Tsipras als neuer Ministerpräsident Griechenlands vereidigt
Archivmeldung vom 26.01.2015
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Chef des linken Syriza-Bündnisses, Alexis Tsipras, ist als neuer Ministerpräsident Griechenlands vereidigt worden. Er werde die Interessen der griechischen Bevölkerung wahren, versprach Tsipras am Montag bei der Zeremonie am Sitz des Staatspräsidenten in Athen.
Das Bündnis war als stärkste Kraft aus der Parlamentswahl am Sonntag hervorgegangen, hatte die absolute Mehrheit aber knapp verpasst. Deshalb geht Syriza nun eine Koalition mit der national-konservativen und rechtspopulistischen Partei "Unabhängige Griechen" ein. Während Syriza auf 149 der 300 Sitze im Parlament kommt, konnten die "Unabhängigen Griechen" 13 Mandate erringen.
Am Rande der Wahlen war es zu mehreren Zwischenfällen gekommen, ein Abgeordneter der rechtsextremen Partei "Die Morgenröte" sei vor einem Wahllokal angegriffen worden.
Syriza will Koalition mit Rechtspopulisten
Das linke Syriza-Bündnis, das bei den griechischen Parlamentswahlen am Sonntag stärkste Kraft wurde, will mit der rechtspopulistischen Partei "Unabhängige Griechen" koalieren. Beide Parteien wollten eine gemeinsame Regierung bilden, sagte ein Sprecher des Syriza-Bündnisses und der Chef der national-konservativen "Unabhängigen Griechen", Panos Kammenos. "Wir werden einen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras unterstützen", sagte Kammenos nach einem Treffen am Montag.
Spätestens am Dienstag soll zudem die Zusammensetzung des neuen Kabinetts bekanntgegeben werden, berichtet das staatliche Fernsehen Griechenlands. Die beiden Parteien hatten im Wahlkampf mit der Forderung um Stimmen geworben, dass die Sparpolitik in dem Euro-Krisenland sofort beendet werden müsse.
Syriza hatte bei den Parlamentswahlen die absolute Mehrheit knapp verpasst: Das Bündnis hatte bei der Wahl am Sonntag 36,4 Prozent der Stimmen erreicht. Die konservative Nea Dimokratia des amtierenden Ministerpräsidenten Antonis Samaras kam auf 27,8 Prozent. 250 der 300 Sitze im griechischen Parlament werden in einfacher Verhältniswahl vergeben. Die stärkste Partei erhält laut griechischem Wahlrecht einen Zuschlag von 50 Sitzen.
Unions-Chefhaushälter Barthle mahnt Syriza-Chef zur Mäßigung
Der Chefhaushälter der Unions-Bundestagsfraktion, Norbert Barthle (CDU), hat den griechischen Syriza-Chef Alexis Tsipras angesichts seiner Forderung, den Geldgebern einen Verzicht auf einen Großteil der Staatsschulden von rund 318 Milliarden Euro abzuringen, zur Mäßigung aufgefordert. "Die derzeitige schwierige Lage in Griechenland allein bei denen abzuladen, die das Land vor kurzem vor dem Bankrott gerettet haben, halte ich auch vor dem Hintergrund der nun zu führenden Gespräche für problematisch", sagte Barthle dem "Handelsblatt" (Online-Ausgabe). Einen weiteren Schuldenschnitt werde es jedenfalls nicht geben, betonte der CDU-Politiker.
Barthle begründete die harte Haltung damit, dass man Griechenland bereits sehr weit entgegengekommen sei. "Europäische Steuerzahler haften für einen großen Teil der griechischen Schulden", sagte der CDU-Haushälter. Griechenland zahle hingegen derzeit keine Zinsen und keine Tilgung für die europäischen Hilfskredite. "Ein weiterer Schuldenschnitt würde daher auch keine Entlastung bringen."
Als falsch bezeichnete Barthle die Behauptung, dass die Troika Griechenland einseitig zum Sparen gezwungen habe. "Die Stärkung der Wachstumskräfte der griechischen Wirtschaft ist schon jetzt ein wichtiger Schwerpunkt des Anpassungsprogramms", sagte er. "Aber Reformen müssen auch umgesetzt werden."
