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IWH-Experte Holtemöller fordert Schuldenschnitt für Griechenland

Archivmeldung vom 27.11.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 27.11.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Flagge von Griechenland
Flagge von Griechenland

Das hochverschuldete Griechenland braucht nach Einschätzung des Wirtschaftsexperten Oliver Holtemöller jetzt einen Schuldenschnitt. "Es gibt kein realistisches Szenario in dem Griechenland in der Lage wäre, seine Schulden aus eigener Kraft zu bedienen", schreibt der Abteilungsleiter Makroökonomie am Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) in einem Beitrag für die Zeitschrift "Superillu".

Griechenland bekomme immer wieder frisches Geld aus der EU, von der EZB und vom IWF. "Aber dieses Geld wird nicht etwa dafür eingesetzt, die marode Wirtschaft in Schwung zu bringen. Nein, es wird verwendet, um die Kapitalgeber zu befriedigen."

Das sei doppelt schlecht: Erstens würden die wirtschaftlichen Perspektiven Griechenlands durch die erdrückende Verschuldung auf lange Zeit beeinträchtigt. Zweitens lernten die Investoren, dass sie nicht darüber nachdenken müssten, wem sie Geld liehen. Denn im Notfall werde die Staatengemeinschaft, also die Steuerzahler, die Schulden begleichen, so Holtemöller.

Brüderle schließt Schuldenschnitt für Griechenland nicht aus

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle hat einen Schuldenschnitt für Griechenland nicht kategorisch ausgeschlossen. Auf die Frage, ob mit der Einigung der Euro-Finanzminister auf ein neuerliches Hilfspaket für Griechenland ein Schuldenschnitt für die Hellenen vom Tisch sei, sagte Brüderle am Dienstag im Deutschlandfunk, dies hänge von der Weiterentwicklung ab. Es sei "nicht ausgeschlossen", dass man sich zu einem späteren Zeitpunkt arrangiere, so Brüderle. "Da könnte auch eine Maßnahme dieser Art mit einbezogen sein."

Der FDP-Fraktionschef betonte in diesem Zusammenhang, dass ein Schuldenschnitt für Athen "nichts an Wachstumseffekten" bringe. "Griechenland braucht Wachstum", erklärte Brüderle. Die 17 Euro-Finanzminister hatten mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) in der Nacht zum Dienstag ein neues Rettungspaket für Athen beschlossen.

Commerzbank-Chefökonom: Schuldenschnitt für Griechenland wahrscheinlich nötig

Europa wird nach Einschätzung des Chefvolkswirts der Commerzbank, Jörg Krämer, wahrscheinlich nicht um einen weiteren Schuldenerlass für Griechenland herumkommen. Es sei "völlig offen", ob sich die in dem neuen Hilfsprogramm unterstellten Annahmen für den Haushaltssaldo und das Wirtschaftswachstum am Ende bewahrheiteten, sagte Krämer "Handelsblatt-Online".

So geht die Troika aus IWF, EZB und EU-Kommission davon aus, dass die griechische Wirtschaft ab 2016 jährlich real um 3,5 Prozent wachsen werde. "Diese Annahme ist zu optimistisch, es ist durchaus möglich, dass am Ende auch die öffentlichen Anleger auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten werden."

Unions-Fraktionsvize erwartet Koalitionsmehrheit für Griechenland-Hilfen

Der Vize-Vorsitzende der Unions-Fraktion im Bundestag, Michael Meister (CDU), geht davon aus, dass die Koalition die Griechenland-Hilfen im Bundestag mit einer eigenen Mehrheit billigen wird. Die deutschen Positionen seien bei den Verhandlungen "durchgesetzt worden, was insbesondere die Konditionalität und den Verzicht auf einen Schuldenschnitt betrifft", sagte Meister "Handelsblatt-Online".

Damit seien die Grundforderungen umgesetzt worden. Einige Details würden noch bis zur Parlamentsbefassung geklärt. "Daher gehe ich felsenfest von der Zustimmung der Regierungskoalitionen aus." Harsche Kritik äußerte Meister an SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, der offen über einen Schuldenschnitt für Griechenland im Jahr 2014 spekuliert hatte. Es gebe keine Vereinbarung zu einem Schuldenschnitt. "Wenn die SPD jetzt wieder aus wahltaktischen Gründen Unsicherheiten säht, dann ist das unredlich", so Meister. "Sie ist doch diejenige Kraft, die laufend einem Transfer deutscher Steuergelder das Wort redet."

