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Bulgarien: Illegale Migration durch tausendfachen Verkauf von EU-Pässen

Archivmeldung vom 10.11.2018

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 10.11.2018 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Fotomovimiento, on Flickr CC BY-SA 2.0
Bild: Fotomovimiento, on Flickr CC BY-SA 2.0

In Sofia wurde der Chef der Staatlichen Agentur für im Ausland lebende Bulgaren verhaftet. Ihm und anderen Mitarbeitern wird tausendfacher illegaler Verkauf von Nachweisen zum Erlangen von EU-Pässen angelastet. Es ist das dritte Mal seit 2010, dass die SABA mit diesen Praktiken auffällt. Jedes Mal ließ die EU Sofia ungeschoren davonkommen. Dies berichtet Andreas Peter auf der deutschen Webseite des russischen online Magazins "Sputnik".

Weiter ist in seinem Beitrag zu lesen: "Der Skandal ist vermutlich viel größer, als es auf den ersten Blick erscheint. Denn, wenn die Nachrichten aus der bulgarischen Hauptstadt zutreffen, dann hat die Europäische Union nun schon zum dritten Mal innerhalb von acht Jahren tatenlos zugesehen, wie eine bulgarische Staatsbehörde illegale Zuwanderung in die EU durch massenhafte, rechtswidrige Ausstellung von Pässen immer wieder möglich machte.

Verschiedene Medien in Sofia bestätigten, dass Petar Haralampiev, Leiter der Staatlichen Agentur für im Ausland lebende Bulgaren (SABA — Abkürzung für: State Agency for Bulgarians Abroad; im bulgarischen Original: ДАБЧ — Държавната агенция за българите в чужбина), zusammen mit ihrem Generalsekretär, Krassimir Tomov, und weiteren 20 Mitarbeitern seiner Behörde verhaftet wurde. Sie werden beschuldigt, in mehreren tausend Fällen, gegen Zahlung von mindestens 5.000 Euro, Bescheinigungen über eine eigentlich nicht vorhandene bulgarische Abstammung verkauft zu haben, die für die Ausstellung eines EU-Passes erforderlich ist.

Bulgarische Medien berufen sich sowohl auf den stellvertretenden bulgarischen Generalstaatsanwalt Ivan Geshev als auch auf den stellvertretenden Chef der Anti-Korruptions-Kommission, Anton Slavchev, wonach dem Zugriff in SABA-Büros in Sofia, Kyustendil und Pleven viermonatige Ermittlungen vorausgingen. Demnach seien allein in den zurückliegenden Monaten wöchentlich zwischen 30 und 40 Abstammungsnachweise ausgestellt worden, für die von Interessenten zwischen fünf- und achttausend Euro bezahlt werden mussten. Damit könnte die Summe, die von der mutmaßlichen Bande innerhalb der Behörde SABA erbeutet werden konnte, zwischen 7,8 und 16,6 Millionen Euro liegen.

Auch für die Inhaber der zu Unrecht erlangten bulgarischen Pässe ist die offenbar penetrante kriminelle Energie bulgarischer Staatsbeamter Geld wert. Denn mit ihren illegalen Pässen können sie sich in der EU frei bewegen und arbeiten. Nach Angaben der bulgarischen Generalstaatsanwaltschaft haben vor allem Menschen aus der Ukraine, Moldawien und Mazedonien, aber auch aus Serbien und Albanien solche Pässe erworben. In all diesen Staaten gibt es eine bulgarische Minderheit, was den Betrug möglicherweise plausibler erscheinen lassen sollte.

Die bulgarische Justizministerin Tsetska Tsacheva legte während einer Fragestunde im bulgarischen Parlament im Juni 2018 einige detailliertere Zahlen für das laufende Jahr vor. So hätten seit Jahresbeginn 2018 bis zum damaligen Zeitpunkt nahezu 19.000 Personen eine Bescheinigung über ihre bulgarische Abstammung beantragt. Mehr als die Hälfte stammte aus Mazedonien (über 10.000). Das Justizministerium teilte dem Parlament ebenfalls mit, dass in den vergangenen 15 Jahren 116.000 Menschen die bulgarische Staatsbürgerschaft aufgrund eines Abstammungszertifikats durch die SABA erhalten hätten.

