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Die neue Völkerwanderung

Archivmeldung vom 22.08.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 22.08.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Seit die meisten Grenzen gefallen sind und Billigflieger ganz Europa verbinden, haben sich Millionen Menschen auf die Suche nach besseren Lebens- und Arbeitsbedingungen begeben. Der Kontinent teilt sich zunehmend in Gewinner- und Verliererregionen.

Jeder zehnte Pole arbeitet im Ausland; jeder siebte Einwohner Irlands ist Migrant; Spanien zieht neben Rumänen und Bulgaren auch sonnenhungrige Rentner an: Europa ist in Bewegung. Während Spanien, Irland und Großbritannien sowie viele Metropolregionen von Zuwanderern profitieren, verschärfen sich andernorts die Probleme: Aus weiten Teilen Osteuropas, Ostdeutschlands sowie Randgebieten in Nordspanien und Süditalien ziehen vor allem junge Menschen fort. Dort altern die Bevölkerungen und schrumpfen die Bevölkerungszahlen besonders schnell.

Kaum irgendwo in Europa sind die Geburtenraten hoch genug, um die Einwohnerzahlen konstant zu halten. Stabilität oder gar Wachstum sind daher nur durch Migranten möglich - entweder auf Kosten anderer EU-Mitglieder oder durch Zuwanderer von außen.

Wie "die demografische Zukunft Europas" aussehen wird und wie gut Länder und Regionen darauf vorbereitet sind, berichtet die Zeitschrift GEO in ihrer September-Ausgabe in einem Dossier auf der Basis einer neuen Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung, die heute auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin vorgestellt wurde. Außerdem haben GEO-Reporter Orte des Aufbruchs besucht und Migranten begleitet: etwa Arbeiter aus dem verwaisten Südpolen in den boomenden Schmelztiegel Dublin; oder französische Städter in die wiedererwachende Provinz.

Aus manchen polnischen Dörfern sind nach dem EU-Beitritt die Hälfte aller Männer fortgegangen, um vor allem in Großbritannien und Irland Geld zu verdienen. Abwanderung war der einzige Weg aus der Arbeitslosigkeit. Jetzt aber boomt die polnische Wirtschaft, und einheimische Arbeitskräfte fehlen. Personalvermittler und Arbeitsämter holen Ukrainer als Ersatz. Auch Chinesen sollen helfen, rechtzeitig zur Fußball-EM 2012 Straßen und Stadien fertigzustellen. Lohnsteigerungen von jährlich bis zu 30 Prozent locken inzwischen auch deutsche Handwerker in den Osten - und erste Polen aus dem Ausland zurück.

"Die heutigen Migranten sind oft keine Auswanderer mehr, die in der Fremde sesshaft werden, sondern Arbeitspendler, die mit Billig-Airlines den attraktivsten Angeboten folgen", so ein Fazit der GEO-Reportage über das Europa in Bewegung.

Vielleicht wird Polen dem irischen Weg folgen: Über Jahrhunderte ein Auswandererland und lange Zeit ein Armenhaus Europas, ist Irland seit 15 Jahren Ziel von Heimkehrern und Migranten. Heute hat der Inselstaat einen Ausländeranteil von 15 Prozent - und nach Luxemburg das zweitstärkste Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der EU. Wie Wanderungsströme ihre Richtung ändern können und in einstigen Krisengebieten Neues entsteht, zeigt sich auch in Frankreich. Die Regel, dass Menschen vom Land in die Großstädte ziehen, gilt hier nicht mehr: Der gesättigte Großraum Paris verliert neuerdings Einwohner an Kleinstädte und Dörfer. Doch Schrumpfung und Landflucht lassen sich nur dort aufhalten, wo, wie in Frankreich und Irland, die Bevölkerung insgesamt weiter wächst. Das ist derzeit nur noch in 19 der 27 EU-Staaten der Fall. Deutschland verliert aufgrund seiner niedrigen Geburtenrate bereits seit 2003 Einwohner, bis zum Jahr 2050 sind Verluste von zehn Prozent prognostiziert - trotz anhaltender Zuwanderung.

Quelle: GEO

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