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DIW-Ökonom fürchtet Scheitern von Merkels Plänen für Euro-Rettung

Archivmeldung vom 08.12.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 08.12.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Gerd Altmann / pixelio.de
Bild: Gerd Altmann / pixelio.de

Der Euro-Rettungsplan von Kanzlerin Angela Merkel droht nach Einschätzung von Ansgar Belke, Wirtschaftsprofessor an der Universität Duisburg-Essen und Mitglied im Monetary Experts Panel des Europaparlaments, an einem entscheidenden Punkt zu scheitern. "Fatal ist, dass der von Frau Merkel eingeschlagene Weg, eine gehärtete Fiskalunion zur Voraussetzung für zeitlich begrenzte EZB-Eingriffe zu machen, zwar goldrichtig, aber wohl nicht rechtzeitig praktikabel sein wird", sagte der Forschungsdirektor Internationale Makroökonomie am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin "Handelsblatt-Online".

Hintergrund ist, dass als zusätzlicher Schritt zu einer Fiskalunion mit strengeren Haushaltsregeln sowie automatischen Sanktionen gegen Schuldensünder der Europäische Gerichtshof (EuGH) über die Ausgestaltung der Schuldenbremsen in den einzelnen EU-Ländern wachen soll. Belke glaubt, dass ein Klagerecht bei Verstößen gegen die Verschuldungsregeln vor dem EuGH "wohl nicht durchsetzbar" sei, solange nicht klar ist, wie die unterschiedlichen Rechtsauffassungen zwischen den Euro-Ländern auf eine Linie gebracht werden können. Als Beispiel nannte Belke die Finanzhilfen für Schuldenstaaten. Während deutsche Juristen und auch das Bundesverfassungsgericht von einem Bailout-Verbot (Verbot der Schuldenübernahme) sprächen, seien die Südländer der Ansicht, dass es lediglich nur keinen Anspruch auf ein Bailout gebe.

Genauso verhalte es sich mit den Anleihekäufen der Europäischen Zentralbank (EZB), fügte Belke hinzu. "Während deutsche Juristen hierin einen Verstoß gegen die Monetarisierung der Staatsschuld sehen, wird dies seitens der überschuldeten Länder als Verbesserung des monetären Transmissionsprozesses ausgelegt, der die Verfolgung des Ziels Preisniveaustabilität erst ermöglicht", sagte der Ökonom. Belke schließt daraus, dass damit die Pläne für eine Euro-Rettung letztlich ins Leere laufen könnten. "Hier klafft eine große Lücke, die die Einhaltung einer derartigen Fiskalunion unglaubwürdig macht", sagte er.

Die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Länder kommen am heutigen Donnerstag in Brüssel zusammen, um über die Euro-Schuldenkrise zu beraten. Bei dem zweitägig geplante Gipfel geht es um Maßnahmen für eine strenge Haushaltsdisziplin und eine engere wirtschaftspolitische Abstimmung. Deutschland und Frankreich setzen sich dafür ein, verbindliche Regeln dafür mindestens im Kreis der 17 Euro-Länder vertraglich zu verankern.

Luxemburgs Außenminister Asselborn bekräftigt Widerstand gegen EU-Vertragsänderung

Unmittelbar vor Beginn des EU-Gipfels in Brüssel hat Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn vor der von der Bundesregierung angestrebten Änderung der EU-Verträge gewarnt. "Die einzig lebenswichtige Zielsetzung muss die kurzfristige und wirksame Stabilisierung der Euro-Zone sein und damit das Wohl aller 27 EU-Mitgliedstaaten", sagte Asselborn der Zeitung "Die Welt". Alles andere sei sekundär. "Vor allem breit angelegte Vertragsänderungspläne, welche nur mühselig und schwierig umzusetzen sind", so Asselborn weiter.

Arbeitgeberpräsident Hundt lobt "stringente Politik" Merkels

Unmittelbar vor dem am Donnerstag beginnenden EU-Gipfel hat Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt Bundeskanzlerin Angela Merkel den Rücken gestärkt. "Ich begrüße die stringente Politik der Bundeskanzlerin sehr", sagte Hundt der "Rheinischen Post". "Es muss jetzt eindeutig vereinbart werden, dass die Euro-Länder zum Schuldenabbau verpflichtet sind, die EU-Kommission in die nationalen Haushalte eingreifen kann und dass es vor allen Dingen automatische Sanktionen gegen Defizitsünder gibt. Nur dann sind weitere Hilfen möglich", sagte der Arbeitgeberpräsident. Gelinge die Euro-Rettung, werde die deutsche Wirtschaft auch im kommenden Jahr erkennbar wachsen. "Vorausgesetzt, ein großer Crash à la 2008 bleibt aus, werden wir auch im nächsten Jahr ein Wachstum von rund 1,5 Prozent erreichen", prognostizierte Hundt. "Aus der Realwirtschaft gibt es bislang kaum Hinweise, dass es zu einer Rezession oder einem Absturz kommt."

