Steinbrück: Merkel muss zu US-Überwachung Nein sagen wie Schröder zum Irak-Krieg
Archivmeldung vom 16.07.2013
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.07.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat Bundeskanzlerin Angela Merkel aufgefordert, die amerikanische Datenausspähung unverzüglich zu unterbinden. "Statt überforderte Minister vor geheim tagenden Bundestagsgremien herumeiern zu lassen, muss Angela Merkel im Weißen Haus erreichen, dass die amerikanische Totalüberwachung in Deutschland aufhört - und zwar sofort", sagte Steinbrück der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Mittwoch-Ausgabe).
Dabei solle sich Merkel ein Beispiel an ihrem Vorgänger Gerhard Schröder nehmen. Der habe 1999 klargestellt, dass die US-Geheimdienst kein deutsches Recht brechen dürfen und ein entsprechende Abkommen durchgesetzt. Auf die Frage, ob das Recht des Stärkeren oder die Stärke des Rechts entscheide, könne es für einen deutschen Kanzler nur eine Antwort geben: "Das hat Gerhard Schröder mit seinem Nein zum Irak-Krieg eindrucksvoll klar gemacht, und das muss heute mit einem klaren Nein zur Überwachung der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland ebenso gelten", forderte Steinbrück.
Spähaffäre: Linkspartei bringt Rücktritt von Geheimdienstkoordinator Pofalla ins Spiel
In der Debatte um die Spähaktionen des US-Geheimdienstes NSA hat Linksparteichef Bernd Riexinger den Rücktritt von Kanzleramtschef und Geheimdienstkoordinator Ronald Pofalla (CDU) ins Spiel gebracht. "Alle fragen sich mit Recht: was macht eigentlich der Kanzleramtschef, der die Geheimdienste koordiniert. Was wusste er, was hat er veranlasst? Alle Deutschen wurden ausgespäht, also muss Pofalla auch allen Deutschen öffentlich Rechenschaft ablegen", sagte Riexinger "Handelsblatt-Online". "Wenn er das nicht tut, dann ist er am falschen Platz. Pofalla muss reden oder gehen." Er erwarte von Pofalla eine öffentliche Erklärung bis zum Ende dieser Woche, sagte Riexinger weiter. "Wir werden ihn so oder so vor einen Untersuchungsausschuss laden, genauso wie seine Vorgänger Steinmeier und de Maizière."
Grüne sehen in Merkel Sicherheitsrisiko für Deutschland
Die Opposition verschärft in der Ausspäh-Affäre ihre Kritik an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Hintergrund sind Berichte, wonach der Bundesnachrichtendienst (BND) schon lange von den umfangreichen Ausspähungen und Speicherungen der Daten deutscher Bürger durch den US-Geheimdienst NSA gewusst haben soll. "Wenn Merkel davon nichts wusste, hat sie das Kanzleramt nicht im Griff. Und wenn sie davon wusste, ist sie eine Lügnerin. In jedem Fall wird Angela Merkel täglich zu einer größeren Gefahr für die Sicherheit und Grundrechte ihrer Bürgerinnen und Bürger", sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, "Handelsblatt-Online". Was es bedeute, Schaden von der Bevölkerung im digitalen Zeitalter abzuwenden, sei der Bundesregierung "offensichtlich unklar", sagte Beck weiter.
Zugleich warf der Grünen-Politiker dem Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt, Ronald Pofalla (CDU), Versagen auf ganzer Linie vor. "Pofalla wirkt als Kanzleramtschef seiner Verantwortung nicht wirklich gewachsen", sagte Beck.
Das SPD-Bundesvorstandsmitglied Ralf Stegner hält wegen der millionenfachen undifferenzierten Ausspähung von Kommunikationsdaten deutscher Bürger Konsequenzen für unabdingbar. Hierfür trage die Regierung Merkel die politische Verantwortung. Offenbar habe sie die Kontrolle über die deutschen Geheimdienste verloren. "Das muss Konsequenzen haben", sagte Stegner "Handelsblatt-Online". Stegner, der auch Vorsitzender der SPD in Schleswig-Holstein ist, sagte allerdings auch, dass es kein Geheimnis sei, dass die Geheimdienste zur Abwehr von Terroranschlägen seit Jahren zusammenarbeiteten, auch wenn die Inhalte davon "selbstverständlich" vertraulich bleiben müssten. Dafür gebe es in Deutschland die parlamentarische Kontrolle im entsprechenden Bundestagsgremium.
SPD-Politiker Oppermann fordert Druck auf USA in NSA-Spähäffäre
SPD-Politiker Thomas Oppermann hat eine Erhöhung des Drucks auf die USA durch die Kanzlerin in der NSA-Spähaffäre gefordert. "Wir brauchen Gespräche auf Augenhöhe. Dafür muss jetzt die Kanzlerin sorgen", forderte Oppermann im Deutschlandfunk. "Wir müssen wissen, und zwar möglichst bald, ob die Vorwürfe von Herrn Snowden zutreffen, und wenn sie zutreffen, wenn wir sozusagen eine Totalüberwachung der deutschen Kommunikation haben, dann muss die Bundeskanzlerin mit Macht dafür sorgen, dass das abgestellt wird", so der SPD-Politiker weiter. Bei der Tagung des Parlamentarischen Kontrollgremiums am Dienstag werde man konkrete Fragen an den aus den USA zurückgekehrten Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) richten. Wichtig sei nun zu klären, was die Bundesregierung über die Überwachungsaktivitäten der NSA gewusst habe und wie viele Terror-Anschläge in Deutschland tatsächlich durch die gewonnen Informationen verhindert werden konnten. Ferner sei der Stand der strafrechtlichen Ermittlungen in Erfahrung zu bringen. "Die Ausspähung von Daten ist in Deutschland eine Straftat und da wollen wir wissen, wie im Augenblick der Stand der Ermittlungen ist." Oppermann befürwortet zwar das Sammeln von Informationen durch Nachrichtendienste zum Zwecke der Verhinderung von Terror-Anschlägen oder sonstigen geplanten Verbrechen, jedoch rechtfertige das nicht die Totalausspähung der gesamten nicht-öffentlichen Kommunikation der deutschen Bevölkerung durch einen fremden Nachrichtendienst.
