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"Inflation Reduction Act": Revitalisierung der US-Industrie auf Kosten deutscher Unternehmen

Archivmeldung vom 10.11.2022

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 10.11.2022 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić
Bundeskanzler Olaf Scholz und US-Präsident Joe Biden bei einem EU-Gipfeltreffen in Brüssel am 24.03.2022
Bundeskanzler Olaf Scholz und US-Präsident Joe Biden bei einem EU-Gipfeltreffen in Brüssel am 24.03.2022

Bild: Eigenes Werk /SB

Während der Fokus der EU derzeit vor allem auf der Eindämmung der Energie- und Inflationskrise liegt, unternehmen die USA bereits diverse Schritte, um die Auswanderung deutscher Unternehmen in die Vereinigten Staaten zu forcieren. Ermöglicht wird dies auch durch den "Inflation Reduction Act". Dies analysiert Alexander Männer im Magazin "RT DE".

Weiter analysiert Männer auf RT DE: "Inmitten der zunehmenden geopolitischen Spannungen auf der internationalen Bühne legt die Europäische Union den Fokus gezwungenermaßen auf die Eindämmung der akuten Energie- und Inflationskrise. Wegen der stark gestiegenen Preise für Gas sind die EU-Länder mit enormen Wirtschaftsproblemen konfrontiert, deren Lösung bislang nicht in Sicht ist.

Immer deutlicher in den Vordergrund rückt dabei der Verlust von Produktionsstandorten und damit die Gefahr der Deindustrialisierung Europas. In Deutschland sind bereits viele kleine und mittlere Unternehmen in ihrer Existenz bedroht, aber auch Konzerne stehen vor ökonomischen Schwierigkeiten. Aufgrund fehlender Perspektiven wollen immer mehr Unternehmen ihre Produktion teilweise ins Ausland verlagern, wo sie billiger ist als in der EU.

Diese aus Sicht der deutschen Belegschaft schmerzvolle Entwicklung setzt gerade erst ein, und sie zu stoppen erscheint derzeit sehr problematisch, zumal die US-Amerikaner bereits diverse Schritte unternommen haben, um die Auswanderung deutscher Unternehmen in die Vereinigten Staaten zu forcieren.

Diesbezüglich ist vor allem der sogenannte "Inflation Reduction Act of 2022" (IRA) zu nennen – ein US-Bundesgesetz zum Haushalt, das Joe Biden bereits am 16. August 2022 unterzeichnet hat und das nach und nach realisiert wird. Laut offiziellen Angaben soll es künftig die Inflation eindämmen und den Kampf gegen den Klimawandel fördern, mit dem Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2030 auf bis zu 42 Prozent unter das Niveau von 2005 zu reduzieren und das US-Defizit von 2022 bis 2031 um 300 Milliarden Dollar bzw. um 2,2 Prozent zu senken.

Mit einem Umfang von knapp 400 Milliarden US-Dollar handelt es sich beim IRA um das bislang größte Investitions- und Subventionsprogramm in den Klima- und Umweltschutz, das unter anderem durch Steuererhöhungen finanziert wird und eine nachhaltige und wirtschaftlich tragfähige Energiewende im Land stärkt. Kritiker sehen in dem Inflationsbekämpfungsgesetz jedoch Anzeichen für eine aggressive Industriepolitik Washingtons mit geopolitischen Ambitionen. Denn durch die umfangreichen Zuschüsse im Bereich der erneuerbaren Energien soll nämlich die Vormachtstellung der USA als größter Energieproduzent langfristig sichergestellt werden.

Inflation Reduction Act und die deutschen Fahrzeughersteller

Die im IRA enthaltenen Maßnahmen dienen aber auch dazu, das US-Außenhandelsdefizit zu reduzieren – und das ist einer der Aspekte, der auch die deutschen Produzenten betrifft. Diesbezüglich führt Dr. Helmut Becker, Leiter des Instituts für Wirtschaftsanalyse und Kommunikation (IWK), in einem Beitrag im Netz an, dass die US-Amerikaner politisch durch die Hintertür der vorgeblichen Inflationsbekämpfung die Reindustrialisierung ihrer Wirtschaft vorantreiben. Dies werde in Wirklichkeit durch den Ersatz von Importen in die USA durch Produktion in den USA selbst angestrebt, wovon unter anderem die deutschen Automobilhersteller betroffen seien.

