Russland wird EU-Sanktionen über WTO anfechten
Archivmeldung vom 01.08.2014
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEU-Sanktionen gegen Russland widersprechen den WTO-Normen. Dies sagte, wie die online Redaktion von Radio "Stimme Russlands" meldet, der russische Botschafter in der EU Wladimir Tschischow bei einer Videobrücke in Brüssel.
Weiter heißt es: "Laut ihm wird Moskau eine Aufhebung der Sanktionen anstreben. Dafür soll ein entsprechendes Verfahren in der WTO eingeleitet werden. Die antirussischen Sanktionen werden ohne jegliche juristische Grundlage verhängt, unterstrich der Diplomat."
EU-Sanktionen: Politik oder Theater des Absurden?
Oleg Sewergin schreibt bei Radio "Stimme Russlands" zu den neuen Sanktionen: "„Endlich! Es ist vollbracht“, bemerkte der Rundfunksender „Deutsche Welle“ mit Genugtuung in seinem Kommentar zur Verabschiedung des neuen Sanktionen-Pakets gegen Russland in Brüssel. Zuvor hatte auch Washington Sanktionen verhängt.
Unsere Kollegen schätzen jene Tatsache positiv ein, dass sich die 28 Mitgliedsländer auf eine einheitliche Position verständigen konnten, die politischen und wirtschaftlichen Maßnahmen gegen ihren wichtigsten östlichen Nachbarn und ihren traditionellen Partner zu verschärfen. „Hätte die EU nicht gehandelt, wäre ihre Glaubwürdigkeit verloren gegangen“, resümiert der Autor des Kommentars und meint, in Richtung Moskau habe „eine klare Aussage erfolgen“ müssen.
Etwa in demselben Sinn äußerten sich auch andere Kommentatoren und Analytiker in den europäischen Massenmedien. Im Prinzip wurde über die neuen Maßnahmen gegen eine weitere Gruppe russischer Politiker und Geschäftsleute, aber ebenso gegen Banken und Korporationen schon recht ausführlich berichtet. Dennoch lohnt es sich, noch einmal kurz darauf einzugehen. Laut der von der EU getroffenen Entscheidung wird für fünf bedeutende Banken Russlands der Zugang an die europäischen Kapitalmärkte eingeschränkt. Den europäischen Banken wird verboten, Obligationen, Aktien und andere Instrumente der russischen Finanzinstitute zu kaufen. Die EU friert Aktiva ein und verbietet den ihres Erachtens Putin nahestehenden Geschäftsleuten Reisen nach Europa. Ein weiteres Element der Sanktionen ist das Lieferverbot für zivil und militärisch nutzbare Güter. Die Einschränkungen betreffen insbesondere den Konzern Almas-Antej, der Boden-Luft-Raketen herstellt. Mit einer solchen Rakete soll die Volkswehr, wie die USA behaupten, angeblich die malaysische Boeing abgeschossen haben.
Es lohnt sich kaum, hier die ganze Liste anzuführen. Nach all dem Gesagten möchte man die europäischen Kommentator-Kollegen unwillkürlich fragen: Woher kommt diese Freude? Etwa daher, dass das Verbot von Reisen nach Europa für gewisse „nahe Freunde“ des russischen Präsidenten ihm die Laune verderben wird? Meinen sie das im Ernst? Oder dass man manchen Sektoren der russischen Wirtschaft schaden wird? Ja, es wird einen Schaden geben, das bestreitet niemand. Aber die „Deutsche Welle“ bemerkt auch gleich: „Ob die Sanktionen gegen Russland die gewünschte Wirkung haben werden, weiß niemand.“ Indessen ist vielen Politikern und Geschäftsleuten in den Ländern der EU klar, dass die Sanktionen einen Bumerang-Effekt auslösen werden. Diese Tatsache ist ihnen klar, dennoch sind diese Leute für weitere Maßnahmen zur Einwirkung auf den Kreml.
