USA erhöhen Druck auf deutsche Auftragnehmer von Nord Stream 2
Archivmeldung vom 27.07.2020
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Freigeschaltet durch André OttDie USA haben in dieser Woche mit deutschen und europäischen Auftragnehmern des umstrittenen russischen Pipeline-Projektes "Nord Stream 2" Einzelgespräche per Videokonferenz geführt, um auf die weitreichenden Konsequenzen einer weiteren Mitarbeit am Projekt hinzuweisen.
Die Firmen waren dabei zum Teil mit bis zu zwölf US-Vertretern aus den drei US-Ministerien State Department (Außen), Treasury (Finanzen) und Energie konfrontiert, berichtet die "Welt am Sonntag" unter Berufung auf einen Gesprächsbeobachter. Die US-Vertreter hätten "in freundlichem Ton sehr deutlich gemacht, dass sie die Fertigstellung der Pipeline verhindern wollen", zitiert die Zeitung einen Beobachter der Gespräche: "Ich glaube, dass die Drohung sehr, sehr ernsthaft ist."
Die Vereinigten Staaten hatten vergangene Woche die Ausführungsbestimmungen des Sanktionsgesetzes CAATSA (Countering America`s Adversaries Through Sanctions Act) zum 15. Juli juristisch scharf geschaltet. Damit droht den Unternehmen und ihren Banken bei einer weiteren Beteiligung am Pipelinebau unter anderem der vollständige Ausschluss vom US-Markt und Einreiseverbote für die Mitarbeiter. US-Außenminister Mike Pompeo hatte auf einer Pressekonferenz in Washington das Ziel der Maßnahme für die betroffenen Unternehmen so zusammengefasst: "Steigen Sie jetzt aus oder tragen Sie die Konsequenzen."
Der deutsche Energiekonzern Uniper stellte auf Nachfrage der "Welt am Sonntag" "mit Bedauern fest, dass die USA mit der angekündigten Überarbeitung der CAATSA-Leitlinien weiterhin versuchen, ein wichtiges Infrastrukturprojekt zu untergraben, das unserer Meinung nach für die Energiesicherheit Europas wichtig ist".
Dies sei "ein klarer Eingriff in die europäische Souveränität". Etwaige Gespräche mit US-Vertretern und deren Inhalt behandele man jedoch vertraulich. Andere Unternehmen wollten sich gar nicht zu dem Vorgang äußern. "Das Auswärtige Amt hat Kenntnis darüber, dass die US-Seite Gespräche mit deutschen Unternehmen führt, um die CAATSA Durchführungsbestimmungen zu erläutern", bestätigte das deutsche Außenministerium auf Nachfrage: "Das Auswärtige Amt ist mit den Unternehmen dazu ebenfalls in Kontakt." Es stelle eine "neue, traurige Qualität" dar, "wenn die USA ohne nennenswerte Konsultation der Bundesregierung deutschen Unternehmen Sanktionen androhen", sagte Michael Harms, Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft.
"Wenn wir uns von Drittstaaten unsere Energiepolitik diktieren lassen, ist das ein gefährlicher Präzedenzfall: Das gleiche kann ja übermorgen auch den Chinesen einfallen." Amerikanische Vorhaltungen, Deutschland finanziere durch seine Gaskäufe die russische Rüstungsindustrie, seien "unfair" und "nahe an fake news", kritisierte Harms. Die USA hätte ein weit höheres Handelsdefizit mit Russland als Deutschland - und dies basiere ebenfalls hauptsächlich auf US-Öl-, zum Teil auch Gaskäufen in Russland. "Wenn es darum gehen würde, Russland zu schwächen und Einnahmen zu verringern, hätten die USA also wunderbare Möglichkeiten dazu im eigenen Land", kritisierte Harms.
"Stattdessen beschließt man Sanktionsgesetze, die praktisch ausschließlich auf europäische Kosten gehen." Für den Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Markus Pieper, sind die US-Sanktionsdrohungen "ein eindeutiger Verstoß gegen alles, was wir unter Handelsrecht verstehen". Durch die jüngste Ausweitung des Sanktionsgesetzes CAATSA "werden deutsche Firmen jetzt auf eine Stufe mit dem Iran gestellt", kritisierte Pieper: "Da hört der Spaß langsam auf." Deutschland und Europa müssten "dringend eine Gegenstrategie entwickeln".
Quelle: dts Nachrichtenagentur