EADS-Chef Gallois fordert Lösung von Euro-Gipfel

Louis Gallois, der Chef des europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS, fordert kurz vor dem Euro-Gipfel ungewöhnlich deutlich schnelle Entscheidungen zur Beilegung der Euro-Krise. "Die Zweifel der Öffentlichkeit wachsen. Es ist dringend Zeit für Entscheidungen, die langfristig eine Perspektive bieten", sagte Gallois im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung". "Wir haben es mit einer Situation zu tun, die außer Kontrolle geraten könnte, wenn die Märkte nicht endlich starke und klare Botschaften bekommen", so der EADS-Chef weiter. Es bestehe die Gefahr einer systemischen Krise, wenn das Problem der Führungsfrage in der Euro-Zone nicht gelöst werden. Gallois warnte eindringlich vor einem Scheitern des Euro: "Dazu darf es nicht kommen." Auch ein Kerneuropa aus wenigen Ländern wäre gefährlich. Gallois: "Wenn es nur noch ein Kerneuropa mit dem Euro geben würde, könnte das hinter EADS als exportorientiertem Unternehmen ein Fragezeichen setzen."

Den EADS-Konzern selbst sieht er auch angesichts des drohenden Konjunktureinbruchs nicht in Problemen. "Wir sind derzeit nicht im Krisenmodus, die Nachfrage etwa nach Flugzeugen oder Helikoptern ist immer noch stark. Und wir sind verhältnismäßig gut geschützt." Er verwies auf die hohe Liquidität von elf Milliarden Euro und den hohen Auftragsbestand. Zu 2012 sagte er: "Die Profitabilität von EADS wird 2012 deutlich steigen."

Gallois bleibt noch bis Mitte 2012 EADS-Chef. Als Nachfolger gilt Airbus-Chef Tom Enders. Gallois kündigte das Ende der Rotation zwischen deutschen und französischen Managern an: "Das wird jetzt zum letzten Mal durchgeführt. Danach ist die Rotation nicht mehr verbindlich. Mein Nachfolger könnte auch länger im Amt bleiben als ich, wenn der Verwaltungsrat das will", sagte Gallois der "Süddeutschen Zeitung".

Der börsennotierte EADS-Konzern wurde 2000 gegründet und ist ein deutsch-französisches Gemeinschaftsunternehmen mit 46 Milliarden Euro Umsatz und 122.000 Mitarbeitern.

Studie: Deutsche Wirtschaft könnte mit Konjunkturdelle davonkommen

Die deutsche Wirtschaft könnte mit einer Konjunkturdelle davonkommen - vorausgesetzt, die Schuldenkrise eskaliert nicht. Darauf deutet der "Handelsblatt"-Barclays-Indikator hin, ein für die Zeitung von Barclays Capital berechnetes Konjunkturbarometer. Demzufolge wird das Bruttoinlandsprodukt im vierten Quartal um 0,2 Prozent im Vorquartalsvergleich schrumpfen. Bereits im ersten Quartal des neuen Jahres werde die Wirtschaft wieder wachsen, wenn auch nur um 0,1 Prozent.

Barclays Capital-Ökonom Thomas Harjes, der den Indikator berechnet, nennt diese Entwicklung eine "Delle" für die deutsche Konjunktur. Im Trend erwartet er im kommenden Jahr langsam steigende Wachstumsraten - "falls sich die Krise nicht wieder verschärft". Die deutsche Industrie hatte in den vergangenen Tagen zwar gute Zahlen vorgelegt. Die Auftragseingänge waren zu Quartalsbeginn unerwartet stark gestiegen, und auch die Produktion kletterte im Oktober. Die Auftragsbestände für Investitions- und Konsumgüter seien aber über Monate gefallen, die Lagerbestände wahrscheinlich gewachsen, argumentiert Harjes von Barclays Capital.

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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