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Wie ein US-Finanzunternehmen Deutschland ausplündert

Archivmeldung vom 04.02.2019

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.02.2019 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
BlackRock-Zentrale in Midtown Manhattan, New York City
BlackRock-Zentrale in Midtown Manhattan, New York City

Foto: Americasroof in der Wikipedia auf Englisch
Lizenz: CC BY-SA 3.0
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Als Friedrich Merz, CDU-Politiker und Aufsichtsratschef von „Blackrock Deutschland“, 2018 aus der politischen Versenkung kommt, zeigt sich die deutsche Öffentlichkeit überrascht. Niemand kennt scheinbar Blackrock. Für Finanz-Experte Werner Rügemer unfassbar. „Die sind schon lange in Deutschland aktiv“, sagt er im exklusiven Sputnik-Interview.

Weiter heißt es auf der Webseite des russischen online Magazins: "Schlichte Unwissenheit der Mainstream-Medien sei es gewesen, die dazu geführt hat, dass nach dem politischen Comeback von CDU-Politiker Friedrich Merz erste journalistische Fragen nach „Blackrock“ auftauchten. Dem Arbeitgeber von Merz, für den er aktuell wieder tätig ist. Das sagte Werner Rügemer, Wirtschafts-Experte und Buchautor aus Köln, gegenüber Sputnik. Für ihn ist es unfassbar. Denn: Die US-amerikanische Fondsgesellschaft Blackrock agiert bereits seit vielen Jahren in Deutschland und beeinflusst Unternehmen und ganze Wirtschaftsfelder hierzulande.

Der Kölner hat schon lange dazu kritisch recherchiert und bemängelt, dass Blackrock überhaupt erst seit der Debatte um Merz medial thematisiert wird. Er beschäftigt sich mit den Schattenseiten von Blackrock, neuste Erkenntnisse hat er jüngst in seinem Buch „ Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts “ zusammengefasst.

Wer oder was ist Blackrock?

„Der Multi-Millionär Merz selbst, aber auch die deutschen Leitmedien präsentieren Blackrock als freundlichen, eher passiven ‚Vermögensverwalter“, schreibt Rügemer in einem aktuellen Aufsatz für das Magazin „Lunapark21“, einer kritischen Zeitschrift zur globalen Ökonomie.

„Tatsächlich ist Blackrock die größte Schattenbank der Welt, Lobbyist der Superreichen, Verkäufer krisenverursachender Finanzprodukte (…).“

Im Interview konkretisierte der Autor und Finanz-Experte seine Analyse: „Blackrock konnte sich in den letzten 20 Jahren als vernetzte Finanz-Macht entwickeln, verstärkt seit der letzten Finanzkrise“, sagte Rügemer im Sputnik-Interview. Blackrock sei einer der größten Kapitalorganisatoren der Welt. Investoren, darunter viele Multi-Milliardäre, leihen Blackrock ihr Geld mit dem Ziel, dass es vermehrt wird. „Blackrock ist eine Anlagemöglichkeit für die Superreichen. Aber da müssen Sie schon mit mindestens 50 bis 100 Millionen Euro Investitionssumme einsteigen.“

Warum unterhält Blackrock viele Briefkastenfirmen?

Blackrock besitzt laut Rügemer aktuell Eigentumsanteile in 17.000 Firmen weltweit – um diese „einzukaufen“ und die Vorstände und Aufsichtsräte dieser Konzerne zu „besetzen“. Mit dem Ziel, dadurch die Geschicke dieser Firmen nicht nur zu lenken, sondern auch die Aktienkurse dieser Unternehmen gewinnbringend zu beeinflussen. Gewinnbringend „natürlich nur für Blackrock“, so Rügemer. „Man wettet auf die Aktienkurse.“ Und: Diese Gewinne möchte das US-Unternehmen dann „möglichst steuerfrei“ abkassieren können. Deshalb betätigt sich der US-Gigant noch in anderen Geschäftsfeldern, um sozusagen Finanzstrukturen zu schaffen, die Blackrock dann beim weiteren „Verwerten“ behilflich sind.

Darum ist das US-Finanzunternehmen auch „der größte Organisator von Briefkastenfirmen im Auftrag der Superreichen, die Blackrock ihr Kapital anvertrauen. Das heißt: Blackrock trägt dazu bei, dass die Staaten immer weniger Gewinnsteuern einnehmen und verarmen. Dadurch wird auch die Infrastruktur der Staaten beschädigt. Straßen, Brücken und Schulen werden in Deutschland nicht erneuert, weil der Staat zu wenig Steuern einnimmt, da ist eben Blackrock einer der Verursacher.“

Beispiel Bayer und Monsanto: Wie vernetzt ist Blackrock in Deutschland?

