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"Deutschland ist ein Kriegsgebiet"

Archivmeldung vom 04.09.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.09.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Der Sohn von Michaela und Hans-Joachim M. hält sich bei einer islamistischen Terrorgruppe auf. Die Eltern hoffen auf ein Lebenszeichen im Internet. Bild: ZDF und Joachim Giel
Der Sohn von Michaela und Hans-Joachim M. hält sich bei einer islamistischen Terrorgruppe auf. Die Eltern hoffen auf ein Lebenszeichen im Internet. Bild: ZDF und Joachim Giel

Der Anführer einer verbotenen Salafistengruppe ruft zum Heiligen Krieg in Deutschland auf. Das geht aus einem Video hervor, das dem ZDF vorliegt. Darin erklärt der Berliner Dennis Cuspert: "Ihr werdet nicht mehr in Sicherheit leben. Ihr setzt Millionen und Milliarden ein für den Krieg gegen den Islam. Und deshalb ist dieses Land hier, die Bundesrepublik Deutschland, ein Kriegsgebiet." Cuspert, der nach dem Verbot seiner Organisation "Millatu Ibrahim" im Juni dieses Jahres das Land verlassen hat, fordert Muslime in Deutschland zum Dschihad auf: "Setzt euch ein für den Dschihad, wandert aus oder führt ihn hier durch."

Das Bildmaterial sollte möglicherweise als Grundlage für ein Märtyrervideo dienen. Deutsche Sicherheitsbehörden sehen in solchen Videos ein Alarmsignal. Der Präsident des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, sagte in der ZDF-Dokumentation "Deutschland in Gefahr? - Kampf gegen den Terror", die am Dienstag, 4. September 2012, 20.15 Uhr, ausgestrahlt wird: "Wir nehmen das sehr ernst, denn das sind so erste Hinweise darauf, dass jemand sich tatsächlich entschlossen hat, als Märtyrer möglicherweise zu sterben."

Dennis Cuspert war am 5. Mai 2012 an den Ausschreitungen bei einer Demonstration in Bonn beteiligt, bei denen mehrere Polizeibeamte durch Messerstiche verletzt wurden. Er soll sich derzeit mit zahlreichen gewaltbereiten Anhängern in Ägypten aufhalten. Das BKA sieht die Ausreisewelle von Dschihadisten mit großer Sorge: "Wir wissen noch von weiteren 20, die auf gepackten Koffern sitzen", so Behördenchef Ziercke. "Das Gefährliche beginnt dann, wenn diese Leute in Ausbildungslagern waren und eventuell zurückkehren hier nach Deutschland."

Nach Recherchen des ZDF hat das Terrornetzwerk Al-Kaida Kontaktpersonen nach Ägypten und Syrien entsandt, um kampfwillige Männer für Anschläge in Westeuropa anzuwerben. Sie sollen im syrischen Konflikt oder bei Terroroperationen auf dem Sinai praktische Erfahrung sammeln und dann nach Europa zurückkehren. Reiseaktivitäten zwischen Deutschland und Staaten wie Ägypten und Syrien lassen sich nur schwer überwachen. Die Sicherheitsbehörden, so BKA-Chef Ziercke, seien nun "besonders gefordert". Die Zusammenarbeit mit den ägyptischen Behörden solle deshalb noch enger werden.

Der untergetauchte Salafistenführer richtet seine Botschaft direkt "an Merkel, Innenminister und Außenminister". "Wir werden den Dschihad in eure Länder bringen", so Cuspert in dem Video, das offenbar unweit des Kölner Doms gedreht wurde. "Solange ihr unser Blut vergießt, grabt ihr hier euer eigenes Grab."

BKA-Chef warnt im ZDF vor Eskalation

Der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA) warnt vor einer Eskalation der Gewalt zwischen islamfeindlichen und salafistischen Gruppen in Deutschland. "Es ist unverantwortlich, was da passiert", sagt Jörg Ziercke in der ZDF-Dokumentation "ZDFzeit: Deutschland in Gefahr? - Kampf gegen den Terror", die am Dienstag, 4. September 2012, 20.15 Uhr, ausgestrahlt wird. Das BKA sehe die wachsende Islamfeindlichkeit mit großer Sorge. Durch die Provokationen von ProNRW, ProDeutschland und auch der NPD werde "die Szene weiter aufgeschaukelt". Die Rechtsextremen wollten offenbar bewusst Gewaltaktionen von salafistischen Gruppierungen auslösen. "Hier ist das Spiel mit dem Feuer ganz eindeutig", so Ziercke. "Wer Karikaturenwettbewerbe in Deutschland durchführt, wer Moscheen-Touren veranlasst, der weiß, was er tut."

Auch bei den islamfeindlichen Gruppen gibt es ein zunehmendes Gewaltpotenzial, wie die ZDF-Dokumentation berichtet. Einige Anhänger werfen Regierung und Behörden "Kollaboration mit dem Islam" vor und berufen sich mit Hinweis auf den Artikel 20 des Grundgesetzes auf ein Recht zum "bewaffneten Widerstand". Außerdem gibt es in der Szene Sympathien für den norwegischen Rechtsterroristen Anders Breivik.

