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Regierungskrise in Pakistan: Wie wurde Imran Khan im Westen auf einmal zum Bösewicht?

Archivmeldung vom 05.04.2022

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 05.04.2022 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić
Imran Khan (2022), links
Imran Khan (2022), links

Foto: Kremlin.ru
Lizenz: CC BY 4.0
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Unter der Khan-Regierung hat Pakistan in letzter Zeit versucht, sich für eine multipolare Welt einzusetzen, frei von der Hegemonie der USA. Das Land ist der bevölkerungsreichste muslimische Staat und eine nuklear bewaffnete Nation, die ihre historische Rivalität mit Indien aufrechterhält. Inmitten des Ukraine-Krieges warten nun turbulente Zeiten auf das Land. Aber warum? Dies analysiert Seyed Alireza Mousavi im Magazin "RT DE".

Weiter analysiert Mousavi auf RT DE: "Es ist Pakistans Premier Imran Khan am Sonntag gelungen, einer Amtsenthebung durch ein Misstrauensvotum im Parlament zu entgehen. Inmitten einer Staatskrise kündigte Imran Khan die Ausrufung von Neuwahlen an. Der pakistanische Präsident Arif Alvi löste daraufhin das Parlament auf und schaffte damit die Grundlage für vorgezogene Neuwahlen.

Imran Khan hat in letzter Zeit mehrfach die USA der Finanzierung eines Putschversuches gegen ihn beschuldigt. Bei einer großen Kundgebung in der Hauptstadt Islamabad sagte der pakistanische Regierungschef letzte Woche, eine "ausländische Macht" habe Millionen von Dollar an Oppositionsparteien geschickt, um im Parlament ein Misstrauensvotum gegen ihn einzuleiten. Vor seinen Anhängern sprach Khan von einem Brief, der belege, dass eine ausländische Verschwörung hinter dem Misstrauensantrag stecke. Bei dem Schreiben soll es sich um einen schriftlichen Austausch zwischen dem US-Außenministerium in Washington und dem pakistanischen Botschafter dort handeln. Gegenstand dieses Briefes sollen mögliche politische Regierungskonstellationen in Islamabad sein.

Pakistans scheidender Botschafter in Washington, Asad Majeed Khan, habe den Brief von einem hochrangigen Beamten des US-Außenministeriums erhalten, heißt es. Das Schreiben soll am 7. März nach Islamabad geschickt worden sein – einen Tag, bevor Pakistans Oppositionsparteien den ersten Schritt unternahmen, um ein Misstrauensvotum gegen Khan in der Nationalversammlung einzureichen.

In dem Dokument soll geschrieben stehen, dass es bald einen Misstrauensantrag gegen den Premierminister geben werde, dass Khan wissen sollte, dass dieser kommen werde, und dass er sich dem Misstrauensantrag nicht widersetzten, sondern mit ihm untergehen sollte. Sollte der Premierminister indes versuchen, sich zu widersetzen, so würden Khan und Pakistan schreckliche Konsequenzen erleiden, heißt es in dem Schreiben weiter. Der Drohbrief soll auch davor gewarnt haben, dass sich die Beziehungen zwischen den USA und Pakistan "nicht verbessern werden", wenn Khan weiterhin an der Macht bleibe. 

Das Parlament hielt aufgrund dieses Briefes den Misstrauensantrag vor der Abstimmung am Sonntag für verfassungswidrig. Denn Artikel 5 der Verfassung verpflichtet jeden Pakistaner dazu, loyal gegenüber dem eigenen Staat zu sein, und verbietet damit vom Ausland in­itiierte Verschwörungen. Die USA dementierten am Mittwoch jegliche Berichte über eine spezifische Nachricht, die dem scheidenden Botschafter Pakistans in den USA zugestellt worden sein soll.