Blackrock sei hauptsächlich auf große, global aktive Unternehmen orientiert. Deutschland gehöre zu den wichtigsten Zielen. Darunter alle deutschen börsennotierten Firmen, wie etwa Bayer, Siemens, RWE, Deutsche Post, Merck, Allianz, Volkswagen oder auch die Deutsche Bank.

„Deswegen ist Blackrock entscheidender Mit-Eigentümer aller 30 großen DAX-Konzerne“, sagte der Finanz-Experte. „Aber auch der meisten großen Aktienunternehmen in den USA, Frankreich, der Schweiz, England und so weiter. Die Verwertung und Umstrukturierung der großen weltweiten Unternehmen ist das wichtigste Geschäftsfeld von Blackrock. Das ist natürlich ein Handwerkszeug, um an der Spitze der westlichen Wirtschaft zu gestalten und Unternehmen neu zu gestalten. Beispielsweise Fusionen vorzubereiten, wie gegenwärtig zwischen Bayer und Monsanto .“ An beiden Unternehmen hält Blackrock bereits seit Jahren Anteile. Blackrock habe so die Fusion zwischen dem deutschen Chemie-Riesen Bayer mit Sitz in Leverkusen und dem umstrittenen US-Konzern Monsanto in die Wege geleitet.

Beispiel Wohnungsmarkt: Krise und Mietexplosion verursacht?

„Blackrock und Co. sind über Firmenbeteiligungen die größten Eigentümer von Mietwohnungen in Deutschland“, so Rügemer. Er nannte nur einige der negativen Folgen für die Betroffenen: Mietexplosionen, erhöhte Nebenkosten oder Vertreibung von Mietern. „Auf der kommunalen Ebene ist ein anderer Typ von Finanzorganisatoren tätig, die ich als ‚Zweite Liga‘ bezeichne. Das sind die sogenannten Private-Equity-Investoren, die volkstümlich als ‚Heuschrecken‘ bezeichnet werden.“ Oftmals sind Blackrock und ähnliche Fondsgesellschaften auch an diesen Finanzunternehmen beteiligt.

„Diese haben seit dem Jahre 2000 etwa Hunderttausende Wohnungen in deutschen Kommunen und Bundesländern aufgekauft und in unterschiedlicher Weise dann eben verwirtschaftet, ausgewertet oder ausgeplündert. Indem man nicht weiter saniert oder sich einfach auf die Mietzahlungen durch die deutschen Ämter verlassen hat. Wie im Fall Köln-Chorweiler. Das hat die Stadt sehr belastet, sie musste letztlich mit hohen Kosten die Wohnungen zurückkaufen, weil das ein unerträglicher Zustand war.“

Werden wir von einem „Welt-Finanzkartell“ regiert?

„Aber man darf das nicht auf Blackrock alleine konzentrieren“, warnte Rügemer in seiner Analyse:

„Sonst würde man die Mächtigkeit dieser Kapitalorganisatoren nicht verstehen. Es sind immer sechs bis acht dieser Kapitalorganisatoren. Die bilden immer in wechselnder Zusammensetzung den größten Block an Aktionären in Unternehmen wie Bayer und gleichzeitig Monsanto. Weil sie sich untereinander absprechen, können sie tatsächlich die Umgestaltung, die Fusion, den Verkauf von Anteilen, die Entlassung von Beschäftigten mit organisieren.“ Es gebe neben Blackrock noch etwa 20 weitere dieser großen Fondsgesellschaften, die alle wie in einem Kartell organisiert sind. Darunter „Vanguard“, „State Street“ oder „Fidelity“. Sie kaufen sich bei jedem großen Konzern dieser Welt ein, indem sie Anteile erwerben.