Der Chef der rechtsradikalen English Defence League spricht im ZDF von einem "Krieg", einem "Angriff auf das Christentum" in Europa. "Die Linken sind genauso Schuld daran wie die Islamisten, weil sie mit ihnen zusammenarbeiten", so Stephen Lennon. Mit dieser These hatte Anders Breivik auch den Mord an 77 Menschen gerechtfertigt, unter ihnen Kinder und Jugendliche aus der Nachwuchsorganisation der sozialdemokratischen Partei Norwegens. Der EDL-Chef bezeichnet den Massenmörder zwar als "Monster", solidarisiert sich aber mit ihm: "Ich teile seine Ideologie. Ich glaube, er hat Recht."

Der Mitbegründer der German Defence League, Siegfried Schmitz, lehnt im ZDF-Interview Gewalt als Mittel der Auseinandersetzung ab, kann es sich aber "vorstellen", dass Einzelne solche Taten wie Breivik verüben, wenn sie sich "von den Politikern im Stich gelassen" fühlen. Auch deshalb kritisiert BKA-Chef Ziercke die islamfeindlichen Provokationen aus der rechtsextremen Szene: "Ich halte das für eine höchst gefährliche Entwicklung und wir sind sehr aufmerksam."

Eltern von Terrorverdächtigem im ZDF-Interview: USA verweigern Vater Einreise

In der Dokumentation "ZDFzeit: Deutschland in Gefahr? - Kampf gegen den Terror", die am Dienstag, 4. September 2012, 20.15 Uhr, ausgestrahlt wird, wendet sich die Mutter des Terrorverdächtigen Andreas M. mit einem Aufruf an die Politik in Deutschland. Im ZDF fordert sie "Aufklärung in den Schulen, von der Grundschule an" über die Gefahren des Salafismus, einer extremen Strömung im Islam. "98 Prozent der Muslime sind ja liebenswürdig", so Michaela M., "aber diese 2 Prozent, vor denen muss gewarnt werden."

Sie bangt um das Leben ihres Sohnes Andreas ("Andy"), ihrer Schwiegertochter und ihrer sechsjährigen Enkelin Nuseibah. Alle drei sind vor einem Jahr nach Somalia gereist und leben jetzt im Machtbereich der terroristischen al-Shabaab. Andreas M., der zum Islam konvertiert ist, unterstützt offenbar die radikalislamische Gruppe, die sich dem Terrornetzwerk der Al-Kaida angeschlossen hat.

Die Mutter des Terrorverdächtigen beschreibt, wie sich ihr Sohn radikalisiert hat und mit welchen Ängsten und Sorgen die Angehörigen zu kämpfen haben. Mit ihrer Enkeltochter durfte sie nicht über christliche Bräuche reden. Michaela M. erinnert sich, dass die kleine Nuseibah sie bat: "Oma, werde doch Muslima, dann darf ich dich lieben."

Die Mutter hofft immer noch, dass ihr Sohn keine Terroranschläge verübt: "Ich gebe mein Leben dafür, das ist nicht mein Andy." Er werde "niemals eine Kirche angreifen, niemals unschuldige Menschen im Kaufhaus, niemals, ich schwöre es." Doch mittlerweile befürchtet sie, dass Andreas. M sich am bewaffneten Kampf der al-Shabaab gegen regierungstreue Truppen in Somalia beteiligen könnte. "Es gibt zwei Möglichkeiten: Andy wird erschossen, oder sie nehmen ihn fest", so Michaela M. unter Tränen.

Die Folgen der Radikalisierung von Andreas M. bekam auch sein Vater zu spüren. Im April 2012 wollte Hans-Joachim M. zu einem Urlaub in die USA fliegen. Die erforderliche Registrierung bei der US-Einwanderungsbehörde über das Internet und der Check-in am Frankfurter Flughafen liefen problemlos. Erst wenige Minuten vor dem Abflug teilten amerikanische Einwanderungsbeamte Hans-Joachim M. am Gate mit, dass er nicht einreisen dürfe. Sie lehnten es jedoch ab, ihm die Gründe für dieses Verbot zu nennen.

Der ehemalige Bundeswehroffizier, der zwei Jahre in den USA stationiert war, vermutet, dass er wegen des Verdachts gegen seinen Sohn auf einer Flugverbotsliste steht. "Ich war wie benommen, handlungsunfähig", erinnert sich Hans-Joachim M., "wir hatten einen Schaden von 3000 Euro."

Hans-Joachim M. beschwerte sich schriftlich beim US-Heimatschutzministerium. Die Behörde verweigerte ihm unter Berufung auf die Nationale Sicherheit jede Begründung für das Verbot und empfahl ihm, einen Visa-Antrag zu stellen. M. sieht in der Behandlung eine Art "Sippenhaft": "Ich habe mich immer gegen die radikalen Ideen meines Sohnes ausgesprochen. Ich kann mir nichts vorwerfen und fühle mich schon sehr verletzt und menschenunwürdig behandelt."

Auch auf Anfrage des ZDF lehnten US-Behörden nähere Angaben über das Einreiseverbot ab und verwiesen auf die Möglichkeit, die Entscheidung im Rahmen eines Visa-Verfahrens überprüfen zu lassen.

Quelle: ZDF

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