Warum gibt es kaum Gegenwind beim UN-Flüchtlingspakt?
Archivmeldung vom 06.12.2018
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSeit Wochen sorgt der sogenannte Migrationspakt für Aufregung. Was bislang kaum bekannt war: Die Vereinten Nationen haben parallel ein zweites Abkommen erarbeitet - den „Globalen Pakt für Flüchtlinge“. Mitte Dezember soll dieser angenommen werden. Doch warum ist der Widerstand im Gegensatz zum UN-Migrationspakt so gering?
Der „Globale Pakt für Flüchtlinge“ soll eine „einmalige Gelegenheit“ sein, internationale Maßnahmen zum Flüchtlingsschutz in langwierigen sowie in neuen Flüchtlingssituationen zu stärken, heißt es auf der Seite des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR). Dieser umfasse vier zentrale Ziele: Der Druck auf die Aufnahmeländer soll gemindert, die Eigenständigkeit und Widerstandsfähigkeit von Flüchtlingen soll gefördert, der Zugang zu „Resettlement“ (deutsch: Umsiedlung) und anderen humanitären Aufnahmeprogrammen in Drittstaaten ausgeweitet und Bedingungen gefördert werden, die eine Rückkehr in das Heimatland in Sicherheit und Würde ermöglichen sollen.
Der Flüchtlingspakt beschäftige sich nur mit den Flüchtlingen, wie sie im internationalen Recht definiert sind. Flüchtlinge würden nicht zu Migration gehören, behauptet gegenüber Sputnik der UNHCR-Pressereferent Martin Rentsch: „Sie fliehen vor Krieg, Folter und Menschenrechtsverletzungen. Das unterscheidet sie von Migranten.“ Es gehe darum den Flüchtlingsschutz besser effizienter und systematischer zu machen, betont Rentsch.
„Wir glauben, dass der Pakt auch für ganz viele Aufnahmeländer, auch für Deutschland und andere Staaten auf der Welt von großem Interesse ist, weil er eben Sachen, die in der Vergangenheit nicht so gut gelaufen sind, aber auch Sachen, die gut gelaufen sind, aufs Papier bringt und daraus eine Blaupause erstellt“, erklärt Rentsch. Zum ersten Mal seit der Genfer Flüchtlings Konvention habe man einen Maßnahmenkatalog auf den Weg gebracht, um Flüchtlingssituationen besser meistern zu können, findet der UNHCR-Sprecher. Einen Gegenwind, wie es zum Beispielweise beim UN-Migrationspakt gab, verspüre er nicht.
AfD: „Flüchtlingspakt unterminiert das Recht auf Heimat“
Doch auch der Bundestag hat sich in der letzten Woche auf Verlangen der AfD-Fraktion in einer Aktuellen Stunde mit dem Thema „Parlamentarische Kontrolle gewährleisten – Keine vorgezogene Annahme des Globalen Paktes zu Flüchtlingen in Marrakesch“ befasst. Der aus Kasachstan stammende AfD-Abgeordnete Dr. Anton Friesen bemängelte, dass mit dem Flüchtlingspakt der Vereinten Nationen das „Recht auf Heimat“ unterminiert werde sowie der internationale Pakt „bürgerliche und politische Rechte“ vorsehen soll. Es handle sich um nichts anderes als ein „Umverteilungsprogramm“, mit dem weitere Flüchtlinge nach Deutschland und Europa umgesiedelt werden sollen. 1,2 Millionen Menschen sollen dem UNHCR zufolge ein solches Recht erhalten, erklärte der Politiker. Deutschland sei aber kein „Siedlungsgebiet, sondern Heimat des deutschen Volkes und soll es auch bleiben“. Er fordert die Verankerung des „Rechts auf Heimat“ im Grundgesetz.
Rentsch nennt jedoch andere Ziele, die der Flüchtlingspakt anstrebe. So sei es ein großes Ziel, Aufnahmeländer zu stabilisieren und dort Flüchtlingen zu helfen auf eigenen Beinen zu stehen. „Wir hoffen, dass Flüchtlinge, da wo sie sind, eine Perspektive bekommen, sich integrieren können, Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen und dass Kinder zur Schule gehen können“.
Es sei bemerkenswert, dass, anders als beim Migrationspakt, momentan kaum eine Debatte darüber geführt wird, wundert sich der Migrationsforscher Dr. Oliviero Angeli. Im Sputnik-Interview sagt er: „Ich gehe davon aus, dass rechtspopulistische Regierungen kein besonders ausgeprägtes Interesse haben, diese Debatte zu führen. Sie würden sich wahrscheinlich stärker isolieren, als es beim Migrationspakt der Fall war“, erklärt der Politologe von der Technischen Universität Dresden. Zum einen sei die Haltung der USA nicht so klar gewesen, wie es beim UN-Migrationspakt der Fall war: Erst im Herbst dieses Jahres hat die USA eine Abstimmung im dritten Ausschuss der UN erzwungen und als einziger Staat den Antrag abgelehnt. Dabei hätten die USA versöhnliche Töne von sich gegeben und das Abkommen teilweise gelobt, bemerkt Angeli.
176 Staaten haben dem UN-Flüchtlingsabkommen am 13. November zugestimmt. Dazu gehörten alle EU-Staaten. Deswegen sei es nun schwieriger von einem eigenen Votum Abstand zu nehmen, weil das natürlich einen Eindruck von Unzuverlässigkeit auf dem internationalen Parket suggeriere, so der Wissenschaftler. Zum anderen würden seit Jahren rechtspopulistische Parteien behaupten, dass diejenigen, die nach Europa kommen, keine Flüchtlinge, sondern Wirtschaftsmigranten seien. „Aus inhaltlichen und rhetorischen Gründen ist es deshalb für die Parteien per se schwieriger ein Abkommen über Flüchtlinge abzulehnen“, unterstreicht Dr. Angeli.
Das komplette Interview mit Martin Rentsch (UNHCR) zum Nachhören:
Das komplette Interview mit Dr. Oliviero Angeli zum Nachhören:
Quelle: Sputnik (Deutschland)