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Wettlauf gegen den Tod

Archivmeldung vom 04.02.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.02.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Es war Mitte der 1990er Jahre, als Dr. Michael Schiffmann, heute Dozent am Anglistischen Seminar der Heidelberger Ruprecht-Karls-Universität, während seines Studiums das erste Mal wirklich intensiv mit dem Fall des in den USA zum Tode verurteilten Mumia Abu-Jamal konfrontiert wurde.

Irgendwie ließ in die Problematik um den Mord an einem Polizisten in Philadelphia, für den Abu-Jamal verurteilt wurde, nicht los. Kein Wunder, dass sich Michael Schiffmann auch bei seiner Dissertation damit beschäftigte, indem er der Frage nachging, warum der Fall Abu-Jamal weltweit so viel Aufmerksamkeit erregt.

In den frühen Morgenstunden des 9. Dezember 1981 war der Polizist Daniel Faulkner im Zentrum von Philadelphia zunächst angeschossen und durch einen zweiten Schuss getötet worden. In unmittelbarer Nähe fanden die zum Tatort gerufenen Polizeibeamten den ebenfalls durch einen Schuss lebensgefährlich verwundeten, bekannten radikalen farbigen Radiojournalisten Mumia Abu-Jamal. Dieser wurde festgenommen und im folgenden Jahr in einem Verfahren, das von der Staatsanwältin Arlene Fisk als einer der berühmtesten Mordprozesse in der Geschichte Philadelphias bezeichnet wurde, zum Tode verurteilt.

"Bei Abu-Jamal vereinen sich alle Punkte, welche die Todesstrafe so fragwürdig erscheinen lassen", fasst Michael Schiffmann das Ergebnis seiner 2004 angenommenen Doktorarbeit zusammen, auf der auch das von ihm verfasste Buch "Wettlauf gegen den Tod" beruht. Kurz vor Fertigstellung des Buches, genauer gesagt im Mai des Jahres 2006, machte Michael Schiffmann dann eine nahezu sensationelle Entdeckung. Bei weiteren Recherchen für das Buch stieß er im Internet auf zwei bisher unbekannte Fotos zu dem Mordfall, die zusammen mit der Entdeckung weiterer Fotos die vor mehr als 20 Jahren stattgefundenen Ermittlungen zumindest zweifelhaft erscheinen lassen.

Die Fotos waren auf einer Internetseite erschienen, die Propaganda gegen Abu-Jamal machte. Michael Schiffmann konnte den Fotografen, Pedro P. Polakoff III, leicht ausfindig machen, denn dessen Name war auf den Aufnahmen verzeichnet. Er rief ihn an, und Polakoff erinnerte sich durchaus an den Fall. Er war damals als freier Fotograf, der seine Fotos an Zeitungen verkaufte, unterwegs und hörte im Autoradio von dem Mord. Bereits zehn bis zwölf Minuten nach der Tat, noch vor dem Eintreffen der Polizeibeamten von der Spurensicherung, war er am Tatort und machte insgesamt 26 Aufnahmen. Drei der Bilder erschienen in der Presse und Polakoff, der übrigens keinerlei Zweifel an der Täterschaft Abu-Jamals hegte, bot seine Fotos auch der Staatsanwaltschaft an, die diese aber nicht verwendete.

"Die Fotos von Polakoff stimmen nicht mit der von der Staatsanwaltschaft beim Prozess vorgebrachten Version des Tathergangs überein", erläutert Michael Schiffmann die Bedeutung der Aufnahmen, die er auch den Verteidigern Abu-Jamals zur Verfügung stellte. Da ist beispielsweise die Polizeimütze des ermordeten Polizisten Faulkner, die sich auf dem Dach des Fahrzeugs von Abu-Jamals Bruder befindet, auf den offiziellen Polizeifotos aber auf dem Bürgersteig neben der Beifahrertür des Fahrzeugs liegt. Oder die Aufnahmen, die zeigen, dass der Polizeibeamte James Forbes die beiden sichergestellten Waffen, darunter die angebliche Tatwaffe, in der bloßen Hand hält und somit Spuren verwischt.

"Ich bin der Ansicht, dass Mumia Abu-Jamal freigelassen werden muss", ist sich Michael Schiffmann nicht nur aufgrund der neuen Beweise sicher. Unterdessen ist der Fall auch Thema des Dokumentarfilms "In Prison My Whole Life", der jüngst bei dem berühmten Sundance-Filmfestival gezeigt wurde und für den Schiffmann als Berater fungierte. Über das Schicksal "eines der berühmtesten Gefangenen der Welt seit Nelson Mandela", so Abu-Jamals Biograf Terry Bisson, beschließt übrigens ein derzeit tagendes Berufungsgericht in den USA, das seine Entscheidung wohl in der nächsten Zeit bekannt geben wird. So es gibt viele Gründe, auf den Ausgang des Falles Abu-Jamal gespannt zu sein.

Quelle: Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg (von Stefan Zeeh)


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