Pakistan orientiert sich unter der Khan-Regierung längst gen Osten. Während das Land seit 2018 dabei ist, von den US-Ambitionen in der Region Abstand zu nehmen, wird die strategische Partnerschaft zwischen Islamabad und Peking von Washington misstrauisch beäugt. Khan hatte im Januar Peking besucht und sich dem Aufruf von US-Präsident Joe Biden zu einem diplomatischen Boykott der Olympischen Winterspiele widersetzt. Der pakistanische Premierminister ist seit seinem Amtsantritt auch ein entschiedener Gegner der US-amerikanischen Operationen in der Region. So hat sich Pakistan zum Beispiel nicht an den Luftangriffen der von Saudi-Arabien geführten Kriegskoalition gegen den bettelarmen Jemen beteiligt, sondern bleibt in dem Konflikt neutral. Imran Khan hatte im September 2020 in einem Interview mit Al Jazeera das sogenannte "Friedensabkommen" zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten kritisiert. Er sagte, dass das Israel-Palästina-Problem nur dann gelöst werde, wenn es eine "gerechte Lösung" für die Palästinenser gebe. Mit dieser Einstellung nahm  Khan gleichfalls eine kritische Position gegenüber den US-Plänen für den "neuen Nahen Osten" ein.

Khan ist in letzter Zeit aber insbesondere deshalb in Ungnade gefallen, weil er den russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau getroffen hat: Genau an dem Tag, wo der Kreml seine Militäroperation in der Ukraine startete, landete der pakistanische Regierungschef in Moskau. Ein pakistanischer Journalist filmte damals, wie Imran Khan bei der Ankunft in Moskau zu einem russischen Staatsangestellten sagte:

"Was für eine Zeit, hier zu sein. So viel Aufregung."

Khans Treffen in Moskau war eine Sensation, da sein Besuch in Russland der erste eines pakistanischen Premierministers seit 23 Jahren war. Pakistan hat, anders als der Nachbar Indien, keine historische Nähe zu Russland. Im Kalten Krieg war das Land ein enger Verbündeter der USA. In diesem Zusammenhang scheint auch bemerkenswert, dass Joe Biden Khan seit seinem Amtsantritt Anfang 2021 noch nicht angerufen hat.

Das Gipfeltreffen in Moskau sorgte in den USA und der EU für Verstimmung, wobei Washington Islamabad sogar mitteilte, dass es Khans Besuch "beobachte". Diese Botschaft enthielt eine subtile Warnung: Kommen Sie den Russen nicht zu nahe!  Khans Weigerung, sich dem westlichen Block anzuschließen und den Ukraine-Krieg Anfang März auf der Sitzung der UN-Generalversammlung (UNGA) zu verurteilen, machte ihn in der Berichterstattung des Westens über Nacht zu einem Bösewicht.

Die Spaltung der politischen Lager hat sich in den vergangenen Tagen in Pakistan allerdings verschärft. Offenbar wird derzeit innenpolitisch ein Machtkampf ausgetragen. Ein einflussreicher Oberbefehlshaber der pakistanischen Armee, General Qamar Javed Bajwa, meldete sich kürzlich zu Wort und deutete den Wunsch zu einer Kurskorrektur in der Außenpolitik an. Er erklärte, sein Land unterhalte "ausgezeichnete" Beziehungen zu den USA und wolle diese ausbauen, ohne dabei jedoch die ebenfalls wichtigen strategischen Beziehungen zu China zu gefährden. Es heißt, Khan habe sich mit der einflussreichen Militärspitze zerstritten. Pakistan blickt auf eine lange Geschichte von Staatsstreichen zurück und stand fast die Hälfte seines Bestehens unter Militärherrschaft. Kein pakistanischer Premierminister hat jemals eine volle Amtszeit vollendet. Das Militär gilt seit jeher als der Königsmacher für den Posten des Premierministers.

Zu den Staaten, welche die russische Offensive gegen die Ukraine in Asien nicht verurteilten, gehören neben Pakistan die Großmacht China sowie die wichtigsten regionalen Mächte wie Indien und Iran. Der Westen versucht in seiner Berichterstattung zum Ukraine-Krieg zu suggerieren, dass die ganze Welt an der Seite der USA stehe und Russland verurteilt habe. Indes sind bedeutende nicht-westliche Staaten nicht dazu bereit, dem Westen bei der Isolation Russlands zu folgen. Insofern werden die Vereinigten Staaten alles daran setzen, um immerhin Pakistan in der Region auf "Line zu bringen". Denn das ist bei Indien und Iran fast unvorstellbar, aufgrund ihrer engen Beziehungen zu Russland. Auf Pakistan warten also turbulente Zeiten, die die neue Architektur des Nahen Ostens und Asiens bestimmen könnten. "

Quelle: RT DE

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