Geheime TTIP-Papiere: Schlimmste EU-Albträume könnten wahr werden
Archivmeldung vom 02.05.2016
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittBei den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen setzen die Vereinigten Staaten ihre europäischen Partner weitaus stärker unter Druck, als bislang befürchtet, berichtet die „Süddeutsche Zeitung“ unter Berufung auf geheime Verhandlungsdokumente.
Die deutsche Ausgabe des russischen online Magazins "Sputnik" berichtet weiter: "Die USA drohten damit, den Autoimport aus den EU-Ländern einzuschränken, sollte die Europäische Union sich weigern, verstärkt landwirtschaftliche Erzeugnisse aus den Vereinigten Staaten einzuführen, schreibt die Zeitung aus München unter Berufung auf Unterlagen, die von Green Peace veröffentlicht wurden.
Washington fordere bei den TTIP-Verhandlungen indes, so die „Süddeutsche“, dass etwaige Verbote erst gelten, wenn ihre schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen wissenschaftlich nachgewiesen worden seien.
Vor der Veröffentlichung der Geheimakten hätten beide Verhandlungsseiten öffentlich bekundet, die USA respektierten die Sorgen der Europäer diesbezüglich. Inzwischen ergebe sich jedoch ein ganz anderes Bild, schreibt das Blatt.
Schon beim kleinsten Risiko setze die EU genmodifizierte Lebensmittel auf die Verbotsliste. Die USA folgten einem anderen Prinzip: „Die Vereinigten Staaten verbieten Lebensmittel erst, wenn jemand gesundheitliche Schäden bereits erlitten hat“, betont die Zeitung.
Die sorgfältige Untersuchung der Geheimdokumente habe gezeigt, dass „nahezu alle Ängste, die im Zusammenhang mit den Absichten der USA hinsichtlich des Lebensmittelmarktes stehen, begründet sind“, sagte Klaus Müller, Vorstand des Bundesverbands Verbraucherzentralle, im Zeitungsinterview.
Dies macht die Zeitung am folgenden Beispiel deutlich: In der Europäischen Union seien 1.382 verschiedene Chemikalien bei der Kosmetikherstellung verboten – in den USA hingegen nur elf.
„Was die Öffentlichkeit bislang von den Verhandlungen mitkriegen konnte, kam einem Alptraum gleich. Jetzt wissen wir, dass die schlimmsten Träume bald wahr werden könnten“, sagte Jürgen Knirsch von Greenpeace.
Dank den Enthüllungen habe die Öffentlichkeit zum ersten Mal seit drei Jahren erfahren können, wie die Verhandlungen über das TTIP-Abkommen zwischen den USA und der Europäischen Union verlaufen seien. Bislang habe man darüber lediglich spekulieren können, resümiert die „Süddeutsche Zeitung“.
Skepsis zu TTIP: „EU-Bürger sind desillusioniert“
Jeder dritte Deutsche lehnt TTIP laut einer Umfrage für die Bertelsmann-Stiftung komplett ab. Jürgen Maier, Geschäftsführer des Forums Umwelt und Entwicklung, sieht hinter den Ergebnissen eine zunehmende Desillusion.
„Man kann diese Skepsis nicht nur in Deutschland, sondern auch überall in der EU sehen. Je mehr die Menschen verstehen, desto kritischer werden sie. Und sie wissen auch: Wenn Politiker etwas verstecken, dann stimmt was nicht“, sagt meint Jürgen Maier, Geschäftsführer des Forums Umwelt und Entwicklung, in einem Interview mit Sputnik. „Man ist desillusioniert, die Versprechungen werden nicht als glaubwürdig wahrgenommen“, fügt er hinzu.
Es gebe eigentlich keine Probleme im Handel mit den USA, die man beheben müsste, so Maier weiter: „Das, was beim Abkommen gemacht wird, ist eher eine Politik von Liberalisierung, die heute nicht mehr populär ist.“
Im Hinblick auf die kommende TTIP-Verhandlungsrunde am 25. April zeigt sich der Experte skeptisch: „Hinter den Kulissen bewegt sich nicht viel. Die Amerikaner und die Europäer müssen ihren Bürgern jeweils Versprechungen machen. Ich bin relativ pessimistisch, dass etwas passiert, dazu sind die Fronten relativ festgefahren.“
„Ich glaube, aus dem Abkommen wird nichts mehr. Die Versuche, es noch unter Obama zu beenden, sind völlig unrealistisch. So ein Abkommen dauert viel länger. Man sollte ehrlich sagen: Der Versuch ist misslungen“, schlussfolgert Maier. Als Geschäftsführer des Forums Umwelt und Entwicklung glaube er außerdem, ein Weltmarkt für Milch sei keine gute Idee. Man brauche eine öffentliche demokratische Diskussion und eine neue Festsetzung von Prioritäten.
Angst vor TTIP-Folgen: Ablehnung unter Deutschen und Amerikanern wächst
Deutsche und Amerikaner stehen dem Freihandelsabkommen TTIP laut einer Umfrage der Bertelsmann Stiftung immer skeptischer gegenüber. Der Hochrechnung zufolge lehnt jeder dritte Deutsche das geplante Abkommen komplett ab, die Zustimmung der US-Bürger ist von 50 Prozent auf nur 15 Prozent gesunken, wie Zeit Online berichtet.
Dabei bewerten nur 17 Prozent der befragten Deutschen TTIP als positiv, so das Online-Portal der Zeit. Etwa die Hälfte der Befragten habe sich weder klar dagegen noch dafür geäußert. Vor zwei Jahren habe die Zahl der TTIP-Befürworter in Deutschland noch bei 55 Prozent gelegen, nur jeder Vierte sei dagegen gewesen.
In den USA wachse die Zustimmung für den Freihandel als solchen zwar an, das gelte aber nicht für TTIP. Nur 15 Prozent seien heute noch dafür, 2014 habe der Zustimmungswert für TTIP noch über 50 Prozent gelegen.
Als Grund für die wachsende Skepsis nennen die Studienautoren die Angst vor Verschlechterungen bei Produktstandards, Verbraucherschutz und Arbeitsmarkt. Die TTIP-Gegner – sowohl in den USA als auch in Deutschland – klagen vor allem über ein Informationsdefizit zu dem Freihandelsabkommen.
Mit TTIP würde laut Zeit Online die größte Freihandelszone der Welt mit 800 Millionen Menschen entstehen. Durch den Wegfall von Zöllen und anderen Handelshemmnissen soll auf beiden Seiten des Atlantiks das Wachstum angekurbelt werden."
Quelle: Sputnik (Deutschland)