Marbella: Banana Beach legal, Schmiergeld wird verfolgt
Archivmeldung vom 06.07.2009
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.07.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIm 1. Teil des Artikels Operation Malaya - Marbellas Milliardenskandal stellten wir den mondänen Luxusbadeort Marbella und die Zutaten für Spaniens größten Korruptionsskandal vor. Nun findet der kometenhafte Aufstieg des vom Arbeitslosen zum Milliardär mutierten Baufachmanns Juan Antonio Roca doch noch sein gerechtes Ende - ein Strudel, der jedoch auch deutsche Immobilienbesitzer in Mitleidenschaft zog. Ihnen drohte zunächst der Verlust ihrer Wohnungen .
Alles nahm 2005 seinen Lauf, als der junge Ermittlungsrichter Miguel Angel Torres Seguro (38) einen Geldwäscheskandal aufdeckte. Eine Anwaltskanzlei in Marbella war dabei der verlängerte Arm der organisierten Kriminalität, die zunächst aus dem Ausland kam. Es ging um Prostitution, Auftragsmorde, Rauschgift- und Waffenschmuggel und Entführungen in den USA, Kanada, Russland, der Türkei, Argelien, dem Iran und Marokko. Das ergaunerte Geld wurde gewinnbringend in den Immobilienmarkt gepumpt, nachdem es mit Hilfe von Scheinfirmen in Steuerparadiesen von seiner Herkunft entkoppelt in Marbella schließlich reingewaschen wurde.
Einige Telefonmittschnitte stellten jedoch eine indirekte Spur zu Marbellas Stadtrat her. Dort machte gerade Bürgermeisterin Marisol Yagüe (57) von sich reden, da sie nach kurzer Amtszeit bereits ihre Villa für 950.000 Euro umbauen ließ, jedoch wegen angeblicher Mängel erstmal die Zahlung verweigerte. Schnell kam heraus, dass Bürgermeister und Stadtratsmitglieder in Marbella mit Geld nur um sich warfen. Die Medien schossen sich auf Marisol Yagüe ein, und Ermittlungsrichter Torres und sein Antikorruptions-Team sammelten weitere Indizien, hörten munter Telefonate ab und wunderten sich über die Großmannssucht der Stadtratsmitglieder, die ein Vielfaches ihres Gehaltes für Schönheitsoperationen, Großwildjagten und andere teure Hobbies ausgaben. Die Eitelkeiten dieser gingen sogar soweit, dass sie sich in den mittlerweilen zum TV-Spektakel ausgewachsenen Stadtratssitzungen gegenseitig Betrug vorwarfen und nicht selten die Opposition unter Polizeischutz den Saal verlassen musste.
Dann ging es schnell: Ende März 2006 stürmten insgesamt 150 Polizisten und Justizbeamte das Rathaus Marbellas und durchsuchten anschließend die Privatvillen der Stadträte, Bürgermeister und sonstigen Verdächtigen. Was sie in der Hacienda des Bauchfachmannes Roca fanden, verschlug jedoch auch dem als kühl und penibel geltenden Ermittlungsrichter Torres die Sprache: Über der Badewanne hing ein echter Miro, auch ein Picasso und weitere Hundert Gemälde wurden sichergestellt. Im Anwesen, zu dem ein eigenes Fußballfeld, eine kleine Stierkampfarena und ein Hubschrauberlandeplatz gehörte, fand man neben dem dazugehörigen Hubschrauber und Kampfstieren auch Luxusautos, Rennpferde, einen lebendigen Tiger, einen antiken Linienbus Marbellas und andere Oldtimer. In Rocas Wohnzimmer wimmelte es nur von Antiquitäten, ausgestopften Löwen, Giraffen und Elefanten, und es gab mehrere Lager erlesenster Weine, kiloweise Juwelen und andere Sammlungen.
Das an diesem Tag sichergestellte Vermögen betrug 2,8 Millarden(!) Euro. Dabei wurden auch 830.000 Euro in Scheinen aufgefunden, die vorwiegend in Müllsäcken gelagert waren. 19 Personen kamen hinter Gitter. Bei der nicht anwesenden zweiten Bürgermeisterin, der schönheitsoperierten Isabel Garcia Marcos (55), wurden alleine 360.000 Euro in Müllsäcken gefunden. Garcia Marcos wurde bei der Ankunft von ihrer Hochzeitsreise direkt vom Flugzeug aus verhaftet. Da konnte auch ihr frisch angetrauter ehemaliger Bodyguard nicht helfen, und Marbella hatte seinen Skandal und war geschockt! Tausende gingen auf die Straße und machten lauthals ihrem Unmut Luft. Die unter Polizeischutz zu den Verhören gebrachten Politiker wurden mit Schimpfworten bedacht und mit Steinen beworfen. Es wurde eine provisorische Übergangsregierung geschaffen, die schließlich feststellen musste, dass die Stadt so pleite war, dass man nicht einmal das Geld für den Druck von Strafzetteln mehr hatte.
