Altkanzler Kohl soll Konservativen im Europawahlkampf helfen
Archivmeldung vom 12.05.2014
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtAltkanzler Helmut Kohl (CDU) soll den Konservativen im Europawahlkampf helfen. Angesichts des Kopf-an-Kopf-Rennens von Christdemokraten und Sozialisten setzen der Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei, Jean-Claude Juncker, und der deutsche CDU-Spitzenkandidat David McAllister auf die Unterstützung des 84-Jährigen, berichtet der "Spiegel".
Bereits am vergangenen Freitag machte McAllister dem Altkanzler seine Aufwartung. Am Mittwoch will der langjährige Luxemburger Premierminister Juncker den "Ehrenbürger Europas" in dessen Haus in Ludwigshafen besuchen. Als Kanzler sah Kohl im 25 Jahre jüngeren Juncker lange seinen politischen Ziehsohn. Es wird erwartet, dass Kohl die Staats- und Regierungschefs der EU auffordert, den Gewinner der Europawahl zum Kommissionspräsidenten zu bestimmen.
Im Falle eines Sieges der EVP würde das Juncker sein. Kohls Unterstützung ist parteiintern umstritten, viele sehen darin einen Seitenhieb gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Die Kanzlerin hat öffentlich verkündet, es gebe keinen Automatismus zwischen den Spitzenkandidaturen und dem Amt des Kommissionspräsidenten.
Juncker hat bei Wahlsieg feste Zusage von Merkel für Vorsitz der EU-Kommission
Der konservative Spitzenkandidat bei der Europawahl, Jean-Claude Juncker, hat nach eigenen Angaben eine feste Zusage von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), dass er im Falle eines Wahlsiegs am 25. Mai Präsident der EU-Kommission wird. Juncker sagte "Bild am Sonntag": "Ja, die habe ich."
Er warnte die Regierungschefs davor, einen anderen Politiker als ihn oder seinen sozialdemokratischen Gegenkandidaten Martin Schulz zum Chef der Kommission zu machen: "Das würde bei mir Dauerärger auslösen. Die Wähler wüssten dann, dass sie beim nächsten Mal gar nicht mehr zur Europawahl gehen müssten, weil die Parteien ihre Versprechen von vor der Wahl gebrochen hätten."
Der Spitzenkandidat der europäischen Sozialisten, Martin Schulz (SPD), sieht das ähnlich: "Die Mehrheit im Europäischen Parlament hat sich darauf geeinigt, dass der Wahlgewinner von uns beiden Kommissionspräsident wird. Würden die Staats- und Regierungschefs stattdessen einen anderen Kandidaten auskungeln, würden sie die Demokratie in Europa heftig beschädigen. Es wäre eine Verhöhnung der Wähler. Dann bräuchten wir keine Europawahlen mehr abzuhalten."
Martin Schulz wirft CDU "Wählerverdummung" vor
Der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten bei der Europawahl am 25. Mai, Martin Schulz, wirft der CDU "Wählerverdummung" vor. Schulz sagte "Bild am Sonntag": "Ich finde es bemerkenswert, dass die CDU weder ihren nationalen noch den EU-weiten Spitzenkandidaten plakatiert, sondern stattdessen Frau Merkel an den Laternenpfählen hängt. Das ist schon der Versuch, die Leute für dumm zu verkaufen, denn Frau Merkel steht bei der Europawahl nicht zur Wahl."
Schulz hält ein Wahlergebnis von 30 Prozent für die SPD in Deutschland für möglich. "Wenn die Leute erkennen, dass sie mit ihrer Stimmabgabe einen Deutschen, der von ganzem Herzen Europäer ist, an die Spitze der Kommission bringen könnten, dann sind auch 30 Prozent drin." Bei der letzten Europawahl im Jahr 2009 hatte die SPD 20,8 Prozent der Stimmen bekommen.
Mit Sorge sieht Schulz die hohen Umfragewerte für radikale Parteien: "Der Zulauf der Rechtspopulisten besorgt mich sehr. Die AfD ist eine verunglückte Kopie der amerikanischen Tea-Party-Bewegung. Wer, wie die AfD, die EU mit Nordkorea vergleicht, gehört nicht ins Europaparlament", so Schulz. "Schon heute sitzen 90 Vertreter der rechtsextremen und populistischen Parteien im Europaparlament, nach der Wahl könnten es 120 bis 140 sein. Diese Parteien haben für alles einen Sündenbock, aber für nichts eine Lösung."
Umfrage: Weniger als 20 Prozent der Deutschen kennen Europawahl-Spitzenkandidaten
Auch nach Beginn der heißen Phase des Europawahlkampfs wissen nicht einmal 20 Prozent der Deutschen, wer die Spitzenkandidaten von Konservativen und Sozialdemokraten sind: Nach einer repräsentativen Emnid-Umfrage für "Bild am Sonntag" können lediglich 17 Prozent aller Bürger und 23 Prozent der eigenen Anhänger SPD-Mann Martin Schulz als Spitzenkandidaten der Sozialdemokraten benennen.
Noch desaströsere Werte hat der konservative Kandidat Jean-Claude Juncker, der auf einen Bekanntheitsgrad von gerade sieben Prozent (13 Prozent bei den Unionswählern) kommt. Knapp ein Viertel der Deutschen (23 Prozent) hält sogar die ebenfalls am 25. Mai stattfindende Präsidentschaftswahl in der Ukraine für wichtiger als die Abstimmung über das Brüsseler Parlament.
Noch eindeutiger ist dies bei der Bundestagswahl: 76 Prozent halten sie für wichtiger. Dennoch könnte es bei der Europawahl in Deutschland eine Rekord-Wahlbeteiligung geben. Nach der Umfrage wollen 51 Prozent der Bundesbürger mit Sicherheit wählen gehen, weitere 19 Prozent werden wahrscheinlich ihre Stimme abgeben. Zehn Prozent beteiligen sich wahrscheinlich nicht und 18 Prozent mit Sicherheit nicht an der Wahl. Bei der letzten Europawahl 2009 lag die Wahlbeteiligung bei 43,3 Prozent.
Trittin fürchtet geringe Wahlbeteiligung durch "geschürte Europaskepsis"
Grünen-Politiker Jürgen Trittin fürchtet, dass bei den Europawahlen am 25. Mai aufgrund "von der CSU und der CDU geschürter Europaskepsis wenig Menschen zur Wahl gehen" könnten. "Und das wird das Gewicht der Europafeinde - der Nationalisten, der Rechtspopulisten und der Rechtsradikalen - in Europa erhöhen", sagte Trittin im ARD-"Bericht aus Berlin".
Es sei daher an der Zeit, positiv über Europa zu sprechen. Dass im Europawahlkampf häufig mit europakritischen Tönen gearbeitet werde, hält der Politiker für "bizarr". "In der Ukraine hat das Volk gerade ein korruptes Regime weggefegt mit der Berufung auf europäische Werte, der Herrschaft des Rechts, auf die Freiheit, auf eine Regierung jenseits von Korruption. Und wir Europäer reden dieses Europa, was uns Jahrzehnte des Friedens, der Demokratie, der Überwindung von Diktaturen - faschistischen Diktaturen wie in Spanien, Diktaturen wie in Osteuropa - gebracht hat, wir reden es schlecht."
Quelle: dts Nachrichtenagentur