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Gaza: 1 von 4 Haushalten vom Verhungern bedroht

Archivmeldung vom 21.12.2023

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 21.12.2023 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić
Bild: Aktion gegen den Hunger Fotograf: Aktion gegen den Hunger gGmbH
Bild: Aktion gegen den Hunger Fotograf: Aktion gegen den Hunger gGmbH

Aktion gegen den Hunger ist äußerst besorgt über die heutige Erklärung der Vereinten Nationen, dass ein großer Teil der Bevölkerung im Gazastreifen unter als katastrophal eingestuftem Hunger leidet. In mindestens einem von vier Haushalten sind die Menschen vom Hungertod bedroht. Aufgrund der anhaltenden Blockade und der Bombardements ist es kaum möglich, in Gaza humanitäre Hilfe für die betroffene Bevölkerung zu leisten.

Aktion gegen den Hunger fordert mit größter Dringlichkeit eine humanitäre Waffenruhe und die bedingungslose Freilassung aller Geiseln. Unsere Teams sind trotz aller Hindernisse weiterhin vor Ort; wir verteilen Wasser, Nahrungsmittel und Hygieneartikel an die Bevölkerung und bauen Latrinen in Camps.

Menschen sind lebensbedrohlichem Hunger ausgesetzt

Der heute erschienene UN-Bericht stuft den Norden des Gazastreifens und viele der Geflüchtetencamps im Süden in Stufe 5 (Katastrophe) der sogenannten IPC-Skala ein, die das Niveau der Ernährungsunsicherheit in einer Region bewertet. "Katastrophe" bedeutet, dass die Menschen so wenig zu essen haben, dass sie vom Verhungern bedroht sind - und ist die direkte Vorstufe einer Hungersnot. Über eine halbe Million Menschen im Gazastreifen wurden in diese höchste Stufe der IPC-Skala eingestuft. Zudem haben 90 Prozent der Menschen keinen ausreichenden Zugang zu Nahrungsmitteln: In vier von fünf Haushalten im Norden und zwei von vier Haushalten im Süden essen manche Familien tagelang nichts. Dieses extreme Ausmaß an Hunger und Mangelernährung ist auf den schweren Konflikt und den Zusammenbruch der Versorgung durch die Blockade zurückzuführen und kann nur durch eine anhaltende humanitäre Feuerpause und einen verbesserten Zugang für humanitäre Hilfe überwunden werden.

Der Gazastreifen ist eines der am dichtesten besiedelten Gebiete der Welt, in dem 2,3 Millionen Menschen leben, die Hälfte davon Kinder. Seit dem schrecklichen Angriff auf Israel am 7. Oktober und den darauffolgenden unerbittlichen Kampfhandlungen im Gazastreifen hat sich die humanitäre Lage täglich verschärft. Das Ende der siebentägigen Feuerpause am 1. Dezember und die Eskalation der Angriffe hat die meisten humanitären Organisationen dazu gezwungen, ihre Aktivitäten auf ein Minimum zu reduzieren. Seit Beginn des Krieges konnten humanitäre Organisationen nur sehr eingeschränkt Hilfe leisten, inzwischen ist der humanitäre Zugang fast nicht mehr möglich.

"Die Kombination aus unablässigem Beschuss, dem Mangel an Nahrungsmitteln, Wasser und Treibstoff hat zu dieser verzweifelten Situation geführt. Die Vereinten Nationen und die humanitären Organisationen warnen seit Wochen vor der Notwendigkeit, alle Hindernisse für die humanitäre Hilfe im Gazastreifen aus dem Weg zu räumen, um diese Eskalation des Hungers zu vermeiden", sagt Chiara Saccardi, Regionalleiterin von Aktion gegen den Hunger im Nahen Osten.

Humanitäre Waffenruhe und Freilassung aller Geiseln

"Wir fordern eine humanitäre Waffenruhe und die bedingungslose Freilassung aller Geiseln in Gaza. An erster Stelle steht für uns der Schutz von allen unschuldigen Zivilist*innen in diesem Konflikt, sowie der Schutz unserer Mitarbeitenden vor Ort. Eine Waffenruhe wäre eine lebensrettende Maßnahme für die Zivilbevölkerung in Gaza, die ständigen Bombardierungen ausgesetzt ist und unter katastrophalem Hunger leidet. Humanitäre Hilfe für die betroffenen Menschen muss sofort und flächendeckend möglich gemacht werden. Die internationale Gemeinschaft muss jetzt handeln", sagt Jan Sebastian Friedrich-Rust, Geschäftsführer von Aktion gegen den Hunger.

Humanitäre Hilfe am Limit

Seit zwei Monaten arbeitet Aktion gegen den Hunger vor Ort unter extrem gefährlichen Bedingungen. Die Teams - die selbst aus ihren Häusern fliehen mussten - stellen im Rahmen des Möglichen Wasser, sanitäre Einrichtungen und frische Nahrungsmittel bereit. Der Gazastreifen wird jedoch nicht ausreichend mit Hilfsgütern und grundlegenden Gütern des täglichen Bedarfs versorgt, die Märkte und Supermärkte sind leergefegt und die Gebiete im Norden sind wegen der Kämpfe und des Mangels an Transportmitteln von der Außenwelt abgeschnitten. Die Lage ist desaströs.

"Unsere Organisation kann in geringem Umfang im Gazastreifen weiterarbeiten, weil wir dort seit vielen Jahren tätig sind und die Lieferanten gut kennen", sagt Noelia Monge, Leiterin des Notfallteams von Aktion gegen den Hunger, die erst vor kurzem aus der Region zurückgekehrt ist. "Wir kennen die Orte, an denen wir Hilfsgüter erhalten können, und haben engagierte lokale Mitarbeitende. Aber wenn die Lastwagen nicht hineingelangen können und es keinen Treibstoff gibt, wird die Verteilung von Nahrungsmitteln und Wasser praktisch unmöglich."

Neben dem Mangel an Nahrungsmitteln und Wasser ist auch die Grundversorgung mit Windeln, Feuchttüchern und Seife äußerst knapp. "Mütter müssen ihre an Durchfall leidenden Kinder ohne Wasser, ohne Feuchttücher und ohne Windeln versorgen. Die Menschen sind wütend, deprimiert und verzweifelt. Sie haben große Angst", sagt Saccardi.

Gesundheitsversorgung zusammengebrochen

Darüber hinaus ist das Gesundheitssystem nicht mehr funktionsfähig. Die Angriffe auf Krankenhäuser haben dazu geführt, dass ein Großteil der Bevölkerung im Gazastreifen keinen Zugang zu medizinischer Hilfe hat. Es fehlen die allernötigsten Medikamente. Die ersten Fälle von Hepatitis A wurden gemeldet, Durchfall und Läuse sind unter der Bevölkerung weit verbreitet. Die fehlende Verfügbarkeit von Wasser- und Sanitärversorgung fördert zudem die rasante Ausbreitung von Infektionskrankheiten wie Atemwegserkrankungen und Windpocken.

Hier geht es zum aktuellen IPC-Bericht.

Quelle: Aktion gegen den Hunger gGmbH (ots)

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