„Die meisten Unternehmensanteile halten sie an US-Unternehmen, darunter Coca-Cola, IBM, Amazon, Facebook, Google, Microsoft. Aber sie halten auch Anteile an den wichtigsten Unternehmen in Deutschland, Frankreich, England, Schweden oder Spanien. Das gibt natürlich einen Einblick in die Interna der westlichen Wirtschaft, wie es sonst niemand hat. Dieser Einblick wird noch dadurch vertieft, dass Blackrock zusätzlich Berater staatlicher Institutionen ist. Etwa der FED, also der Zentralbank der USA. Auch der EZB. Blackrock macht mit seiner großen Datenverarbeitungskapazität auch Finanzanalysen, Finanzdienstleistungen und Risikoanalysen für andere Zentralbanken, aber auch eben für deutsche Unternehmen wie Deutsche Bank, Bayer oder Siemens, an denen Blackrock auch selbst Anteile hat.“

Paradoxerweise hat erst die Finanzkrise 2008 das 1988 in New York gegründete US-Unternehmen großgemacht. „Blackrock Inc. wäre nie so schnell so groß geworden, wie es heute ist, wären da nicht die beispiellosen Veränderungen gewesen, die die Rezession mit sich gebracht hat“, berichtete im August 2018 das US-Wirtschaftsmedium „Bloomberg“. „Das Geschäft überragt nun alle seine Konkurrenten: Das verwaltete Vermögen von 6,3 Billionen US-Dollar übersteigt allein die Größe der deutschen Wirtschaft.“ Ein Hauptgrund dafür: Der ehemalige US-Präsident Barack Obama hatte damals Blackrock-Chef Larry Fink beauftragt, er möge doch mit seiner Firma die Ursachen für den US-Finanzkollaps untersuchen.

„Blackrock hatte von der Regierung Obama den Auftrag erhalten, marode US-Banken – außer der Lehman Brothers Bank, die man hat pleitegehen lassen – und insolvente Industrieunternehmen zu retten. Dieser Großauftrag zur Rettung der angeschlagenen großen, systemrelevanten Banken hat natürlich Blackrock einen zusätzlichen Einblick in die Interna und Finanzwelt der wichtigsten Banken und Unternehmen verschafft.“ Das habe den Aufstieg Blackrocks zur Weltspitze befördert.

Können Blackrock und Co. staatlich reguliert werden?

Wie Blackrock agiere, komme dem nahe, was der linke US-Ökonom und Wall-Street-Kenner Michael Hudson kürzlich in einem Sputnik-Interview analysierte. Blackrocks Aktivitäten tragen laut Rügemer „dazu bei, dass die Monopol-Bildung unter den Konzernen voranschreitet. Blackrock verwertet die vorhandene wirtschaftliche Substanz eines Staates, und das ist volkswirtschaftlich schädlich. Das trägt zur Verarmung der Beschäftigten und zur Arbeitslosigkeit bei.“ Staatliche Gesetzgebung und Rechtsprechung habe kaum Durchsetzungskraft gegen die Kapitalorganisatoren.

„Das Kartellrecht in allen westlichen Staaten, auch in Deutschland, ist ein Kartellrecht von vorgestern. Da gab es diese gleichzeitige Miteigentümerschaft von Kapitalorganisatoren – zeitgleich in Tausenden Unternehmen, die auch noch gleichzeitig Konkurrenten sind – noch nicht.“ Dadurch werde der Wettbewerb als Merkmal einer funktionierenden Marktwirtschaft ad absurdum geführt. „Deswegen greift das gegenwärtige Kartellrecht überhaupt nicht und müsste eigentlich modernisiert werden, aber das wird nicht gemacht.“ Auch weil Blackrock und Co. mit fast allen wichtigen Regierungen dieser Welt kooperieren.

Wie können sich Unternehmen schützen?

„In allen einzelnen Unternehmen, in denen Blackrock und Co. in Deutschland Mit-Eigentümer sind, müssten sich die Betriebsräte und die Beschäftigten kundig machen. Dass sie dort anfangen, sich für ihre Rechte einzusetzen. Dass man überall gegen diese verschiedensten Quellen des Super-Gewinns, des Super-Profits vorgeht. Es muss an ganz vielen Stellen solche Gegenbewegungen geben.“

Ein großer Widerstand gegen Blackrock sei bereits in Deutschland im Wohnungsmarkt entstanden. „Es haben sich in vielen Städten wie Berlin, Hamburg oder München Mieterinitiativen gegründet, die jetzt diese Praktiken untersuchen und vor Gericht gehen.“ Außerdem habe es schon „mehrere Gerichtsverfahren gegeben, in denen Wohnungskonzerne, an denen Blackrock und Co. beteiligt sind, ungerechtfertigte Nebenkosten zurückzahlen mussten“.

Werner Rügemer: „Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts: Gemeinverständlicher Abriss zum Aufstieg der neuen Finanzakteure“, PapyRossa Verlag, 357 Seiten, 19,90 Euro, 1. Auflage 2018. Das Buch ist im Handel erhältlich.

Das Radio-Interview mit Dr. Werner Rügemer zum Nachhören:

Quelle: Sputnik (Deutschland)

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