Russland wirbt trotz Sanktionen um westliche Investoren
Archivmeldung vom 24.11.2014
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtTrotz der Sanktionen des Westens wirbt Moskau weiterhin auch um westliche Investoren. Es gelte, das "generelle Umfeld" für sie "freundlicher" zu gestalten, sagte Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Dienstagausgabe). "Wir werden unser Geschäft mit China ausweiten, aber das mit Europa nicht einschränken."
Mit Blick auf die Sanktionen sagte Uljukajew, diese hätten zu einem Rückgang der Auslandsinvestitionen in Russland geführt. "Wir spüren die Sanktionen. Zunächst, was den Zugang zum weltweiten Kapitalmarkt angeht. Und, was die Zahlungsbilanz angeht, den Abfluss von Kapital, den Wechselkurs, die Inflation. Aber wir versuchen unseren Partnern zu erklären, dass die Sanktionen negative Auswirkungen auf alle haben", sagte Uljukajew.
Er sagte weiter, "zum Glück" sei ein Gesetz gestoppt worden, das vorsah, russische Anleger, die unter den Sanktionen leiden, auf Kosten westlicher Investoren in Russland zu entschädigen. Derlei "widerspricht unserer Botschaft an die Investoren". Die Inflation durch den Kursverfall des Rubel bezifferte der Minister auf "rund neun Prozent bis Ende des Jahres".
Mit Blick auf die Folgen der russischen Politik für die Wirtschaft des Landes sagte Uljukajew: "Es ist nicht einfach so, dass eine Wirtschaftspolitik bestimmt worden wäre, deren Ergebnisse wir jetzt sehen. Es war nicht unsere Wahl". Russland habe "auf einige dramatische Ereignisse im Ausland" wie den "Staatsstreich in der Ukraine" reagiert. "Jetzt rollt die Lawine und man kann sie nur schwierig anhalten. Man kann nur versuchen, sich irgendwie zu schützen." Doch sei, versicherte Uljukajew, Präsident Wladimir Putin "in wirtschaftlichen Fragen Realist" und "hört ökonomischem Rat zu, auch von meiner Seite".
Gabriel warnt vor schärferem Ton gegenüber Russland
SPD-Chef Sigmar Gabriel hat den Westen vor einem schärferen Ton gegenüber Moskau gewarnt. Der SPD-Vorstand sei sich bei seiner Sitzung einig gewesen, dass man eine Eskalation vermeiden müsse, sagte Gabriel am Montag. Dem SPD-Chef zufolge seien die Debatten über eine Aufnahme der Ukraine in die Nato und eine größere Truppenpräsenz des Militärbündnisses in Osteuropa "falsche Reaktionen". Der Bundeswirtschaftsminister forderte in diesem Zusammenhang die Union zur Mäßigung auf.
Mit Blick auf Äußerungen von CSU-Chef Horst Seehofer, der Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) im "Spiegel" vor einer "Nebenaußenpolitik" gewarnt hatte, sagte Gabriel, der bayerische Ministerpräsident habe eine "besondere Art von Humor". "Man kann das nicht ernst nehmen", so Gabriel.
Der Präsident der Ukraine, Petro Poroschenko, plant derweil ein Referendum über einen Nato-Beitritt des Landes, das in den kommenden Jahren stattfinden soll. Es gebe einen Plan, innerhalb von sechs Jahren die Kriterien für eine Aufnahme in das Militärbündnis zu erfüllen, sagte Poroschenko am Montag. Danach werde die ukrainische Bevölkerung "in einem Referendum entscheiden können, ob das Land der Nato beitritt oder nicht".
Putin-Interview: Seipel wehrt sich gegen Vorwürfe
Der Fernsehjournalist Hubert Seipel hat sich nach dem Fernsehinterview mit Wladimir Putin gegen Vorwürfe gewehrt, er habe Putin zu unkritisch befragt: "Was hat der Zuschauer davon, wenn ich mich als journalistisches Alphamännchen aufbaue und eine Wunschliste der Political Correctness abarbeite?", sagte Seipel dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". "Ich bin weder bei Amnesty International und auch nicht der Vorposten des Westens, der als Kämpfer für Freiheit und Gerechtigkeit aufzutreten hat. Ich bin gelernter Dokumentarist. Mich interessiert, das Interesse des anderen zu dokumentieren und das kriege ich nicht heraus, wenn ich den Bad Guy spiele."
Das Interview sei vom Kreml nicht autorisiert worden, erzählte Seipel weiter. "Ich hatte wenig Interesse, mit der Pressestelle des Kreml in stundenlangem Hickhack über Streichungen zu diskutieren. Deshalb habe ich direkt nach der Aufzeichnung zu Putin gesagt, ich will das schneiden und es nicht autorisieren lassen." Der russische Präsident habe das sofort abgenickt. "Sein Pressechef war wenig glücklich."