Leutheusser-Schnarrenberger attackiert SPD als "scheinheilig"
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat die Kritik der SPD an der Aufklärung der US-Spähaffäre durch die Bundesregierung in scharfer Form zurückgewiesen. "Die SPD ist in Sachen Bürgerrechte scheinheilig wie keine andere Partei in Deutschland", sagte Leutheusser-Schnarrenberger der "Welt". "Keine andere Partei hat in Regierungsverantwortung die Bürgerrechte beschädigt wie die SPD", ergänzte die Justizministerin. Sie erinnerte an die Einführung der Vorratsdatenspeicherung, von Internetsperren und weiteren Sicherheitsgesetzen: "Rot-Grün hat nach dem 11. September 2001 die beiden nach Otto Schily benannten Sicherheitspakete durch das Parlament geprügelt, die die Tätigkeiten der Nachrichtendienste und der Strafverfolgungsbehörden weiter verwischt haben. Die SPD Otto Schilys hatte die Bürgerrechte aus dem Programm gestrichen." Als "Urheberin der Vorratsdatenspeicherung" sei die Sozialdemokratie "komplett unglaubwürdig, wenn sie sich jetzt Anwältin der Bürgerrechte geriert", sagte die FDP-Politikerin. Leutheusser-Schnarrenberger verwies darauf, dass sie gemeinsam mit Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) eine Regierungskommission mit der Aufgabe eingesetzt habe, die Entwicklung der Gesetzgebung zur Terrorismusbekämpfung seit dem 11. September 2001 aus rechtsstaatlicher Sicht zu bewerten. "Die schwarz-gelbe Regierungskommission ist gerade dabei, diese Fehlentwicklungen aufzuarbeiten und die Konsequenzen zu ziehen. SPD und Grüne sollten in Demut vor den Wähler treten, wenn es um die Bürgerrechte geht", sagte die Justizministerin.
Debatte um NSA-Affäre: Döring wirft Trittin fehlenden Anstand vor
FDP-Generalsekretär Patrick Döring hat Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin in der politischen Auseinandersetzung um die NSA-Affäre Charakterlosigkeit vorgeworfen. Der "Bild" sagte Döring: "Mit seinem niederträchtigen Äußerungen zeigt Jürgen Trittin, dass er weder Anstand noch Charakter besitzt." Döring reagierte damit auf Trittins Vergleich von Kanzlerin Merkel, Innenminister Friedrich und Außenminister Westerwelle mit drei Affen ("die nichts sehen, nichts hören und nichts sagen") und Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger mit einem Papagei ("die immer dazwischen plappert"). "Politiker von Union und FDP als Affen und Papageien zu beschimpfen, ist unter aller Kanone", so der FDP-General weiter. Trittin sei im Wahlkampf offensichtlich jedes Mittel recht.
Piltz: BND muss in Spähaffäre alle Fakten offenlegen
Die innenpolitische Sprecherin der FDP im Bundestag, Gisela Piltz, hat mit Blick auf Presseberichte, nach denen der Bundesnachrichtendienst (BND) von der flächendeckenden und anlasslosen Erfassung von Telekommunikations- und Internetdaten durch den US-Nachrichtendienst NSA wusste und aktiv um Daten aus den Programmen der NSA ersuchte, erklärt, dass der BND "im Parlamentarischen Kontrollgremium jetzt ohne Wenn und Aber alle Fakten offenlegen" müsse. Schon jetzt sei Vertrauen in den Rechtsstaat in der Informationsgesellschaft verlorengegangen, sagte Piltz am Montag im Berlin. "Dem kann man nur entgegenwirken, wenn umfassend aufgeklärt wird, ob der BND bewusst auf die Datensammlungen der NSA zugegriffen hat." Dabei müsse auch geklärt werden, "was unter der Regierung Schröder nach den Anschlägen von 2001 an Zugeständnissen gemacht wurde und wie damals die Grundlagen für diese weitreichende Zusammenarbeit gelegt wurden", so Piltz. Die schwarz-gelbe Koalition müsse der Regierung in Washington deutlich machen, "dass es inakzeptabel ist, wenn US-Geheimdienste den Medien mehr erzählen als dem Bundesinnenminister bei seinem Besuch". Die Beteuerungen seitens der USA, für Transparenz zu sorgen, "sind vor diesem Hintergrund wenig glaubwürdig", betonte die FDP-Politikerin. "Beschwichtigung ist nicht der richtige Umgang mit der umfassenden Überwachung der Kommunikation in Deutschland." Die Menschen in Deutschland erwarteten zu Recht "endlich Klarheit, was mit ihren persönlichen Daten passiert", so Piltz.
Quelle: dts Nachrichtenagentur