Vorstoß über geplante Grenzkontrollen in Europa stößt auf Kritik
Archivmeldung vom 20.04.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Vorstoß von Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) für die Wiedereinführung nationaler Grenzkontrollen ist in der Koalition auf Kritik gestoßen. "Diese Art von Wahlkampfhilfe finde ich alles andere als gut", sagte der der Vorsitzende der FDP-Gruppe im Europaparlament, Alexander Graf Lambsdorff, "Spiegel Online". Friedrichs Äußerung sei eine Unterstützung Sarkozys bei seinem Versuch, vor der Wahl am rechten Rand zu fischen, zu Lasten Europas.
Rückendeckung erhält der Liberale vom FDP-Bundesvorstands-Mitglied Michael Theurer. "Offensichtlich will die CSU jetzt auf der Welle der Europaskepsis reiten", so Theurer und plädierte statt dessen dafür, dass Friedrich lieber den Aufbau einer europaweiten funktionierenden Polizeiarbeit vorantreiben solle.
Auch der neue Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz (SPD), kritisierte den Vorgang und verwies darauf, dass der Brief der Position, die die Bundesregierung noch im vergangenen Jahr gegenüber den dänischen Vorgängen eingenommen hatte, "völlig widerspricht". Damals hieß es, "die Entscheidung in Kopenhagen bediene allein "nationalistische Strömungen" und verstoße gegen den Geist des Schengen-Abkommens". Friedrich hatte nur zwei Tage vor dem ersten Wahlgang in Frankreich in einem gemeinsamen Brief die Wiedereinführung nationaler Grenzkontrollen gefordert. Hintergrund ist die Kritik, die EU-Außengrenzen würden nicht ausreichend gesichert.
FDP-Politiker Lindner gegen Korrektur des Schengen-Abkommens
Der Spitzenkandidat der FDP bei der nordrhein-westfälischen Landtagswahl, Christian Lindner, hat sich gegen eine von Deutschland und Frankreich geplante Korrektur des Schengener Abkommens gewandt. "Ich lehne eine solche Renationalisierung europäischer Politik ab", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger". "Europa ist das Haus der Freiheiten. Eine zentrale Säule ist die Freizügigkeit. Die systematische Aushöhlung des Schengener Abkommens wäre in den Grenzregionen Nordrhein-Westfalens eine massive Behinderung im Alltag. Vor allem würde das Erbe Konrad Adenauers, Helmut Kohls und Hans-Dietrich Genschers so auf leichtfertige Weise verspielt."
Die Regierungen in Berlin und Paris wollen Grenz-Kontrollen im Schengen-Raum künftig auch dann für 30 Tage befristet zulassen, wenn ein anderer Schengen-Staat seine Außengrenzen nicht ausreichend gegen illegale Einwanderung schützt.
CSU-Europaparlamentarier Manfred Weber kritisiert Innenminister Friedrich
CSU-Europaparlamentarier Manfred Weber hat Widerstand gegen den Vorstoß seines Parteifreundes Hans-Peter Friedrich bezüglich der Wiedereinführung von Grenzkontrollen im Schengen-Raum angekündigt. "Wir werden dafür kämpfen, dass Schengen nicht zurückgebaut wird, sondern gestärkt", sagte Manfred Weber der Tageszeitung "Die Welt" (Samstagsausgabe). "Niemand stellt infrage, dass die Mitgliedsstaaten für die Garantie der Sicherheit zuständig sind. Aber für die Reisefreiheit, eines der grundlegenden Rechte der Europäer, ist nun einmal eindeutig die EU zuständig", sagte Weber. "In Fragen der Innenpolitik beginnen die Mitgliedsstaaten, Deutschland eingeschlossen, erst langsam zu verstehen, dass Europa hier nach dem Vertrag von Lissabon Standards setzen kann", sagte Weber, der auch CSU-Bezirksvorsitzender in Niederbayern ist.
Europaexperte Hunko kritisiert deutsch-französische Grenzkontrollen-Pläne
Der Linken-Abgeordnete und Mitglied des Europaausschusses des Deutschen Bundestages, Andrej Hunko, hat die deutsch-französischen Grenzkontroll-Pläne scharf kritisiert. "Ich persönlich bin eigentlich nicht dafür, dass Nationalstaaten wieder Grenzkontrollen einführen sollen", sagte er im Deutschlandfunk. Mit der Wiedereinführung von Grenzkontrollen bestehe die Gefahr, dass das Schengen-Abkommen ausgehebelt werde, welches Reisefreiheit in der Europäischen Union vorsieht. Momentan gibt es Ausnahmen im Falle von Großveranstaltungen wie beispielsweise Weltmeisterschaften. "Das wird ja auch dann oft politisch genutzt, dass man für bestimmte Gruppen die Reisefreiheit einschränkt. All das geht in die falsche Richtung", so Hunko. Persönlich würde er keine Ausnahmen gelten lassen. Den plötzlichen Vorstoß kurz vor der französischen Präsidentschaftswahl wertet er als "Wahlkampfhilfe für Sarkozy".
Quelle: dts Nachrichtenagentur