Putin: Russland will keinen neuen Eisernen Vorhang
Russland will nach den Worten des Präsidenten Wladimir Putin keinen neuen Eisernen Vorhang in Europa. Man werde nicht den Weg der Isolation gehen, sagte Putin in einem Interview mit der russischen Nachrichtenagentur TASS. Dennoch werde Russland seine geopolitischen Interessen weiter verfolgen. Putin betonte erneut, dass die Sanktionen, die der Westen wegen der Ukraine-Krise gegen Russland verhängt hatte, sowie der Rückgang des Ölpreises und der Verfall des Rubel nicht nur für Russland negative Auswirkungen haben würden.
Durch die weltweiten, gegenseitigen Abhängigkeiten seien auch andere Staaten betroffen. Würden jedoch angemessene Gegenmaßnahmen getroffen, könnten "katastrophale Folgen" für die russische Wirtschaft jedoch abgewendet werden.
Agco-Chef Richenhagen: Merkel hat die Russland-Krise "total vergeigt"
Agco-Chef Martin Richenhagen wirft Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama Versagen im Konflikt zwischen Russland und Ukraine vor: "Man kann es nicht anders sagen: Obama und Merkel haben die Russland-Krise total vergeigt", sagte Richenhagen der "Welt am Sonntag".
Mit ihrer "undiplomatischen Haltung" hätten Obama und Merkel den russischen Präsidenten Wladimir Putin überhaupt erst in die Ecke gedrängt und zur Eskalation beigetragen, sagte der Chef des drittgrößten Landmaschinenherstellers der Welt. Merkel und Obama hätten "die Würde und den Stolz Russlands verletzt", so Richenhagen weiter. "Jetzt sind die Fronten so verhärtet, dass wir geradewegs auf einen neuen Kalten Krieg zusteuern."
Weder Obama noch Merkel würden begreifen, dass die Sanktionen gegen Russland in einer vernetzten Welt den Westen genauso schädigen wie Russland selbst. "Leider hat Frau Merkel auffällig wenig Ahnung von Wirtschaft." Gleiches gelte auch für den deutschen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und für US-Präsident Obama. "Verhandeln und die Russen einbinden ist die einzige Möglichkeit, aus dieser verkorksten Lage herauszukommen", riet Richenhagen. Alles andere würde auch wirtschaftlich zu einer Katastrophe führen.
Verfassungsschutzchef warnt vor russischer Propaganda
Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen warnt in der Ukraine-Krise vor der Manipulation durch russische Propaganda. "Wir sehen mit Sorge, wenn versucht wird, auf die Meinungsbildung Einfluss in Deutschland zu nehmen - allerdings längst nicht so offensiv wie in manchen osteuropäischen Staaten", sagte Maaßen im Interview mit der "Welt am Sonntag".
Die Verfassungsschützer beobachten, dass in Internetblogs oder Foren äußerst prorussische Positionen in deutscher Sprache gepostet werden. "Hier stellen wir uns die Frage, wer dahintersteckt", so Maaßen. Eine Zuordnung zu einem russischen Dienst sei jedoch nur schwer zu treffen.
Das neue deutsche Programm des russischen Staatssenders "Russia Today" sei jedenfalls kein Fall für den Verfassungsschutz: "Man muss unterscheiden zwischen Öffentlichkeitsarbeit von Regierungen, was ohne Weiteres legitim ist, was alle Staaten machen, und dem Versuch von Desinformation durch Nachrichtendienste und Propaganda", erklärte Maaßen. Die Aktivität der russischen Nachrichtendienste hierzulande befindet sich laut Verfassungsschutz seit Jahren auf einem hohen Niveau.
Im Zuge der Ukraine-Krise hat sich jedoch laut Maaßen der Fokus verlagert: "Jetzt beschäftigen sie sich mit anderen Themen wie der deutschen Ukraine- oder der Energie-Politik", sagte der Präsident. Die Methodik bei der Informationsgewinnung sei dabei gleich geblieben: Personen würden gezielt auf Tagungen oder Events angesprochen oder abgeschöpft, laut Maaßen. "Wir stellen auch fest, dass die russischen Dienste versuchen, Personen direkt als Quellen zu gewinnen."
In Einzelfällen hat der Verfassungsschutz festgestellt, dass Personen aus Deutschland ausreisen und an den Kämpfen in der Ukraine teilnehmen. "Zum Teil schlagen sie sich auf die Seite der Separatisten, zum Teil auf die andere Seite", sagte Maaßen.
Quelle: dts Nachrichtenagentur