Top-Ökonomen attackieren Hollande
Archivmeldung vom 25.08.2014
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtFührende Ökonomen in Deutschland haben den französischen Staatspräsidenten François Hollande nach dem Rücktritt der Regierung in Paris scharf kritisiert. "Frankreichs Regierung hat noch immer nicht den Ernst der eigenen wirtschaftlichen Lage erkannt. Sie weigert sich hartnäckig die eigenen Schwächen einzugestehen und sucht den Sündenbock lieber im Ausland", sagte der Präsident des deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, "Handelsblatt-Online".
Die Verantwortung für die tiefe Wirtschaftskrise in Frankreich liege jedoch nicht in Berlin, Brüssel oder Frankfurt, sondern in Paris. Aus Fratzschers Sicht unterliegt die französische Regierung zwei großen Illusionen: "Eine expansivere Fiskalpolitik, wie von Frankreich gefordert, kann nur dann wirksam sein, wenn sie von Strukturreformen begleitet wird - vor allem der Sozialsysteme und des Arbeitsmarkts", so der DIW-Chef.
Frankreichs Regierung habe aber bisher viel zu wenig getan, um die Sozialsysteme und den Arbeitsmarkt zu reformieren. Das Land rangiere und den Schlusslichtern in Europa was den Reformwillen angeht. "Die zweite Illusion der französischen Regierung liegt in ihrem Glauben, mehr Staatsinterventionen könnten die Krise bewältigen", so Fratzscher weiter. Nur durch Strukturreformen und eine gleichzeitige Stärkung von Unternehmen und Märkten werde Frankreich aus der Krise kommen können.
Der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, reagierte ebenfalls mit Unverständnis auf die politische Krise in Paris. "Frankreich steht wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand, trotzdem ist der Widerstand gegen Reformen so groß, dass Frankreich sein Kabinett erneut umbaut", sagte Krämer "Handelsblatt-Online".
Krämer warf Hollande einen unklaren Reformkurs vor. "Er geht immer dreiviertel Schritte vor, und einen halben zurück." So habe er es grundsätzlich ermöglicht, dass Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten von Tarifverträgen abweichen können. Aber dazu bräuchten sie das Einverständnis der Gewerkschaften, die in Frankreich anders als in Deutschland aber ziemlich kompromisslos sind. "Aber ohne durchschlagende Reformen wird Frankreich weiter zurückfallen und stagnieren."
Krämer sieht auch Auswirkungen auf die Euro-Zone insgesamt. "Es sind vor allem die reformresistenten Länder Frankreich und Italien, die verhindern, dass es mit der Euroraum-Wirtschaft deutlich nach oben geht", sagte er. Spanien, Portugal und Irland seien hingegen nicht mehr das Hauptproblem, sie hätten die Lohnexzesse der Boomjahre rückgängig gemacht.
Die wirtschaftliche Schwäche Frankreichs und Italiens setze zudem die Europäische Zentralbank (EZB) unter Druck, auf breiter Front Staatsanleihen zu kaufen. "Das hilft zwar am Ende nicht den Volkswirtschaften, entlastet aber die Finanzminister und die Banken der schwächelnden Länder", kritisierte der Commerzbank-Chefökonom.
Quelle: dts Nachrichtenagentur