Polens Premier Tusk warnt vor Spaltung der EU
Archivmeldung vom 16.12.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer polnische Ministerpräsident Donald Tusk warnt vor dem EU-Gipfel vor einer wachsenden Spaltung der EU. "Wir beobachten in der EU neuerdings, dass das gemeinschaftliche Denken schwächer wird", sagte Tusk im Gespräch mit der Tageszeitung "Die Welt" (Donnerstagausgabe). "Das findet seinen Ausdruck zum Beispiel darin, dass die Teilung der EU in die Länder der Eurozone und die Länder draußen immer schärfer wird. Das erinnert an das unselige Projekt vom Europa der zwei Geschwindigkeiten. Das klingt, als wolle jemand einen Teil der Gemeinschaft aussperren", so Tusk.
Am heutigen Donnerstag wollen die EU-Staaten bei ihrem Gipfel weitere Maßnahmen zur Stabilisierung des Euro beraten. Tusk stärkte zudem Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit ihrer vorsichtigen Politik bei der Euro-Rettung den Rücken. "Bundeskanzlerin Merkel ist, so glaube ich, einer der wenigen Politiker in Europa, die sehr gut verstehen, wie wichtig das Gleichgewicht oder sogar die Synergie dieser Interessen ist", so Tusk in Bezug auf die Interessen der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten und der Union insgesamt. "Ich glaube, die Bundeskanzlerin musste eine sehr schwierige Entscheidung treffen, und ich denke, ich verstehe ihren Standpunkt." Er fügte hinzu: "Man darf nicht auf Kredit leben und kann nur dann leihen, wenn man in der Lage ist, das auch abzuzahlen."
Vorsitzender der Liberalen im EU-Parlament fordert von Merkel "mehr Europa"
Mit einem eindringlichen Appell hat sich der belgische Ex-Premier Guy Verhofstadt vor dem EU-Gipfel an die deutsche Bundeskanzlerin gewandt. Angela Merkel, schreibt der Vorsitzende der Liberalen im Europaparlament in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Rundschau" und die "Berliner Zeitung", müsse angesichts der Krise und mit Blick auf die langfristige Perspektive "ihre europäische Entschlossenheit" wiederfinden. Die Kanzlerin habe sich "aus der Europa-Avantgarde, zumindest vorläufig, verabschiedet", aus Rücksicht auf eine Anti-Euro-Stimmung in Deutschland, so Verhofstadt. Der EU-Gipfel dürfe sich nicht mit Beschwichtigungen nach der Devise "Kein Stress vor Weihnachten, bitte!" begnügen, sondern müsse ein klares Signal für "mehr Europa" geben.
Verhofstadt lobt in den Zeitungen Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker, der Entschlossenheit in diese Richtung demonstriert habe, als er "mit Vehemenz die Einführung von Euro-Anleihen forderte". Die Idee habe leider "besonders in der Bundesregierung" bisher so wenig Sympathie gefunden, dass nun auf dem EU-Gipfel am 16. und 17. Dezember "möglichst gar nicht darüber gesprochen werden soll". Das wäre nach Verhofstadts Meinung ein Fehler. Auch der belgische Liberale setzt sich in seinem Gastbeitrag für die "Frankfurter Rundschau" und die "Berliner Zeitung" dafür ein, "dass Euro-Anleihen ein Kernelement des künftigen Wirtschaftens in der Europäischen Union" sein sollten. Bereits auf diesem Gipfel am Donnerstag und Freitag müsse darüber beraten werden und "natürlich müssen wir mit den Deutschen, jenseits aller Ressentiments, darüber sprechen, ob die Nachteile eines gemeinsamen Euro-Anleihenmarkts wirklich größer wären als die Vorteile", schreibt Verhofstadt.
Das "jämmerliche Scheitern der Lissabon-Strategie" während der vergangenen zehn Jahre habe deutlich gezeigt, dass "sanfter Druck in Europa nicht ausreicht". Der Euro könne nicht überleben, wenn er weiterhin mit 16 Regierungen, 16 wirtschaftspolitischen Strategien und 16 Anleihenmärkten konfrontiert würde. Daher bezeichnet Verhofstadt eine "Konvergenz und Harmonisierung" der Politik in der Eurozone als "zwingend".
Merkel erklärt Streit über Eurobonds mit Juncker für erledigt
Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht den Streit um sogenannte Eurobonds mit Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker als ausgeräumt an. "Jean-Claude Juncker und ich haben ausführlich telefoniert und die Sache längst ausgeräumt. Wo es um so viel geht, spielen eben auch Emotionen mal eine Rolle", sagte Merkel der "Bild-Zeitung" (Donnerstagausgabe). Zugleich verwahrte sich die Kanzlerin gegen Kritik aus anderen EU-Staaten, wonach Deutschland in Europa zu machtbewusst auftrete. "Deutschland diktiert niemandem etwas. Dass die Hilfen aus dem Rettungsschirm an strenge Auflagen gebunden sind, das haben wir alle zusammen beschlossen. Aber ich kann die Griechen oder Iren auch verstehen, die jetzt mit ihren einschneidenden Sparmaßnahmen leben müssen. Wer denen von außen sagt, das sei nötig, macht sich nicht unbedingt beliebt", so Merkel abschließend.
Quelle: dts Nachrichtenagentur