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Warum Grenzen im Nahen Osten nicht neu gezogen werden

Archivmeldung vom 28.03.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 28.03.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild:  Flickr.com/color line/cc-by
Bild: Flickr.com/color line/cc-by

Angesichts des Bürgerkrieges in Syrien und der Instabilität im Irak stehen diese Länder vor dem Zerfall, prognostiziert ein türkischer Kommentator und erwartet eine neue Grenzziehung. Russische Experten erklären, einem Beitrag von Radio "Stimme Russlands", was an dieser Theorie falsch ist.

Die türkische Zeitung „Zaman“ schrieb, Syriens Zerfall sei praktisch unvermeidlich. Auch der benachbarte Irak mit seinem „schiitischen Diktator“ Nuri al-Maliki werde wahrscheinlich zerfallen. Der türkische Kommentator schließt eine Vereinigung der syrischen und der irakischen Kurden nicht aus. Möglich sei auch, dass sich die Sunniten aus der irakischen Provinz Anbar mit ihren Glaubensbrüdern aus Syrien vereinigen würden, hieß es.

Tatsächlich: Eine feste Staatseinheit gibt es im Irak kaum. Im politischen und Wirtschaftsbereich agiert Kurdistan faktisch unabhängig von der Regierung in Bagdad. Die ölreiche Stadt Basra, die schiitisch geprägt ist, strebt eine Südirak-Konföderation mit drei weiteren Provinzen an. In der Provinz Anbar, die an Syrien grenzt, wurde der irakische Al-Qaida-Ableger im Irak aktiver: Gemeinsam mit syrischen Rebellen kontrolliert er mittlerweile faktisch die Grenze.

In Syrien ist die Lage noch komplizierter. Zahlreiche religiöse Gemeinden sind oft geografisch vermischt. Es ist schwer vorstellbar, wie diese Gemeinden auseinandergesiedelt werden könnten, um einen selbständigen Drusen-, Christen- und Alawiten-Staat zu gründen. Syrische Kurden, denen die USA Waffen für den Schutz vor Islamisten versprachen, sind deutlich schwächer als irakische Kurden und werden selbständig kaum existieren können. Der russische Orientalist Sergej Demidenko sagt, keiner der einflussreichen Akteure in der Region werde wahrscheinlich grenzübergreifende Integrationsprozesse unterstützen:

„Die syrischen und die irakischen Kurden werden sich kaum vereinigen. Denn derzeit kann man nicht von einem einheitlichen Kurden-Volk sprechen. Es gibt vier kurdische Völker, das sind türkische, iranische, irakische und syrische Kurden. Sie haben unterschiedliche Anführer, Organisationen und politische Plattformen. Die Idee der Gründung eines einheitlichen Kurdistans ist ein großes Mythologem. Die irakischen Kurden wollen sein Öl mit niemandem teilen. Sie wollen jemanden weder unterhalten noch schützen. Mit einer Vereinigung irakischer und syrischer Sunniten sieht es noch schwieriger aus. Wenn wir von der Provinz Anbar sprechen, ist sie mehr schiitisch als sunnitisch. Das ist ein Gebiet, wo man gemischt lebt. Außerdem haben diese Sunniten keine einheitliche politische und religiöse Plattform, sie haben auch keine gemeinsamen Anführer. Sie haben eigentlich nichts Gemeinsames“.

Fast alle Staaten der Region sind in ihrer heutigen Form nach dem Ersten Weltkrieg entstanden, sagt Professor Grigori Kossatsch vom russischen Nahost-Institut. Dies sei nicht auf innenpolitische Impulse zurückzuführen gewesen, sondern auf den Zerfall des Osmanischen Reiches, aber auch auf die damalige Expansion der Europäer. Die Grenzen seien nicht entsprechend den damaligen Siedlungsgebieten ethnischer Gruppen gezogen worden, sondern entsprechend den Interessen von Großmächten. Heute sei aber ein anderer Faktor wichtiger, so Kossatsch:

„Unabhängig davon, wie künstlich diese Grenzen sind, will die internationale Gemeinschaft heute keinen Zerfall dieser Staaten. Das wurde am Beispiel des Irak demonstriert, wo alles getan wurde, um den Staat vor dem Zerfall zu bewahren“.

Demidenko stimmt zu: Niemand will die Grenzen im Nahen Osten neu ziehen, den das wäre in aller Hinsicht zu aufwendig. Niemand werde darauf eingehen – mit Ausnahme vielleicht von Saudi-Arabien und Katar. Aber auch diese beiden Länder wollen laut Demidenko eher keine neuen Grenzen. Wenn eine territoriale Neugestaltung beginne, sei bald Saudi-Arabien selbst an der Reihe, hieß es.

In Bezug auf die Turbulenzen im Nahen Osten gibt es mehr Fragen als Antworten. Wer steckte hinter dem Arabischen Frühling? War der Arabische Frühling für den Westen wirklich eine Überraschung? Ist die heutige Entwicklung ein Beleg dafür, dass die Drahtzieher die Kettenreaktion nicht mehr kontrollieren können? Vielleicht ist all dies nur ein Glücksspiel, wo man die Karte des Gegners erraten will, um alle Einsätze zu holen. Die Akteure sind bekannt, die Einsätze hoch. Das Spiel geht weiter.

Quelle: Text Nikita Sorokin - „Stimme Russlands"

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