Stellt man das alles auf einen juristischen Boden, so muss bemerkt werden, dass die Fachleute für internationales Recht immer öfter die Meinung äußern, der Begriff „Sanktionen“ dürfe lediglich angewandt werden, wenn der UN-Sicherheitsrat Sanktionen verkündet. Im vorliegenden Fall sind die von Washington und Brüssel angewandten Maßnahmen zur Einwirkung auf Moskau nichts anderes als ein Element des politischen und wirtschaftlichen Drucks. Und das kommt bereits dem Begriff „Wirtschaftskrieg“ oder bestenfalls dem Begriff „Kalter Krieg“ nahe – genauer gesagt, seiner Wiederbelebung.
Hier sei auch auf interessante Nuancen aufmerksam gemacht. Die jüngste Ausgabe des Magazins „Der Spiegel“ erschien mit dem großgedruckten Aufruf „Stoppt Putin jetzt!“ auf der Titelseite. Ja, alle Beschuldigungen an Moskaus Adresse werden mit dem Namen des russischen Staatschefs verknüpft. Im Prinzip war die Dämonisierung von – in diesem Fall Washington - unbequemen Politikern immer ein Merkmal der Herangehensweise des Weißen Hauses an die Lösung politischer Probleme. Nun scheint sie auch Brüssel zu praktizieren. Aber lässt sich auch nur ein einziges Beispiel anführen, wo der Sturz eines unbequemen Spitzenpolitikers die gewünschte Wirkung hatte? Die Antwort ist klar.
Und noch eine andere Nuance. Praktisch alle Beschuldigungen, die in den europäischen Massenmedien Moskau gegenüber geäußert werden, wiederholen Washingtons Behauptungen. Und zwar ohne jegliche konkrete Beweise. Die fast 100-prozentige Willensäußerung der Bewohner der Krim wird als russischer „Anschluss“ dargestellt. Die blutige Strafoperation Kiews gegen eine ebensolche Willensäußerung der Bürger des Südostens, die nicht unter der Macht von Trägern einer nazistischen Ideologie leben wollen, wird als ein Kampf um die „Unabhängigkeit der Ukraine“ von einer angeblichen Aggression Russlands in Gestalt der „prorussischen Separatisten“ dargestellt. Der Tod friedlicher Menschen, der Strom von Hunderttausenden Flüchtlingen nach Russland, der Einsatz von verbotenen Waffenarten gegen die friedliche Bevölkerung durch Kiew werden überhaupt nicht bemerkt. Man könnte das alles ein Theater des Absurden nennen, wenn das Blut auf seiner politischen Bühne unecht wäre. Doch es ist echt!
Der stellvertretende Direktor des Instituts für politische und militärische Analyse Alexander Chramtschichin ist in dieser Beziehung kategorisch und sagt Folgendes:
„Europa hängt natürlich sehr stark von den Vereinigten Staaten ab. Im gegebenen Fall fürchtet es ein Erstarken Russlands, und das stärkt die psychologische Abhängigkeit von den Staaten nur. Deshalb hat Amerika mit seinem Druck auf Europa letztendlich Erfolg, sogar entgegen seiner wirtschaftlichen Interessen.“
Man schäme sich für die Europäische Union, die nach langer Suche nach einer „gemeinsamen Stimme“ mit Washingtons Stimme spreche und praktisch die europäischen Grundwerte verworfen habe, bemerkte man im russischen Außenministerium im Zusammenhang mit der Verabschiedung neuer Sanktionen. Die EU-Politik stütze sich jetzt nicht auf geprüfte Tatsachen, sondern werde aus Washington diktiert, resümierte das Außenministerium. Moskau schäme sich für Europa, hieß es. Aber schämen sich in der EU jene, die ihre Freude über die sogenannten Sanktionen gegen Russland nicht verbergen können?"
Quelle: Text Oleg Sewergin - „Stimme Russlands"