Becker zufolge wird der IRA grundsätzlich die Autoindustrie nachhaltig verändern, weil er sich auf Prinzipien des Merkantilismus stützt. Denn etwa im Bereich der Elektrofahrzeug-Produktion würde eine finanzielle Förderung von Elektrofahrzeugen nur bei einem hohen Anteil der Wertschöpfung und einer Endfertigung in den USA erfolgen. Statt also Fahrzeuge aus Europa zu importieren, müssten die betroffenen Unternehmen zukünftig vor Ort produzieren, um den Neuwagen-Kunden den Steuervorteil in Höhe von 7.500 Dollar zu ermöglichen, den die US-amerikanischen Konkurrenten mühelos erhalten. Damit änderten sich die Marktvoraussetzungen in den Vereinigten Staaten für deutsche Hersteller komplett, und diese müssten deswegen, so Becker, ihre Produktion aus China und Deutschland nach Nordamerika verlagern, wenn sie denn den US-Markt nicht verlieren wollen.

Angesichts dessen sind deutsche Wirtschaftsakteure längst alarmiert. Wie das Portal RedaktionsNetzwerk Deutschland berichtete, kritisiert der Verband der Automobilindustrie (VDA) den Plan der US-Regierung. Aus Sicht der VDA-Präsidentin Hildegard Müller sei es grundsätzlich gut, die Elektromobilität zu fördern, allerdings sehe man kritisch, "dass die Förderung an Auflagen gebunden ist, die sich auf lokale Wertschöpfung beziehen und daher Produkte aus Drittstaaten benachteiligen".

Christian Hartel, Vorstandschef der Wacker Chemie AG, fordert laut dem Handelsblatt die EU-Kommission und die EU-Mitgliedstaaten auf, "schnell und gemeinsam eine Industriestrategie für erneuerbare Energien und klimaneutrale Produktion in Europa" zu entwickeln, "damit milliardenschwere Investitionen in die klimaneutrale Zukunft jetzt hier vor Ort in Europa geschehen".

Auch Roland Harings, Vorstandsvorsitzender der Aurubis AG, sieht die deutsche beziehungsweise europäische Wettbewerbsfähigkeit in Gefahr und mahnt die Politik in Berlin und Brüssel, konkrete Maßnahmen zu unternehmen: "Ohne sie wird die grüne Transformation in Europa nicht gelingen."

Weitreichendes Reformpaket der USA

Nicht zu vergessen ist, dass die Umweltschutzinvestitionen im Rahmen des IRA mit milliardenschweren Ausgaben in die Infrastruktur und den Sozialstaat einhergehen, die neben der Inflationsreduzierung auch weitere Schlüsselprobleme der Wirtschaft und Gesellschaft lösen sollen.

Wie der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz bereits im August in einem Kommentar für das Project Syndicate hingewiesen hatte, bietet der IRA für die USA enorme Vorteile in mehreren Bereichen. Die geplanten Investitionen würden nicht nur helfen, die Energiekosten – einen der wichtigsten Treiber der Inflation – zu senken, sondern auch die heimische Energieerzeugung stärken, während gleichzeitig saubere Energie produziert werde. Unter anderem würden die einkommensschwachen Haushalte im Endeffekt entlastet, und zudem würde das Gesetz dazu beitragen, die steigenden Kosten im Gesundheitswesen zu senken.

Auch im Hinblick auf die Verteidigungsausgaben der USA sowie die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der US-Rüstungsindustrie soll massiv in Bildung, Forschung, Technologie und Infrastruktur investiert werden. Dafür sind Stiglitz zufolge Steuereinnahmen im IRA eingeplant, die hinsichtlich der dringend erforderlichen Verbesserungen in der US-Steuerpolitik notwendig sind. Dabei geht es um Steuererhöhungen für Großunternehmen und die reichsten Haushalte, die aktuell nicht ihren fairen Anteil an Steuern zahlen würden.

Auch die aktuelle Weltlage spielt nicht zuletzt eine wichtige Rolle beim besagten Bundesgesetz. Wie eingangs erwähnt und wie auch Stiglitz anführt, soll der IRA für den US-Energiebereich einen weitreichenden politischen Nutzen haben. Ziel der US-Regierung ist demnach offenbar, die weltweite Energieabhängigkeit von "autoritären" Ölstaaten sowie Russland anzugehen, da die bestehenden Energie-Interdependenzen mit ernsten Risiken verbunden sind."

Quelle: RT DE

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