Der CDU-Wirtschaftspolitiker Klaus-Peter Willsch fürchtet, dass Tsipras versuchen werde, die Euro-Zone zu spalten. "Wenn sich die Bundesregierung weichkochen lässt, hätte das verheerende Auswirkungen", warnte der Bundestagsabgeordnete im Gespräch mit dem "Handelsblatt" (Online-Ausgabe). "Unweigerlich würden andere Schuldenstaaten auch auf Milderung hoffen." Die Bundesregierung müsse deshalb deutlich machen, dass es griechische Regierungen gewesen seien, die das Land heruntergewirtschaftet hätten. Und es sei die griechische Regierung gewesen, die mit der Troika ein Reformprogramm ausgehandelt habe. "Der griechischen Propaganda vom deutschen Diktat muss endlich entgegen getreten werden", forderte Willsch. "Wenn Griechenland sich nicht an die vertraglichen Vereinbarungen halten will, müssen findige EU-Juristen einen Weg finden, wie Länder wieder aus der Euro-Zone ausscheiden können."
Willsch hält einen Euro-Austritt notfalls auch über den Austritt aus der Europäischen Union für denkbar, indem Griechenland für eine "logische Sekunde" austrete und sofort wieder beitrete, ohne sich erneut der gemeinsamen Währung anzuschließen.
Gabriel nach Griechenland-Wahl: Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen
Als Konsequenz aus der Parlamentswahl in Griechenland hat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) die schwarz-rote Regierung vor einer "Wiederholung der Fehler 2009 und 2010" gewarnt. Damals habe "die Bundesregierung erst die Parole ausgegeben: `Kein Cent für Griechenland` und dann doch Milliardenkredite gegeben. Wir müssen den Menschen die Wahrheit sagen", sagte Gabriel der "Bild" (Dienstag).
"In Griechenland und in Deutschland. Die Anstrengungen in Griechenland, die Schulden zu reduzieren und das Land aufzubauen, müssen weiter gehen. Und dann gehen auch unsere europäischen und deutschen Hilfen weiter. Denn uns Deutschen geht es am Ende nur gut, wenn es Europa gut geht."
Ökonom hält Euro-Austritt Griechenlands für verkraftbar
Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, hält einen möglichen Euro-Austritt Griechenlands für verkraftbar. "Die Euro-Zone käme ohne Griechenland aus, umgekehrt wäre das weniger vorstellbar, da der Wohlstandsverlust eines Austritts für die Griechen dramatisch wäre", sagte Hüther der "Welt".
"Ein Austritt aus der Euro-Zone ist zwar immer noch wenig wahrscheinlich, aber anders als vor zwei, drei Jahren nicht mehr undenkbar, da die Kollateralschäden angesichts der Stärke der anderen Krisenländer und der neuen europäischen Institutionen viel geringer sind", sagte Hüther weiter.
Der Wirtschaftsflügel der Union erteilte Forderungen von Wahlsieger Alexis Tsipras nach einem Schuldenschnitt eine klare Absage: "Athen muss seine Verpflichtungen gegenüber den Partnern ohne jegliche Abstriche erfüllen. Ohne tiefgreifende Reformen wird das Land nicht aus der Krise herauskommen", sagte Hans Michelbach, Chef der CSU-Mittelstandsunion. "Einen zweiten Schuldenschnitt wird es gewiss nicht geben."
Friedrich warnt Griechenland vor Reformstopp und Schuldenschnitt
Nach dem Wahlsieg des Linksbündnisses Syriza warnt die Union die neue Regierung in Athen vor der Aufgabe des Sparkurses und lehnt weitere Lasten für die deutschen Steuerzahler ab: "Die Griechen haben das Recht zu wählen, wen sie wollen. Wir haben das Recht, die griechischen Schulden nicht weiter finanzieren zu müssen", sagte Unions-Fraktionsvize Hans-Peter Friedrich (CSU). "Die Griechen müssen jetzt die Konsequenzen selber tragen und können sie nicht dem deutschen Steuerzahler aufbürden." Zufrieden äußerte sich die Linkspartei-Vorsitzende Katja Kipping. Sie sagte der Zeitung: "Wir hoffen jetzt auf einen roten Frühling für Europa. Das Ergebnis ist eine klare Absage an das Kürzungsdiktat, das eine soziale Katastrophe und volkswirtschaftlich unverantwortlich ist."
