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G20-Treffen – Weltverbesserer dürfen nicht punkten

Archivmeldung vom 23.11.2020

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.11.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Anja Schmitt
Königreich Saudi-Arabien übernimmt den G20-Vorsitz für 2020
Königreich Saudi-Arabien übernimmt den G20-Vorsitz für 2020

Bild: PRNewswire

Die Globalisierung ist am Ende – dies hat das Online-Treffen der G20 am vergangenen Wochenende überdeutlich illustriert. Die Ent-Globalisierung ist in einer Welt nach Corona keine Möglichkeit mehr, sondern eine Tatsache. Darüber berichtet das online Magazin "Sputnik".

Weiter heißt es hierzu in einem Bericht von Iwan Danilow auf deren deutschen Webseite: "Gemeinsame Probleme, von der Corona-Pandemie bis zur globalen Wirtschaftskrise, bestehen, aber gemeinsame Lösungen dafür gibt es in der G20 nicht. Es fehlen nicht nur Problemlösungen, auch eine gemeinsame Strategie zu deren Erarbeitung hat die G20 bislang nicht präsentiert. Ja, es gibt nicht einmal eine gemeinsame Sprache, um die Strategie zu diskutieren.

Der Grund dafür ist, dass der Umgang der Länder miteinander auf globaler Ebene längst zu einem Nullsummenspiel verkommen ist. Erfolg hat nur, wer seine Konkurrenten vernichtet, wer bereit ist, eigene Interessen zu opfern, damit auch ja kein Rivale vor den Augen der Weltöffentlichkeit wirtschaftlich oder politisch punkten kann.

Der chinesische Staatschef hat auf dem virtuellen G20-Gipfel vorgeschlagen, einen digitalen Mechanismus einzuführen, der den grenzüberschreitenden Menschen- und Warenverkehr wieder hürdenfrei ermöglichen würde: Ein testbasierter QR-Gesundheitscode soll zur Erholung des Welthandels und Tourismus beitragen und somit die globale Wirtschaft wieder in Gang bringen.

„Ich hoffe“, sagte Xi Jinping, „dass so viele Länder und Weltregionen wie möglich sich daran beteiligen werden.“

Es ist, objektiv betrachtet, eine akzeptable Idee, einem Urlauber oder Geschäftsreisenden per „digitales Attest“ einen guten gesundheitlichen Zustand zu bescheinigen und folglich den quarantänefreien Grenzübertritt zu erlauben. Aber umgesetzt wird diese Idee aller Voraussicht nach nicht.

Nicht, dass die praktische Umsetzung problematisch wäre. Das Problem ist deren Urheber, der chinesische Staatspräsident: Aus der Sicht westlicher Politiker ist es im Grundsatz ausgeschlossen, sich auf einen Vorschlag der chinesischen Führung einzulassen, der dann auch noch aller Welt einmal mehr vor Augen führen würde, wie gut die Chinesen in der IT vorangekommen sind.

In einem anderen Vorschlag auf dem virtuellen G20-Gipfel ging es um diearmer Länder mit Corona-Impfstoffen. Es stehe außer Frage, dass die Impfstoffe „ein allgemeines, gesellschaftliches Gut sind, es sein müssen“, sagte Russlands Präsident Wladimir Putin in der Onlinekonferenz. Russland sei selbstverständlich dazu bereit, den bedürftigen Ländern die von russischen Forschern entwickelten Impfstoffe zur Verfügung zu stellen – die da seien: „Der weltweit erstregistrierte Impfstoff Sputnik V. Auch ein zweiter russischer Impfstoff ist bereits fertig, das EpiVacCorona vom Forschungszentrum in Nowosibirsk. Ein dritter russischer Impfstoff ist im Kommen.“

„Das Ausmaß der Pandemie verlangt von uns den Einsatz aller verfügbaren Ressourcen und Entwicklungen. Es ist unser gemeinsames Ziel, Impfstoffbestände zu bilden und die komplette Erdbevölkerung mit zuverlässigem Schutz zu versorgen“, appellierte der russische Präsident.

„Dies bedeutet, dass es, sehr geehrte Kollegen, genug Arbeit für alle geben wird, und ich glaube, dies ist genau der Fall, wenn Wettbewerb vielleicht unausweichlich ist, wir uns aber vordringlich von humanitären Überlegungen leiten lassen und allein dies als Eckstein nehmen müssen.“

Spinnt man den Vorschlagsfaden gedanklich weiter, müssten zur Versorgung der ärmsten Länder Vorräte an ebenso wirksamen wie kostengünstigen Impfstoffen angelegt werden. Es sollten russische Präparate wie Sputnik V zum Einsatz kommen: Sie sind günstiger als vergleichbare Präparate aus Europa und den USA – und müssen in der Vorratsspeicherung anders als der Impfstoff von Pfizer nicht bei -70 Grad gelagert werden. Dies ist gerade für die Länder Afrikas und Südamerikas ein nicht zu vernachlässigendes Argument.

Doch über wohlfeile Erklärungen hinsichtlich dieser Vorschläge traut sich die G20 nicht hinaus. Der Impfstoff ist ja ein russischer. Da kann Putin an den Humanismus appellieren so viel er will. Dass sein Aufruf in der medial-propagandistischen Kampagne gegen russische und chinesische Impfstoffe gehört wird, ist höchst unwahrscheinlich.

Die Liste der Themen, zu denen es auf dem G20-Gipfel keinen substanziellen Dialog, sondern nur eine Reihe von Monologen gab, ließe sich fortsetzen: Die Reform der WHO, die Währungsschulden der Entwicklungsländer, die globale Neigung zum Protektionismus… Die Position der westlichen Staats- und Regierungschefs bleibt stets die Gleiche: Viel reden, wenig zuhören und alle dazu auffordern so zu werden „wie wir“, damit alles besser werde. Daran wird sich auch mit dem neuen US-Präsidenten wahrscheinlich wenig ändern.

Die fehlende Substanz des G20-Gipfels ist ein augenfälliger Beweis dafür, dass nicht die Rivalität geopolitischer Blöcke und nicht der Amerikazentrismus die Welt von morgen dominieren wird. Wir sind vielmehr auf dem Weg in eine Welt, in der Vereinbarungen nur auf bilateraler zwischenstaatlicher Ebene möglich sein werden.

Rein formal ist die G20 noch am Leben. Praktisch aber erleben wir, wie das aufkommt, was der renommierte US-Politologe Ian Bremmer als eine „Welt G0“ bezeichnet hat: eine Welt von vielen Einzelnen, die auf sich allein gestellt sind. Die Beschleunigung dieses Wandels ist wahrscheinlich die schwerste Folgeerscheinung des Coronavirus. "

* Die Meinung des Autors muss nicht der der Redaktion entsprechen.

Quelle: Sputnik (Deutschland)

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