Europäischer Gerichtshof erlaubt Sperre illegaler Internetseiten
Archivmeldung vom 28.03.2014
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Europäische Gerichtshof erlaubt die Sperre von illegalen Internetseiten. Dabei geht es vor allem um solche, die Raubkopien urheberrechtlich geschützter Filme, Musik und Literatur anbieten, berichtet Hendrik Polland bei Radio "Stimme Russlands". Geschäftsführer Alexander Sander vom Verein Digitale Gesellschaft ist dafür, die Webseiten zu löschen anstatt zu sperren.
Im nachfolgenden Interview beantwortet Sander Fragen zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs.
Ihr Verein setzt sich für die Freiheit im Internet ein. Ist mit dem illegalen Angebot von Raubkopien trotzdem bei Ihnen eine Grenze erreicht?
"Ja, natürlich. Illegale Raubkopien sind kriminell. Dagegen muss man vorgehen. Gleichwohl setzen wir uns dafür ein, dass das Urheberrecht reformiert wird. Das Problem ist, dass die Leute auf solche illegalen Plattformen getrieben werden, weil keine legalen Angebote zur Verfügung stehen. Wir brauchen Möglichkeiten, wo Nutzer relativ leicht, einfach und mit wenig Aufwand solche Dienste auch mit entsprechenden Kosten nutzen können."
Sie sagen, es mangelt vor allem an Alternativen. Wie sähen die aus?
"Alternative Dienste könnten sein, dass so etwas wie kino.xto oder kino.to in dem konkreten Fall jetzt von den Rechteinhabern selbst betrieben werden. Diese Plattformen nehmen relativ viel Geld ein."
Wie wirksam ist es, Seiten zu löschen anstatt zu sperren?
"Netzsperren führen in erster Linie immer nur dazu, dass man im Grunde den Inhalt versteckt. Er bleibt weiterhin verfügbar. Damit ist davon auszugehen, dass die Rechteverletzung vorgenommen wird. Technisch versierte Nutzer können diese Sperre relativ leicht umgehen und weiterhin auf die Inhalte zugreifen. Man hat es in dem Fall von kino.to gesehen, dass nur das Abschalten dazu führt, dass dieser Inhalt aus dem Netz verschwindet."
In der Türkei sind Twitter und gerade gestern Youtube gesperrt worden. Wie könnte man das Urteil später auch auf solche Portale anwenden?
"Das Problem ist: Wenn man jetzt einmal Netzsperren eingeführt hat, dann ist der Geist aus der Flasche. Die Grundlagen sind geschaffen, dass auch Portale abgeschaltet werden, die sich mit politischen Äußerungen hervortun. Was momentan der Fall ist: Es wird gesagt, dass keine Kollektivschuld passieren soll. So etwas wie Twitter oder Youtube kann nicht einfach vom Netz genommen werden, wenn ein Video oder ein Tweet eine Urheberrechtsverletzung enthält. Es gibt sehr viele Seiten, wo das möglicherweise in den Grenzbereich kommt. Wo man nicht mehr so genau weiß, ist jetzt das Portal darauf ausgerichtet, Links zu urheberrechtsverletzenden Inhalten zu veröffentlichen oder sind tatsächlich zum Beispiel auch Inhalte darauf, die mit dem Bereich der Meinungsfreiheit gedeckt sind. Gerade in solchen Grenzfragen wird es in Zukunft sehr interessant sein, wie dann die Provider, also die Internetdienstanbieter, zu reagieren haben und wie dann auch entsprechende Gerichte möglicherweise darüber urteilen, welcher Fall eingetreten ist."
Wenn ich sie richtig verstehe, dann reicht das jetzige Gesetz nicht aus, um vor gesetzlicher Willkür zu schützen?
"Zunächst müssen wir auf die nationale Gesetzgebung schauen. Wenn dort keine Netzsperren vorgesehen sind, dann müssen die auch nicht durchgesetzt werden. Wenn aber Netzsperren legal sind und der Provider verpflichtet werden kann, die Sperren durchzusetzen, dann kann es zu solchen Grenzentscheidungen kommen. Das droht grundsätzlich schon."
Der Europäische Gerichtshof hat die nationalen Gerichte ermahnt, bei Netzsperren ein "angemessenes Gleichgewicht" zwischen dem Schutz von Urheberrechten und der unternehmerischen Freiheit des Internetanbieters zu beachten. Wie bewerten Sie die Aussage?
"Das ist sehr schwammig. Das werden die Gerichte deshalb auch definieren müssen. Wirkliche Rechtssicherheit hat damit nicht geschaffen. Wir gehen davon aus, dass die Rechteinhaber verstärkt versuchen werden, diese Netzsperren durchzusetzen. Da wird einiges auf die Provider zukommen. Da wird sicherlich auch in weiterer Zukunft einiges auf die Gerichte zukommen. Die müssen dann definieren, hat der Rechteinhaber über die Strenge geschlagen oder hat der Provider möglicherweise über die Stränge geschlagen."
Stellungnahme der Constantin Film zum EuGH-Urteil
"Bislang mussten wir weitgehend tatenlos zusehen, wenn unsere Filme über illegale gewerbliche Portale wie z.B. kinox.to oder movie4k.to angeboten und verbreitet wurden. Oftmals schon mit Kinostart, spätestens zu Beginn der DVD-Auswertung. Mit dem gestrigen Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) können Gerichte Internetanbieter dazu verpflichten, Webseiten, die illegale Inhalte anbieten, für ihre Kunden zu sperren.
Auch das Internet ist auf rechtsstaatlich garantierte Rahmenbedingungen angewiesen, und daher ist die Entscheidung des EuGH ein sehr wichtiger Meilenstein für die Kreativindustrie. Das Urheberrecht muss nicht eingeschränkt, sondern gestärkt und geschützt werden. Es gibt Kreativen die Freiheit, an einer Marktwirtschaft teilzunehmen. Dazu gehört auch die Freiheit, die illegale Nutzung eines Werks per Gerichtsbeschluss zu untersagen.
Wir gehen davon aus, dass auf Basis dieser höchstinstanzlichen Rechtsprechung nun endlich auch deutsche Gerichte in diesen oder ähnlich gelagerten Fällen Internetanbietern aufgeben, ihren Kunden das Aufrufen von illegalen Angeboten unmöglich zu machen."
Quelle: Text Hendrik Polland - „Stimme Russlands" / Constantin Film (ots)