Das große Aufräumen war angesagt und mit diesem zitterten nicht nur die rachsüchtigen Schmiergeldempfänger sondern auch der kleine Bürger und deutsche Residenten und Investoren. Die Baugenehmigung der fast 20.000 illegal errichteten Immobilien wurde zunächst nachträglich entzogen. All diese Gebäude wurden auf öffentlichem Grund errichtet. Es sollten dort eigentlich Parks, Schulen, Spielplätze und Krankenhäuser errichtet werden. Die Justiz wollte von Beginn an hart durchgreifen, doch musste sie schnell feststellen, dass ein nachträgliches Entziehen von Baugenehmigungen nur ein Schlag ins Gesicht vieler Kleinanleger und Häuslebauer wäre, denn diese wussten oft nicht, dass sie auf nichturbanisierbarem Grund gebaut hatten. Der in Spanien notwendige Grundbucheintrag “Escritura" wurde nach Belieben erteilt. Roca verkaufte jeden Grashalm der Stadt gegen Schmiergeld, und große Baufirmen zahlten ihm anscheinend so viel er nur wollte. In den Verhandlungen sagte Roca, dass er keine einzige “Escritura" je gesehen hätte. Geglaubt hat man es ihm nicht.
Zum Symbol des Skandals wurde der in Marbellas Dünen erbaute Gebäudekomplex Banana Beach, in dem 300 der 500 Wohnungen illegal waren, da sie zudem noch zu nahe am Meeresufer lagen. Banana Beach galt als aussichtsloser Fall. Bei vielen anderen Gebäuden konnte man mit den Bauunternehmen über Ausgleichsflächen verhandeln, in denen nun die vorenthaltenen Parks, Spielplätze, Schulen und Krankenhäuser gebaut werden sollten. Doch wurde mittlerweilen bekannt, dass Marbella nicht nur pleite war, sondern auch rund 350 Millionen Euro Schulden angehäuft hatte. Die Wut der Bewohner Marbellas kochte abermals hoch.
Derweil wurden in einer zweiten und dritten Phase der Operation Malaya auch der vom Kellner zum (Ex-)Bürgermeister mutierte Munoz und einige Baulöwen verhaftet. Das sichergestellte Vermögen erhöhte sich auf über vier Millarden Euro, was anhand der Schulden Marbellas eine Gesetzesänderung nach sich zog, in der nun das bei den Angeklagten sichergestellte Vermögen verkauft und zur Schuldentilgung hergenommen werden konnte. Am Ende der Operation Malaya wurde 86 Personen der Prozess gemacht. Allen voran Roca, der Drahtzieher des Millardenskandals, der es nie zuvor zu einer Schlagzeile gebracht hatte, sich jedoch mehr bereicherte als alle anderen Angeklagten zusammen. Er hatte alleine über 200 Immobilien in ganz Spanien in seinem Besitz, welches er durch unzählige Scheinfirmen zu vertuschen versuchte.
In Marbella gab es etwa 1.000 Fälle nicht legalisierbarer Immobilien, über die die Abrissbirne schwang. In all diesen Fällen handelte es sich um nicht fertiggestellte Gebäude beziehungsweise um illegale Bauten, die direkt den Drahtziehern gehörten. Etwa 18.000 von insgesamt 20.000 Schwarz-Immobilien konnten nachträglich legalisiert werden. Sehr zur Erleichterung vieler deutscher Immobilienbesitzer in Marbella. Vor wenigen Tagen kündigte zudem Angeles Munoz Orios (49) in ihrer Eigenschaft als neue Bürgermeisterin Marbellas an, auch den symbolträchtigen Banana-Beach-Komplex zu legalisieren. Man wolle keinem Besitzer einer bereits fertig gestellten Immobilie zumuten, diese zu verlieren. Dies bedeute jedoch nicht, dass man den Fall juristisch zu den Akten läge, denn die Schuldigen würden voll zur Verantwortung gezogen. Das bekommen zur Zeit auch Roca, Munoz, Yagüe & Co. zu spüren, für die für jeden einzelnen Verstoß der Prozess gemacht wird. So sammeln sich bereits viele Jahre an, vor allem bei Roca, und ein Ende der Verurteilungen ist noch lange nicht in Sicht.
Erfreulich ist, dass hierbei nicht das letzte Glied in der Kette, der private Immobilienanleger und Häuslebauer, bestraft wurde, sondern wirklich die Hauptschuldigen gefasst wurden. Und das ohne Rücksicht auf große Namen und Ämter. Die Stadt scheint heute von der Korruption befreit zu sein, was man auch dadurch ablesen kann, dass die High-Society-Parties im Ocean Club wieder ein wichtigeres Thema sind als die Lokalpolitik. Bürgermeisterin Munoz Orios war übrigens die einzige nicht verdächtige Bürgermeisterkandidatin der letzten Wahlen vor dem Skandal und bemüht sich darum, die Stadt wieder zu altem Glanz zu verhelfen. Marbella ist heute Vorbild im Kampf gegen den Verkauf und Import von gefälschten Markenartikeln in Spanien und hat sich im Poker um das Daviscup-Halbfinale gegen Deutschland (10. bis 12. Juli 2009) wegen seines Prestiges, der Infrastruktur und der für spanische Spieler optimalen Ausgangslage auf Meeresniveau durchgesetzt. Ganz ohne Schmiergeld.
Quelle: GoMoPa (www.gomopa.net / GoMoPa-Korrespondent Eric Laubach, Malaga)