochen der einfachen Leute. Wenn die Kindersterblichkeit in griechischen Krankenhäusern dramatisch nach oben geht und gleichzeitig die Tankerbarone Milliarden ins Ausland schaffen, läuft etwas grundlegend falsch", sagte Schäfer-Gümbel. Jetzt ginge es darum, für "Wachstum und Beschäftigung in Europa" zu sorgen.
Schäfer-Gümbel, im Parteivorstand der SPD für Wirtschaft zuständig, warnte vor einem möglichen Euro-Austritt Griechenlands. "Ich glaube nicht, dass es dazu kommt. Das will auch Tsipras nicht. Ich ebenfalls nicht, schon weil es psychologisch keine gute Idee wäre, wenn ein Land den Währungsraum verlässt", sagte Schäfer-Gümbel.
Der Parteivize kritisierte den neuen Ministerpräsidenten Griechenlands Tsipras für die Wahl seines Koalitionspartners. "Er geht eine problematische Koalition mit den Rechtspopulisten ein, was ich sehr bedauere." Schäfer-Gümbel sieht bei der Bundesregierung eine Mitschuld, dass es zu solch einem Bündnis gekommen ist. "Die ganze Debatte über einen möglichen Austritt Griechenlands aus dem Euro und manche Äußerung aus der Union waren sicher nicht hilfreich. Auch die antigriechischen Untertöne einiger CDU-Abgeordneter sind es nicht."
Quelle: dts Nachrichtenagentur