Bosbach erwartet zähes Ringen um künftigen Kurs Griechenlands
Wolfgang Bosbach (CDU), Vorsitzender des Bundestags-Innenausschusses, erwartet nach dem Linksruck in Griechenland ein zähes Ringen um den zukünftigen politischen Kurs in dem Krisenland. "Es ist seit langer Zeit zu beobachten, dass die griechische Bevölkerung den Sparkurs der Regierung Samaras nicht mehr mittragen will", sagte Bosbach in einem Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Alexis Tsipras stehe vor einer schwierigen Aufgabe: "Seine Versprechungen im Wahlkampf haben eine ungeheure Erwartungshaltung bei den Griechen produziert. Das fantastische Wahlergebnis für sein Linksbündnis Syriza bestätigt diesen Kurs. Wenn er davon nun doch am Ende deutlich abweichen muss, wäre die Enttäuschung umso größer", erläuterte der CDU-Politiker. Schon heute seien die Finanzhilfen und die Kreditkonditionen der Europäischen Union für Griechenland ausgesprochen großzügig, so Bosbach: "Die Zinsen sind minimal, die Laufzeiten maximal. Vertragsuntreue darf nicht honoriert werden", betonte der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses. "Das wäre auch ein völlig falsches Signal an andere Krisenländer, die dann Gleiches erwarten würden", warnte Bosbach.
Lindner warnt Athen: "Solidarität nicht überfordern"
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner hat die künftige griechische Regierung davor gewarnt, überzogene Forderungen an die Euro-Partner zu stellen. "Jede neue Regierung in Athen muss wissen, dass die europäische Hilfe an die Gegenleistung von Reformen gebunden ist", sagte Lindner der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" (WAZ). "Solidarität würde überfordert, wenn Reformbereitschaft unterfordert wird. Die Euro-Zone hat in den letzten vier Jahren Fortschritte erzielt, die jetzt nicht gefährdet werden dürfen."
AfD für Schuldenschnitt und Austritt Griechenlands aus Euro-Zone
Die euro-kritische Partei "Alternative für Deutschland" setzt sich nach dem Sieg des linksgerichteten Bündnisses Syriza in Griechenland für einen Schuldenschnitt ein. Allerdings müsste das Land dann auch die Euro-Zone verlassen, so AfD-Vorsitzender Bernd Lucke. "Nun will Syriza den Euro nicht in Frage stellen, sondern verlangt Schuldenstreichung und weitere Kredite. Das passt nicht zusammen", so Lucke. Ein Austritt sei das Mittel für Athen, um die wirtschaftlichen Probleme des Landes zu beheben und der Massenarbeitslosigkeit entgegenzuwirken.
Der Euro geriet nach dem Syriza-Sieg unter Druck und fiel unter die Marke von 1,12 US-Dollar.
Weidmann: Griechenland weiter auf Hilfsprogramm angewiesen
Bundesbankpräsident Jens Weidmann sieht trotz des sich abzeichnenden Wahlsieges des links-gerichteten Syriza-Bündnisses Griechenland weiter in Abhängigkeit zum EU-Hilfsprogramm. "Klar ist, dass Griechenland auch weiterhin auf die Unterstützung durch ein Hilfsprogramm angewiesen sein wird und das heißt natürlich auch, dass es ein solches Programm auch nur geben kann, wenn die Verabredungen auch eingehalten werden", sagte Weidmann im "Bericht aus Berlin". Es sei im Interesse jeder griechischen Regierung, strukturelle Probleme anzugehen. Eine neue Regierung dürfe "keine illusionären Versprechungen" machen, die das Land sich nicht leisten könne. Weidmann wandte sich gegen einen weiteren Schuldenschnitt. "Ich glaube, wir dürfen nicht vergessen, dass es bereits zwei Schuldenschnitte gegeben hat. "
Quelle: dts Nachrichtenagentur