Vielleicht ist es kein Zufall, dass über die Zahl der bulgarischen Staatsbürger innerhalb und außerhalb Bulgariens äußerst widersprüchliche Angaben existieren. Wenn es keine verlässlichen Zahlen gibt, lässt sich vielleicht auch leichter betrügen, wenn es um angebliche oder tatsächliche bulgarische Abstammungen geht. Die offizielle Einwohnerzahl Bulgariens wurde von der EU-Statistikbehörde Eurostat am 01.01.2018 mit etwas mehr als sieben Millionen angegeben. Kurz vor dem Ende des Sozialismus in Bulgarien lag die Einwohnerzahl knapp unter neun Millionen. Bulgarische Behörden haben in den zurückliegenden Jahren einander widersprechende Zahlen veröffentlicht, wonach zwischen 2,3 und drei Millionen Bulgaren das Land seit 1989 verlassen haben sollen, was angesichts der offiziellen Einwohnerzahlen 1989 und jetzt wenig glaubwürdig klingt.

Der jetzt inhaftierte Chef der Behörde SABA erklärte in einem Interview für die Tageszeitung „Trud“ im März 2018, es gäbe mehr als sechs Millionen Bulgaren, die außerhalb des eigentlichen Staatsterritoriums leben würden. Das erscheint noch willkürlicher. Denn Eurostat bezifferte 2011 die Zahl der in Bulgarien geborenen Menschen, die um den Globus verstreut leben, mit 1.023.248.

Als Bulgarien 2007 EU-Mitglied wurde, schossen die Zahlen der neuen Staatsbürger des Balkanlandes regelrecht nach oben. Die inzwischen eingestellte Zeitung „Southeast European Times“, die interessanterweise vom US-Oberkommando für Europa USEUCOM herausgegeben wurde, berichtete im August 2006 von einem Massenandrang, vor allem aus Mazedonien, bei der schon erwähnten bulgarischen Behörde SABA.

In der Antwort auf eine Anfrage des SVP-Nationalrates Hans Fehr räumte der Schweizerische Bundesrat im Februar 2011 ein, dass besonders die Zahl der bulgarischen Einbürgerungen von mazedonischen Staatsbürgern seit dem 1. Juni 2009, dem Tag des Inkrafttretens der EU-Freizügigkeit für Bulgarien, ins Auge stechen würde. Der Bundesrat schrieb seinerzeit: „Die letzten verfügbaren offiziellen Statistiken (Eurostat) von 2008 gehen von 3637 eingebürgerten Personen mazedonischer Herkunft aus (insgesamt 7140). Gemäß Medienaussagen des ehemaligen Ministers für Auslandsbulgaren vom letzten Dezember stieg die Zahl der Einbürgerungen von Personen aus Mazedonien von Januar bis November 2010 auf 10 258 (von insgesamt 14 781)“

Im Dezember 2011 schrieb die bulgarische Zeitung „Trud“ über einen Ansturm mazedonischer Bürger auf bulgarische Pässe. Im Januar 2013 berichtete Radio Bulgaria BNR über rund 18.000 Einbürgerungen zwischen Januar 2012 und Januar 2013, auch hier die Mehrzahl aus Mazedonien. Im Oktober 2013 warnte Karin Traumüller vom Institut für Europarecht, Internationales Recht und Rechtsvergleichung an der Universität Wien in der Tageszeitung „Die Presse“ davor, dass insbesondere das bulgarische Staatsbürgerschaftsrecht eine massenhafte Einbürgerung aus osteuropäischen Nicht-EU-Staaten bedeuten könnte. Traumüller wurde damals mit den Worten zitiert: „Diejenigen, die eine neue Staatsbürgerschaft erwerben, machen es laut Studien oft aus wirtschaftlichen Gründen“. Das könnte mit dem 1. Januar 2014 zusammenhängen. Ab diesem Tag hatten die Bürgerinnen und Bürger Bulgariens auch das Recht, überall in der EU zu arbeiten."

Quelle: Sputnik (Deutschland)

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