Fall Timoschenko: EU-Kommission bleibt EM in der Ukraine fern
Archivmeldung vom 03.05.2012
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 03.05.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAus Protest gegen die Politik des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch wird die gesamte EU-Kommission der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine fernbleiben. Das geht aus einer am Donnerstag von der EU-Delegation in der ukrainischen Hauptstadt Kiew veröffentlichten Erklärung hervor. Demnach habe EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso "nicht die Absicht, in die Ukraine zu reisen oder an den Veranstaltungen im Zusammenhang mit der Euro 2012 teilzunehmen". Diese Haltung werde von "allen EU-Kommissaren geteilt", heißt es in der am Donnerstag veröffentlichten Erklärung weiter.
Die ukrainische Führung um Präsident Janukowitsch steht wegen ihres Umgangs mit der inhaftierten Oppositionspolitikerin und ehemaligen ukrainischen Ministerpräsidentin, Julia Timoschenko, massiv in der internationalen Kritik.
Geteiltes Echo in Berlin auf Ukraine-Boykott der EU-Kommission
Die Ankündigung der EU-Kommission, der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine geschlossen fernbleiben zu wollen, stößt in der Berliner Koalition auf ein geteiltes Echo. "Jeder muss selber entscheiden, ob er die EM-Spiele besucht oder nicht. Ich finde es richtig, dass die Kommissionsmitglieder nicht teilnehmen", sagte der CDU-Außenexperte Philipp Mißfelder "Handelsblatt-Online".
Der FDP-Außenpolitiker Rainer Stinner äußerte hingegen Kritik am Vorhaben der EU-Kommission. "Wir sollten auf eine Lösung der rechtsstaatlichen Probleme in der Ukraine hinarbeiten. Boykottankündigungen allein reichen dafür nicht aus, sie können sogar kontraproduktiv sein", so Stinner. Deutschland habe ein "großes Interesse daran, die Ukraine an die EU zu binden, selbstverständlich unter Beachtung aller Standards", sagte Stinner weiter. "Diese Aufgabe bleibt auch nach der Fußball-Europameisterschaft für Europa von höchster Bedeutung."
Mißfelder verlangte seinerseits, den diplomatischen Druck auf Kiew zu erhöhen, vor allem mit Blick auf die anstehende Präsidentschaft der Ukraine im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). "Die Staatenklage im Rahmen des Europarates ist ebenfalls ein Weg", fügte der CDU-Politiker hinzu.
Krimi-Autor Kurkow: Totalboykott der Fußball-EM würde Ukraine demütigen
Gegen einen Totalboykott oder eine Verlegung der Fußball-EM in der Ukraine hat sich der Kiewer Schriftsteller Andrej Kurkow ausgesprochen. Der 51-Jährige sagte der Tageszeitung "Die Welt" (Freitagausgabe), ein solcher Boykott würde das ganze Volk der Ukraine demütigen. "Er würde dem Volk sagen: Ihr seid nichts wert." Dagegen könne das Fernbleiben ausländischer Politiker der Führung des Landes klarmachen, dass sie für Repressalien gegen Oppositionelle Verantwortung trage. Die Ukraine sei ein postsowjetisches Land, habe aber mit Viktor Janukowitsch einen "sowjetischen" Präsidenten. Viele Politiker der Region hätten "den Wunsch, bis zu ihrem Tod an der Macht zu bleiben", sagte Kurkow unter Anspielung auf die Rückkehr Wladimir Putins ins russische Präsidentenamt am Montag. Kurkow hatte dies in einem Roman schon 2004 vorausgesehen.
Zur inhaftierten Oppositionsführerin Julia Timoschenko sagte Kurkow, sie habe mit der Veröffentlichung von Fotografien ihrer "blauen Flecken" das Opfer-Image behalten, "aber den Ruf eines starken Kämpfers verloren". Eine Freilassung zwecks medizinischer Behandlung würde ihrer Popularität weiter schaden.
WDR-Intendantin Piel kündigt besonders kritische Berichterstattung zur Fußball-EM in der Ukraine an
Die Intendantin des Westdeutschen Rundfunks (WDR), Monika Piel, kritisiert die Ukraine als Austragungsort für die Fußball-Europameisterschaft. "Länder wie die Ukraine machen eine falsche Rechnung auf, wenn sie glauben, sich durch ein Großereignis wie die EM positiv darstellen zu können. Es führt zum Gegenteil", sagte Piel der "Rheinischen Post". Die politische Situation in der Ukraine werde deshalb auch zentraler Bestandteil der Berichterstattung sein.
Quelle: dts Nachrichtenagentur