Im Übrigen verschwiegen die Sozialdemokraten, dass noch letzte Woche ihr Kanzlerkandidat Peer Steinbrück den Bundeshaushalt wegen angeblicher Euro-Risiken habe aufhalten wollen. "Jetzt wo klar ist, dass der Bundeshaushalt 2013 nicht betroffen ist, zeigt sich, dass da mal wieder nur heiße Luft produziert wurde", sagte Meister. Genauso wie jetzt wieder beim "Schreckgespenst" Schuldenschnitt. "Ich hätte mehr Seriosität erwartet."

Bundestag soll am Donnerstag über Griechenland-Paket entscheiden

Der Bundestag soll bereits am Donnerstag über das neue Rettungspaket für Griechenland entscheiden. Dies kündigte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Grosse-Brömer (CDU), am Dienstag in Berlin an. Die Euro-Finanzminister hatten das Paket zusammen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) in der Nacht zum Dienstag beschlossen. Mit dem Rettungspaket sollen unter anderem von Mitte Dezember bis Ende März 2013 insgesamt 44 Milliarden Euro an Athen ausgezahlt werden.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte nach der Einigung in Brüssel vom Bundestag gefordert, bis Freitag abzustimmen. Einen Schuldenerlass für Griechenland soll es Schäuble zufolge nicht geben. Beobachter rechnen jedoch mittelfristig mit einem neuerlichen Schuldenschnitt. "Ich sage Ihnen: der Schuldenschnitt ist nicht vermieden, er ist verschoben worden auf einen Zeitpunkt nach der Bundestagswahl", sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier mit Blick auf die Aussagen Schäubles im ZDF-"Morgenmagazin".

Weiter warf Steinmeier dem Bundesfinanzminister und der Bundesregierung vor, "sich an den Wahrheiten vorbeizumogeln." Auch Norberth Barthle (CDU), haushaltspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sprach davon, dass es "voraussichtlich dann im Jahr 2020 nur mit einem Schuldenschnitt gehen" könnte.

Durch die beschlossenen Maßnahmen soll die griechische Schuldenquote bis zum Jahr 2020 auf 124 Prozent der Wirtschaftsleistung gedrückt werden. Die bisherige Zielmarke, die insbesondere vom IWF als oberste Grenze der Schuldentragfähigkeit angesehen wird, lag bei 120 Prozent.

Griechenland-Hilfen: SPD kritisiert mangelnden Respekt vor Bundestag

Die SPD wirft der Bundesregierung mit Blick auf die angestrebten Griechenland-Hilfen mangelnde Achtung vor dem Parlament vor. "Wochenlang drehen sich die Finanzminister bei ihren Beratungen im Kreis, aber dann soll der Bundestag innerhalb von 48 Stunden zustimmen. Da fehlt jeder Respekt vor dem Parlament", sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier der "Saarbrücker Zeitung" (Mittwochausgabe).

So seien bisher weder die übersetzten Texte noch die zugrunde liegenden Berechnungen über die Entwicklung der griechischen Staatsschuld oder die Wirkungen des Beschlusses für den Bundeshaushalt beim Bundestag eingegangen. "Wir sind kein Abnickparlament", betonte Steinmeier. "Vor allem frage ich mich, worüber denn in dieser Woche überhaupt abschließend entschieden wird. Denn die Finanzminister haben die Finanzmittel für Griechenland selbst unter dem Vorbehalt beschlossen, dass der aufgegebene Teilrückkauf von griechischen Schuldpapieren durch die heutige griechische Regierung erfolgreich verläuft."

Davon mache offenbar auch der IWF seine Beteiligung abhängig. Vor diesem Hintergrund sprach sich der SPD-Fraktionsvorsitzende gegen eine abschließende Verabschiedung des kompletten Griechenland-Pakets in dieser Woche aus. "Faktisch müssen wir auf ein zweistufiges Verfahren hinaus: Kurzfristig muss ein Beschluss die Eröffnung des Ankaufprogramms möglich machen und generell über das Instrumentenpaket beraten werden.

Anschließend wird aber erst Mitte Dezember über die Ausreichung von Mitteln an Griechenland entschieden werden können. Dann nämlich, wenn der Schuldenrückkauf erfolgreich war und die Beteiligung des IWF gesichert ist." Eine Entscheidung über den ersten Schritt könne aus seiner Sicht zudem erst am Freitag und nicht schon, wie von der Bundesregierung vorgeschlagen, am Donnerstag dieser Woche getroffen werden, erklärte der SPD-Fraktionsvorsitzende.

Es sei eine Frage des Anstands, den Abgeordneten wenigstens dieses verfügbare Minimum an Beratungszeit zu lassen. Die abschließende Entscheidung über das Gesamtpaket Mitte Dezember könne zudem nicht allein im Haushaltsausschuss, sondern müsse im Plenum des Bundestages getroffen werden, so Steinmeier weiter.

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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